Nach der Diskussion über eine mögliche Drosselung der QE-Anleihenkäufe hatten Investoren gespannt auf die Fed-Sitzung gewartet. Danach haben sich die Sorgen allerdings in Luft aufgelöst. Umso weniger Sinn macht es, dass der Goldpreis schnell einen Großteil der Gewinne abgegeben hat.

Hat die Fed etwa schon der Mut verlassen? Nachdem die US-Notenbank nach der Sitzung vom 16. Juni angekündigt hatte, dass sie mit der Diskussion über eine mögliche Drosselung der QE-Anleihenkäufe („Tapering“) begonnen hatte, hat Fed-Chef Jay Powell nach der jüngsten Sitzung am 28. Juli signalisiert, dass es die Fed mit dem „Tapern“ offenbar doch nicht ganz so eilig hat.

Das sollte Sie nicht überraschen, schließlich sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen seit der Juni-Sitzung um herbe 35 Basispunkte (0,35 Prozentpunkte) auf nur mehr 1,23 % eingebrochen und signalisieren damit eine deutliche Eintrübung der Perspektiven für die US-Wirtschaft. Da macht es wenig Sinn, die Anleihekäufe bald zu drosseln und damit weniger Liquidität als bislang in das Finanzsystem und damit teilweise in die Realwirtschaft zu pumpen, wodurch sich die Aussichten für die Wirtschaft noch mehr verschlechtern würden, oder? Offenbar haben Powell und seine Kollegen den Wink mit dem Zaunpfahl vom Anleihenmarkt verstanden.

Wegen des Zinseinbruchs war der Goldpreis kurz auf mehr als 1.830 US-Dollar je Unze nach oben gesprungen, hat anschließend aber einen Großteil der Gewinne wieder abgegeben und notiert bei rund 1.810 US-Dollar je Unze. Letzteres kann ich absolut nicht nachvollziehen, zumal der Realzins mit minus 4,17 % in der Nähe des niedrigsten Niveaus seit Juni 1980 von minus 4,5 % liegt. Das sollte der Notierung des Edelmetalls eigentlich kräftigen Auftrieb geben. Der Realzins wird berechnet, indem man vom Nominalzins von aktuell 1,23 % die Inflationsrate von zuletzt 5,4 % abzieht. Die Fed muss also mit einem extrem negativen Realzins die angeblich ach so „starke“ US-Wirtschaft stützen, Wahnsinn.

Seit 1960 war er nur in fünf Monaten niedriger als derzeit, mit dem Tief im Dezember 1974 bei minus 4,7 %. Ich erwarte, dass es in den nächsten Monaten zügig in diese Richtung gehen wird. In einem derartigen Szenario müsste der Goldpreis kräftigen Auftrieb bekommen.

Fed verändert die Spielregeln ständig

Vor dem Hintergrund sollten Powells neueste Aussagen niemanden überraschen. In den vergangenen Monaten hatten Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen wiederholt angekündigt, dass die Anleihenkäufe von netto 120 Mrd. US-Dollar so lange weitergehen würden, bis „weitere substanzielle Fortschritte“ in Richtung der Ziele der Fed, möglichst hohe Beschäftigung und Preisstabilität, gemacht worden seien. Nun hat die Fed geschrieben, dass „Fortschritte“ gemacht worden seien, von „substanziellen Fortschritten“ war allerdings keine Rede. Zudem hat Powell einmal mehr betont, dass der kräftige Inflationsanstieg nur „vorübergehend“ sein werde.

Auf der Pressekonferenz hat dann Powell auf die Fragen mehrerer Journalisten klargestellt, dass bei „substanziell“ hauptsächlich ein starker Arbeitsmarkt gemeint sei, also kräftige Fortschritte in Richtung einer hohen Beschäftigung. Damit ist klar, dass die Inflation in den Gedanken der Fed praktisch keine Rolle spielt, sondern vor allem die Daten vom Arbeitsmarkt, wie der allmonatliche Arbeitsmarktbericht mit einer Arbeitslosenquote von zuletzt 5,9 %.

Die Fed verändert also andauernd die Messlatte oder die Spielregeln, um sich je nach den Absichten der Fed die Argumente zurechtzulegen. Wenn die Fed die Anleihenkäufe drosseln will – um laut deren Plan für einen leichten Zinsanstieg zu sorgen und so meiner Meinung nach zu verhindern, dass die mit weitem Abstand größten Blasen aller Zeiten am Aktien- und Immobilienmarkt noch stärker aufgepumpt werden -, verweist die Fed auf den kräftigen Inflationsanstieg. Und wenn die Fed die Käufe erst einmal nicht „tapern“ will, dann verweist die Fed auf den Arbeitsmarkt. Und scheinbar kann niemand etwas gegen diese Politik tun, was bei vielen Amerikanern, die die kräftigen Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln, Energie, Autos, Häusern und bald schon Mieten zu spüren bekommen, für ziemlichen Frust sorgen dürfte.

Realzins läuft zügig Richtung Rekordtief

Im Klartext: Es ist ziemlich egal, wie hoch die Inflationsrate in den kommenden Monaten sein sollte, die Fed wird dennoch die Notenpressen auf Hochtouren laufen lassen. Denn die Fed befürchtet zurecht, dass jede noch so kleine Drosselung der Anleihenkäufe zu einem Einbruch am Aktienmarkt führen würde, woraufhin die Anleihenkäufe anschließend kräftig aufgestockt werden müssten, um den Aktienmarkt wieder nach oben zu treiben. Die Fed hat sich durch die jahrelange Manipulation der Zinsen und damit des Aktienmarktes in ihre eigene Falle manövriert, aus der es meiner Meinung nach keinen Ausweg gibt.

Was immer die Fed in den nächsten Monaten auch tun wird, ich erwarte, dass die Talfahrt bei den Zinsen anhalten und sich sogar beschleunigen wird, woraufhin gerade die Blase am Aktienmarkt noch viel größer werden sollte. Da die Inflationsrate erst einmal auf einem hohen Niveau bleiben sollte – die Daten für Juli werden am 11. August bekanntgegeben-, während die Zinsen bei zunehmend schwachen Konjunkturdaten weiter nach unten rauschen dürften, sollte der Realzins immer negativer werden.

Erst einmal warte ich auf den Arbeitsmarktbericht für Juli, der am kommenden Freitag, 6. August veröffentlicht wird. Laut dem Konsens der Volkswirte sollen 900.000 neue Jobs geschaffen worden sein. Dass der Arbeitsmarkt entgegen der Behauptung vieler Experten nicht boomt, habe ich in dem Beitrag „Nach „starkem“ US-Arbeitsmarktbericht brechen Zinsen auf Vier-Monats-Tief ein“ klar aufgezeigt. Achten Sie daher bitte nicht so sehr auf die Zahlen für Juli, sondern schauen Sie vielmehr auf die Reaktion des Anleihenmarktes. Sollten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen trotz eines weiteren „starken“ Berichts einbrechen, sollte das den Goldpreis beflügeln.

Auch wenn der Preis es noch nicht widerspiegelt, wird das Umfeld für Gold immer besser. Denn bei anhaltend schwachen US-Konjunkturdaten werden die Rufe nach einem weiteren Billionenschweren Konjunkturprogramm gegen Jahresende schnell lauter werden, weil ansonsten ein Rückfall in eine Rezession drohen würde. Immer größere Schuldenberge bedeuten aber immer niedrigere Zinsen, gerade auch beim Realzins. Umso mehr Sinn macht es, die günstigen Goldpreise zu nutzen, um Ihre physischen Bestände weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.