Etliche Faktoren haben in den vergangenen Tagen S&P500 und DAX kräftig nach oben getrieben. Umso wichtiger dürfte die EZB-Sitzung werden, zumal die neuesten Konjunkturdaten für Deutschland und die Euro-Zone starke Rezessionssignale senden.

Nach der jüngsten Erholungsrally bei S&P500, Nasdaq und DAX dürfte sich die Stimmung vieler Anleger deutlich verbessert haben. Schließlich ist der DAX über die Marke von 13.000 Punkten geklettert und damit gegenüber dem 52-Wochen-Tief vom 29. September um 9 Prozent nach oben geschossen, während der S&P500 gegenüber dem Tief vom 12. Oktober um 7,9 Prozent zugelegt hat.

Die Rally an den Märkten hatte am vergangenen Freitag, 21. Oktober kurz vor 15 Uhr (deutscher Zeit), also eine halbe Stunde vor der Eröffnung des Börsenhandels in den USA, neue Nahrung bekommen, nachdem Fed-„Flüsterer“ Nick Timiraos einen Beitrag im Wall Street Journal (WSJ) veröffentlicht hatte. Demnach ist eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte (0,75 Prozentpunkte) bei der nächsten Sitzung am 2. November auf dann 3,75 bis 4,0 Prozent quasi ausgemachte Sache. Allerdings müsse die Fed Investoren darauf vorbereiten, dass bei der darauffolgenden Sitzung am 14. Dezember nur eine Erhöhung um 50 Basispunkte geplant sei, die Fed die Gangart also ein wenig verlangsamen werde.

Auf den Beitrag haben Investoren geradezu euphorisch reagiert, hatten doch viele von ihnen erwartet, dass die Fed im Dezember erneut einen „Jumbo“-Schritt um 75 Basispunkte nach oben machen könnte, das wäre dann der fünfte „Jumbo“-Schritt in Folge. Nach Timiraos Beitrag im WSJ sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eingebrochen, woraufhin Investoren kräftig bei Aktien zugegriffen haben und sie nach oben geschossen sind.

Japan interveniert am Währungsmarkt

Wenige Stunden später zündete dann die zweite Stufe der Aktienrakete, nachdem das japanische Finanzministerium und die japanische Notenbank eine Intervention am Währungsmarkt durchgeführt haben, also kräftig Dollar verkauft haben um den Yen, der aufgrund des massiven Gelddruckens der Notenbank auf 32-Jahres-Tiefs gegenüber dem Dollar kollabiert war, zu stützen. Das hat die Aktienmärkte rund um den Globus beflügelt, weil sich bei einem sinkenden Dollar die Aussichten für die Weltwirtschaft aufhellen.

Einerseits verbessern sich bei einem sinkenden Dollar die Perspektiven für die exportabhängigen US-Unternehmen, weil deren Produkte im Ausland ein bisschen günstiger werden, bzw. nicht mehr ganz so teuer sind wie zuvor. Und andererseits müssen ausländische Unternehmen und Verbraucher, die sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv auf Dollar-Basis verschuldet haben, nicht mehr ganz so viel Geld in heimischer Währung aufwänden, um ihre Dollar-Kredite zu bedienen. Das stützt die dortigen Volkswirtschaften.

Trotz des Einbruchs der US-Zinsen und des deutlichen Rückgangs des Dollar hat der Goldpreis in den vergangenen Tagen aber nur leicht zugelegt. Offenbar lassen viele Investoren im Umfeld einer kräftigen Erholung am Aktienmarkt Gold links liegen. Diese Einschätzung dürfte sich allerdings innerhalb weniger Monate als Fehler herausstellen. Denn wenn die Fed spätestens im Frühjahr 2023 mit Zinssenkungen beginnen sollte, was auch den Dollar mit nach unten ziehen könnte, dann sollte der Goldpreis gleich von zwei Seiten kräftigen Rückenwind haben.

Schwache US-Konjunkturdaten lassen US-Zinsen einbrechen

Zum Start in die neue Handelswoche hat sich die Erholung an den Börsen nahtlos fortgesetzt. Zuerst war am Montag, 24. Oktober Rishi Sunak zum Chef der Konservativen Partei Großbritanniens ernannt worden, tags darauf hat ihn Prinz Charles zum Premierminister ernannt. Wegen der Hoffnung, dass der ehemalige Finanzminister Sunak gemeinsam mit dem neuen Finanzminister Jeremy Hunt das Haushaltsdefizit deutlich eingrenzen und damit für Stabilität an den Märkten sorgen wird, sind die Zinsen für britische Anleihen eingebrochen, was auch für Abwärtsdruck auf die Zinsen in den USA und in der Euro-Zone gesorgt hat. Gleichzeitig hat der Dollar weiter nachgegeben, zumal Japan am Montag erneut am Währungsmarkt interveniert hat und den Dollar zumindest kurzfristig nach unten gedrückt hat.

Am Dienstagnachmittag haben dann schwache US-Konjunkturdaten US-Zinsen und Dollar weiter sinken lassen, woraufhin die Börsenparty noch mehr Fahrt aufnahm. So waren laut dem Case-Shiller-Hauspreisindex die Preise in den 20 größten Städten der USA im August um 1,3 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken. Das war nicht nur der zweite Monat in Folge mit einem Rückgang, sondern auch der größte seit März 2009. Investoren dämmert, dass nach dem rasanten Anstieg der Hypothekenzinsen auf rund 7 Prozent eine Immobilienkrise zügig heraufzieht. Um zu verhindern, dass die Lage eskaliert, müsste die Fed eher früher als später die Zinsen senken. Zudem ist das US-Verbrauchervertrauen für Oktober, das das Conference Board veröffentlicht, deutlich stärker eingebrochen als Volkswirte vorhergesagt hatten.

Konjunkturdaten für Deutschland und Euro-Zone senden Rezessionssignale

Noch unerfreulicher als die Daten aus den USA sind jene für Deutschland und die Euro-Zone. So war der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Industrie, den S&P Global veröffentlicht, im Oktober von 47,8 auf 45,7 Punkte eingebrochen – das war ein 28-Monats-Tief. Werte unterhalb der 50er-Marke signalisieren ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung, also eine Rezession in dem Sektor. Zwar stagnierte der Index für den Dienstleistungsbereich mit 44,9 Punkten. Allerdings spiegelt auch das eine Rezession in dem Sektor wider. Der starke Anstieg der Energiepreise, die hohe Inflation und die schwache Weltwirtschaft belasten die deutsche Wirtschaft enorm.

Für die Euro-Zone sieht es noch nicht ganz so schlimm aus, wenngleich auch die Zahlen für die Region eingebrochen sind. So ist der Einkaufsmanagerindex von S&P Global für die Industrie der Euro-Zone im Oktober von 48,4 auf 46,6 Punkte abgeschmiert und signalisiert damit Rezession. Gleichzeitig ist das Barometer für den Dienstleistungsbereich von 48,8 auf 48,2 Punkte gesunken.

Warten auf EZB-Sitzung

Umso gespannter warten Investoren auf die EZB-Sitzung am Donnerstag, 27. Oktober. Für viele Investoren ist es ausgemachte Sache, dass die EZB die Leitzinsen um 75 Basispunkte auf 2,0 Prozent anheben wird, die Einlagenzinsen für die Banken sollen ebenfalls um 75 Basispunkte auf 1,5 Prozent klettern. Im Vergleich zur Inflationsrate von 9,9 Prozent für September für die Euro-Zone wären die Zinsen trotz der Erhöhung damit immer noch viel, viel zu niedrig. Damit kann man die horrende Inflation nicht bekämpfen, in keiner Weise!

Von großer Bedeutung wird es, welches Signal EZB-Chefin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz für die darauffolgende Sitzung am 15. Dezember sendet. Viele Investoren gehen davon aus, dass trotz der schnell heraufziehenden Rezession eine weitere Erhöhung um 50 Basispunkte folgen dürfte, woraufhin die Leitzinsen bei 2,5 Prozent und die Einlagenzinsen bei 2,0 Prozent liegen. Je taubenhafter sich Lagarde geben sollte, also je zurückhaltender in Richtung weiterer Zinserhöhungen, umso mehr dürfte der Euro gegenüber dem Dollar einbrechen – sprich der Dollar würde nach oben schießen – was die Börsenparty zumindest kurzfristig etwas dämpfen würde.

Ganz oben auf der Agenda der Investoren steht zudem der mögliche neutrale Zins, also jener, bei dem die Wirtschaft weder gebremst noch angekurbelt wird. Nach den jüngsten Signalen etlicher EZB-Mitglieder könnte der neutrale Zins bei einem Einlagenzins von nur rund 2,0 Prozent liegen. Da die EZB im Umfeld einer Rezession kaum darüber hinausgehen dürfte, könnten die Zinserhöhungen also bereits im Dezember enden! Welcher Wahnsinn – und das in einem Umfeld, in dem die Inflationsrate laut den Schätzungen von Volkswirten bis zum Frühjahr in Richtung 13 Prozent steigen soll. Umso wichtiger ist es, physisches Gold zu besitzen, um sich gegen den anhaltenden Irrsinn der EZB und damit die massive Vernichtung der Kaufkraft zu schützen.

Ich werde die Entwicklung bei den Zinsen für zehnjährige US-Anleihen, beim Dollar, sowie an den Aktienmärkten weiter genau beobachten. Einerseits kommt es darauf an, dass die EZB-Sitzung keine Turbulenzen verursacht. Knapp eine Woche später, muss die Fed dann bei der Sitzung am 2. November unmissverständlich signalisieren, dass für Dezember eine Erhöhung um „nur“ 50 Basispunkte ansteht. Sollte die Fed das überraschenderweise nicht tun, könnten sich die jüngsten kräftigen Kursgewinne an der Börse schnell wieder in Luft auflösen.

Hiesige Gold-Fans dürften eine Beruhigung beim Goldpreis auf Euro-Basis abwarten und dann ihre Bestände weiter aufstocken. Denn meiner Meinung nach ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Fed umschwenken wird, die Zinsen kräftig senken und eine neue QE-Gelddruckrunde starten wird. Umso mehr Rückenwind sollte der Goldpreis dann haben.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.