Die Fed behauptet, dass mit der US-Wirtschaft alles in bester Ordnung sei, weshalb die Fed schon bald mit der Drosselung der QE-Anleihekäufe beginnen will. Allerdings sprechen die Konjunkturzahlen eine ganz andere Sprache, woraufhin bei Investoren die Sorge vor einer möglichen Stagflation stark zunimmt.

Nach einem zwischenzeitlichen Kurssprung bis auf 1.800 US-Dollar je Unze war der Goldpreis zuletzt auf einer Berg- und Talfahrt und hat sich bei knapp unter 1.780 US-Dollar eingependelt. Für Gegenwind sorgt der anhaltende Anstieg der Zinsen für zehnjährige US-Anleihen. Sie nähern sich mit 1,65 % zügig dem 52-Wochen-Hoch von 1,75 % von Ende März 2021. Das ist ein Anstieg um herbe 35 Basispunkte (0,35 Prozentpunkte) innerhalb von nur vier Wochen, das ist eine enorme Bewegung!

Für den kräftigen US-Zinsanstieg sind mehrere Gründe verantwortlich. So gehen Investoren zusehends davon aus, dass die Fed bei der nächsten Sitzung am 3. November eine Drosselung der QE-Anleihekäufe („Tapering“) per Mitte November oder Mitte Dezember ankündigen dürfte, woraufhin die Käufe Mitte 2022 endgültig auslaufen würden. Wegen dieser Aussicht verkaufen Investoren US-Anleihen, woraufhin die Zinsen steigen. Eine Drosselung der Käufe ist zwangsläufig eine Verschärfung der Geldpolitik.

Für zusätzlichen Auftrieb sorgt die Verschärfung der Krise bei dem chinesischen Immobilienkonzern Evergrande, wodurch der gesamte Immobiliensektor und damit die chinesische Wirtschaft insgesamt schwer in die Bredouille käme. Dabei war sie im dritten Quartal um lediglich 0,2 % gegenüber dem Vorquartal gewachsen und ist damit quasi bereits am Rande der Stagnation. In dem Umfeld verkaufen Investoren kräftig US-Anleihen, um sich schnell Liquidität zu verschaffen, was die Zinsen nach oben treibt. Der dritte Faktor ist die Rally der Preise für Energierohstoffe, gerade bei Öl. Das heizt die Inflationserwartungen der Investoren rapide an und sorgt damit für Aufwärtsdruck auf die US-Zinsen.

US-Wirtschaft zeigt starke Bremsspuren

Nachdem die Fed es einmal mehr verpasst hat in eine florierende Konjunktur hinein die Anleihekäufe zu drosseln und damit die Wirtschaft zu bremsen, will die Fed es nunmehr in einem Umfeld tun, in dem sich das Wirtschaftswachstum stark abgekühlt hat und die Konjunktur zügig auf eine Stagflation, also eine Kombination aus stagnierender Wirtschaft und hoher Inflation zusteuert.

Wie schwach die Wirtschaft ist, können Sie an einer Serie schwacher Zahlen sehen, wie den Arbeitsmarktbericht für September, als statt der von Volkswirten vorhergesagten 500.000 nur 194.000 Jobs geschaffen worden waren. Zwar waren im gleichen Monat die Einzelhandelsumsätze überraschend um 0,7 % gegenüber dem Vormonat gestiegen, – Volkswirte hatten einen Rückgang um 0,2 % vorhergesagt -, was die Massenmedien entsprechend gefeiert haben.

Allerdings waren das die saisonal bereinigten Zahlen. Die saisonal unbereinigten, also tatsächlichen Einzelhandelsumsätze sind hingegen im September um 3,8 % gegenüber dem Vormonat eingebrochen. Kein Wunder, nachdem die Verdoppelung des Arbeitslosengeldes am 6. September ausgelaufen ist, woraufhin viele Amerikaner keine Kohle hatten, um weiter kräftig zu shoppen. Das i-Tüpfelchen auf die schlechten Konjunkturdaten hat die Industrieproduktion gesetzt. Sie ist im September „überraschend“ um 1,3 % gegenüber dem Vormonat gesunken, während die Volkswirte einen Anstieg um 0,3 % vorhergesagt hatten. Offensichtlich haben die Analysten bislang immer noch nicht mitbekommen, dass es eine Materialknappheit gibt, Wahnsinn.

Inflation wird hoch bleiben

Während sich die Wirtschaft – entgegen der Vorhersage vieler „Experten“ – in den nächsten Quartalen weiter deutlich abkühlen dürfte, weil das geplante Stimulusprogramm der Regierung von Joe Biden die Wirtschaft im kommenden Jahr bestenfalls um ein paar Hundert Mrd. US-Dollar ankurbeln dürfte, gegenüber insgesamt 2,8 Billionen US-Dollar für zwei Konjunkturprogramme im laufenden Jahr, dürfte die Inflation in den nächsten Monaten viel höher bleiben als derzeit viele Volkswirte vorhersagen. Im September lag sie mit herben 5,4 % in der Nähe des höchsten Niveaus seit Juli 2008.

Einerseits ist kein Ende der Rally bei den Energierohstoffen in Sicht. Ich bin weiterhin der Überzeugung, dass der Preis der US-Ölsorte WTI weiter schnell in Richtung 100 US-Dollar je Barrel laufen sollte, was viele hochverschuldete Amerikaner mit ihren Spritschluckern schwer belasten würde. Andererseits dürften die Mieten in den USA in den nächsten Monaten weiter rasant steigen, was die Inflation kräftig anheizen würde.

Die anhaltend hohe Inflation sollte wiederum die ohnehin schlechte Stimmung vieler Verbraucher weiter belasten, woraufhin sie sich zusehends beim Kauf von Häusern, Autos und beim Konsum insgesamt zurückhalten sollten. Damit sollte sich die Abwärtsspirale beim privaten Konsum zusehends schneller drehen. Ist das nicht ein „tolles“ Umfeld, um die Geldpolitik zu verschärfen?

Goldpreis hält sich gut

Umso genauer werde ich die Zinsstrukturkurve im Auge behalten, gerade den Aufschlag für zehnjährige US-Anleihen gegenüber dreimonatigen, letztere reagieren stark auf mögliche Zinserhöhungen der Fed. Er lag zuletzt bei 158 Basispunkten (1,58 %). Wenn er größer wird, die Kurve also steiler wird, deutet das auf eine Aufhellung der Konjunkturperspektiven für die US-Wirtschaft hin. Hingegen bedeutet eine flachere Kurve eine Eintrübung. Mich würde es nicht wundern, wenn die Kurve in den nächsten Wochen plötzlich deutlich flacher werden würde, was die zunehmenden Konjunktursorgen der Investoren klar widerspiegeln würde.

Es ist bemerkenswert, dass sich der Goldpreis trotz des kräftigen US-Zinsanstiegs in der Nähe der Marke von 1.780 US-Dollar je Unze halten kann. Sollten die Sorgen der Investoren um die Konjunktur in den USA und China weiter zunehmen, die Ölpreise weiter nach oben schießen und die Anleger plötzlich einen deutlichen Kursrückgang an den weltweiten Aktienmärkten befürchten, könnten die Investoren schneller in den sicheren Hafen Gold flüchten, als derzeit viele Experten erwarten.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.