Nach den zahlreichen Aussagen von EZB-Chefin Christine Lagarde und vieler ihrer Kollegen schien für die EZB-Sitzung am Donnerstag eigentlich klar zu sein. Nun gab es allerdings überraschende Spekulationen, was gemeinsam mit einer anderen wichtigen Meldung die Aktienmärkte beflügelt hat.

Nach der Berg- und Talfahrt der Vortage haben S&P500 und DAX am Dienstag, 19. Juli jeweils einen kräftigen Sprung nach oben gemacht. Verantwortlich dafür waren zwei Meldungen, wobei die erste im Zusammenhang mit der EZB-Sitzung am Donnerstag, 21. Juli steht.

Nach vielen Signalen von EZB-Mitgliedern waren Investoren davon ausgegangen, dass die EZB bei der Sitzung die Leitzinsen um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) anheben würde – das wäre die erste Erhöhung seit 2011 -, womit die Einlagenzinsen für die Banken bei minus 0,25 % liegen würden. Die Institute würden also weiterhin Strafzinsen auf das bei der Notenbank geparkte Geld bezahlen. Welcher Irrwitz.

Zudem hatten die EZB-Mitglieder bislang angekündigt, dass bei der darauffolgenden Sitzung am 8. September die Zinsen um 50 Basispunkte angehoben werden sollen. Im Fokus der Sitzung vom 21. Juli wird zudem der „Transmission Protection Mechanism“ (TPM) der EZB stehen, also ein Anleihenkaufprogramm, das die EZB vorbereitet, um zu verhindern, dass die Zinsen für Italien und andere hochverschuldete Länder kräftig gegenüber jenen für Bundesanleihen steigen. Denn die EZB weiß besser als hunderttausende Investoren und Anleger, welches die angemessenen Zinsen für Italien sind – unglaublich!

Erholung des Euro beflügelt S&P500 und DAX

Am Dienstag gab es aber plötzlich Berichte der Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters, demnach die EZB wegen der Inflation von horrenden 8,6 % für die Euro-Zone darüber nachdenke, bei der Sitzung am 21. Juli die Zinsen möglicherweise um 50 Basispunkte anzuheben. Die News hat viele Investoren völlig auf dem falschen Fuß erwischt – ich hatte ehrlich gestanden auch nicht mit etwas Derartigem gerechnet – woraufhin der Euro einen Sprung nach oben gegenüber dem US-Dollar gemacht hat.

Daraufhin ist der S&P500-Future nach oben geschossen und hat auch den DAX mit nach oben gezogen. Der Grund: Nachdem der stark gestiegene US-Dollar in den vergangenen Monaten den S&P500 deutlich belastet hatte, weil aus den USA in die Euro-Zone exportierte Produkte immer teurer geworden sind, waren Investoren nach dem plötzlichen Anstieg des Euro – sprich dem Rückgang des US-Dollars – umso erleichterter, weil nun US-Produkte in der Euro-Zone nicht mehr ganz so teuer werden könnten wie zuvor. Daher startete die Party beim S&P500, was auch den DAX beflügelt hat, obwohl ein steigender Euro die DAX-Unternehmen belastet.

Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die EZB diesmal tatsächlich einen Schritt um 50 Basispunkte nach oben machen wird. Dann hätte die EZB mit ihrer Kommunikation in den vergangenen Wochen völlig versagt – genau so versagt wie schon in den vergangenen Jahren mit der Geldpolitik. Umso weniger Glaubwürdigkeit hätte die EZB bei Investoren, bei mir hat sie schon lange keinerlei Glaubwürdigkeit mehr.

Die EZB ist längst zu nichts anderem mehr da als sicherzustellen, dass sich hochversschuldete Länder zu Minizinsen finanzieren können, während die Null- und Strafzinsen die Inflation massiv anheizen, was Sparer und Verbraucher enorm belastet und die Wut auf die EZB zurecht schürt. Sollte die EZB diesmal nur einen Schritt um 25 Basispunkte nach oben machen, wovon ich fest ausgehe, sollte der Euro schnell wieder nach unten rauschen.

Liefert Russland bald wieder Gas?

Wenige Stunden später zündete die zweite Stufe der Kursrakete am Aktienmarkt nach einem Reuters-Bericht, demnach die russischen Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 nach dem geplanten Abschluss der Wartungsarbeiten am 21. Juli wieder aufgenommen werden sollen, wenngleich mit niedriger Kapazität. Demnach soll wieder rund 40 % des üblichen Niveaus fließen, nachdem Gazprom die Lieferungen in den vergangenen Wochen entsprechend gedrosselt hatte.

Die Nachricht sorgte für Euphorie bei Investoren – offenbar hatten viele zuvor trotz gegenteiliger Beteuerungen auf einen Gas-Stopp gesetzt -, worauf S&P500 und DAX noch stärker nach oben geschossen sind. Denn falls der befürchtete Gas-Stopp erst einmal ausbliebe, und es zumindest in eingeschränktem Umfang weiter Gas aus Russland geben würde, wäre das Risiko einer Rezession in Deutschland und der gesamten Euro-Zone längst nicht so groß wie in einem Worst-Case-Szenario.

Obwohl der Dollar, dessen Anstieg gegenüber dem Euro in den vergangenen Wochen den Goldpreis deutlich belastet hatte, nun nachgegeben hat, ist der Goldpreis lediglich seitwärts tendiert. So frustrierend kann Börse sein! Denn wegen der Rally an den Aktienmärkten hat offenbar kaum jemand Interesse an Gold.

Nach der EZB- ist vor der Fed-Sitzung

Wenn die EZB-Sitzung vorbei ist, werden Investoren umso gespannter auf die Fed-Sitzung am kommenden Mittwoch, 27. Juli warten. Nachdem Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen andauernd beteuert haben, dass die US-Wirtschaft stark sei, wollen die Fed-Mitglieder die Zinsen um 75 Basispunkte auf 2,25 bis 2,50 % anheben.

Umso größer werden allerdings die Rezessionsgefahren für die USA. So prognostiziert die Notenbank von Atlanta auf Basis ihres Echtzeitmodells, dass die US-Wirtschaft im zweiten Quartal real, also nach Abzug der Inflation, um annualisiert 1,6 % geschrumpft ist. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bereits im ersten Quartal ebenso stark zurückgegangen war, wäre das das zweite Quartal in Folge mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung, womit die Wirtschaft meiner Meinung nach in einer Rezession wäre. Der annualisierte Wert wird berechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit vier multipliziert.

Kein Wunder bei der hohen Inflation. Sie war im Juni mit 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf das höchste Niveau seit November 1981 nach oben geschossen. Gleichzeitig waren die Verbraucherpreise um 1,3 % gegenüber dem Vormonat gestiegen.

Serie schwacher US-Daten

Dennoch haben Investoren angeblich am vergangenen Freitag, 15. Juli die US-Einzelhandelsumsätze für Juni gefeiert, weil sie um 1,0 % gegenüber dem Vormonat gestiegen sind. Dabei sind die US-Einzelhandelsumsätze nach Abzug der Inflation, also real, im Monatsvergleich um 0,3 % gesunken. Sie lesen richtig: „gesunken.“ Kein Wunder, dass es dauernd Abwärtsdruck auf die US-BIP-Zahlen gibt, zumal es noch eine Serie anderer schwacher Konjunkturdaten, wie zur Industrieproduktion gegeben hat.

Gleichzeitig sind die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der vergangenen Woche auf 244.000 gestiegen, das ist das höchste Niveau seit November 2021, also seit 8 Monaten. Der Anstieg spiegelt meiner Meinung nach klar wider, dass die US-Wirtschaft bereits in einer Rezession ist, woraufhin die Unternehmen zusehends reagieren und kräftig auf die Einstellungsbremse treten, oder sogar mit Entlassungen begonnen haben.

Umso gespannter warte ich darauf, dass die Fed umschwenkt. Vor den Halbzeitwahlen am 8. November kann die Fed offenbar kein Interesse daran haben, neben der hohen Inflation und einem Einbruch am Aktienmarkt auch noch eine Rezession auszulösen, oder? Ich gehe daher weiterhin davon aus, dass die Fed entweder bereits im August, oder spätestens bei der übernächsten Sitzung am 21. September ankündigen wird, dass die Erhöhung der Zinsen und der Abbau der Bilanzsumme (das Auslaufenlassen von alten Anleihen, ohne das Geld in neue zu reinvestieren) schnell auslaufen dürfte.

Neues massives QE-Gelddruckprogramm wird folgen

Umso schneller dürfte die Fed anschließend zu Zinssenkungen und zum Start eines neuen QE-Gelddruckprogramms zurückkehren. Die US-Wirtschaft ist meiner Meinung nach schwach und kann mittel- und langfristig ohne massives Gelddrucken der Fed nicht über die Runden kommen, denn wegen des gigantischen Schuldenbergs bei Staat, privaten Haushalten, Unternehmen müssen die Zinsen extrem niedrig sein – das ist und bleibt meine feste Überzeugung!

Sie und ich als Gold-Fans müssen meiner Meinung nach höchstens noch ein oder zwei Monate durchhalten. Denn wenn die Fed erst einmal mehr eine Kehrtwende signalisieren sollte, dürfte sich das Umfeld für Gold rasant verbessern, sprich der Aufwärtsdruck kräftig zunehmen. Wenn die Notenpressen der Fed wieder auf Hochtouren laufen werden, wird Gold wieder glänzen. Sich das vorzustellen, mag eventuell vielen Anleger derzeit schwerfallen, das kann ich gut nachvollziehen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es innerhalb weniger Monate genau so aussehen dürfte wie ich vorhersage.

Umso mehr sollte es sich für Gold-Fans lohnen, die nächsten Wochen zu nutzen, um ihre Bestände an physischen Gold weiter aufzustocken. Zumal der Euro nach der EZB-Sitzung schnell wieder nach unten rauschen könnte, was die Inflation zwangsläufig anheizen würde. Umso mehr muss man sich mit physischem Gold gegen den immer schnelleren Verfall der Fiat-Währung Euro schützen.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.