An den Börsen gibt es derzeit nur ein Thema. Gleichzeitig beginnen Investoren zu spekulieren, dass die Fed nach einer kurzen Zinspause bald ihren Zinserhöhungszyklus fortsetzen könnte.

Der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) nimmt immer mehr zu: Angeheizt wurde er zuletzt von den guten Quartalszahlen und dem sensationellen Ausblick von Nvidia. Der US-Hersteller von Grafikkarten hat wegen der stark steigenden Nachfrage nach KI-Anwendungen für das im Juli endende zweite Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 einen Umsatz von rund 11 Mrd. Dollar in Aussicht gestellt. Das lag um rund 4 Mrd. Dollar über den Schätzungen der Analysten (7,15 Mrd. Dollar) – Wahnsinn!

Daraufhin ist die Nvidia-Aktie explodiert, womit der Börsenwert nach dem zwischenzeitlichen Sprung über die Marke von einer Billion Dollar aktuell horrende 990,7 Mrd. Dollar erreicht. Damit ist Nvidia der fünfschwerste Wert im S&P 500 hinter Apple, Microsoft, Alphabet und Amazon.

Gleichzeitig hat sich der Goldpreis zuletzt etwas erholt. Grund war die Einigung im US-Schuldenstreit zwischen der Regierung von Joe Biden mit den oppositionellen Republikanern. Damit wird die Schuldenobergrenze bis Januar 2025, also nach den Wahlen am Dienstag, 5. November 2024, ausgesetzt, womit die Regierung weiterhin kräftig Schulden machen kann. Nun kommt es darauf an, dass die Pläne in beiden Kammern des Parlaments jeweils eine Mehrheit bekommen.

Wegen der Einigung haben die Sorgen vor einem möglichen US-Zahlungsausfall deutlich nachgelassen, weshalb die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eingebrochen sind, was wiederum den Goldpreis gestützt hat. Allerdings ist der Dollar trotz der sinkenden US-Zinsen weiter gestiegen, womit die Notierung des Edelmetalls von dieser Seite aus Gegenwind hat.

Nur wenige Schwergewichte treiben US-Aktienmarkt nach oben

Einen Tag nach Nvidia hat der US-Halbleiterhersteller Marvell Technology am Donnerstag, 25. Mai die Ergebnisse präsentiert und den KI-Hype weiter angeheizt. Marvell hat prognostiziert, dass sich der Umsatz mit KI-Produkten im Fiskaljahr 2023/24, das im Januar endet, auf 400 Mio. Dollar verdoppeln soll und im nächsten Fiskaljahr noch einmal verdoppeln soll auf 800 Mio. Dollar.

In dem Umfeld sind etliche Schwergewichte aus dem US-Technologiesektor, die ebenfalls vom KI-Hype profitieren, wie Amazon oder Alphabet, ebenfalls nach oben geschossen, was wiederum den Tech-Index Nasdaq Composite und damit den S&P 500 nach oben getrieben hat.

Die Folge: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 liegt bei herben 18,0. Das ist ein sehr hoher Wert, zumal vor dem Hintergrund, dass die US-Wirtschaft meiner Meinung nach zügig auf eine Rezession zusteuern dürfte, weil die anhaltend hohen Zinsen die schwerverschuldete Privatwirtschaft, also Verbraucher und Unternehmen, immer stärker belasten. Beim KGV wird der Börsenwert der Unternehmen aus dem S&P 500 durch deren Gewinne dividiert.

Allerdings sollten Anleger nicht übersehen, dass der S&P 500 nur von wenigen Schwergewichten nach oben getrieben wird, während die hohen Zinsen und damit die Eintrübung der Konjunkturaussichten den breiten Markt deutlich belasten. Während der S&P 500 seit Jahresanfang um 10 Prozent gestiegen ist, hat der S&P 500 Equal Weight Index leicht nachgegeben. Zwischen den beiden Indizes gibt es also eine Lücke von 10 Prozentpunkten, das ist eine riesige Lücke!

Beim S&P 500 Equal Weight Index werden die 500 Unternehmen gleich gewichtet, jedes hat also ein Indexgewicht von 0,2 Prozent. Bei einer derart schlechten Marktbreite ist das Risiko groß, dass der Markt insgesamt, also der S&P 500 selbst, jederzeit nach unten drehen könnte.

Macht die Fed nur eine Zinspause?

Umso wichtiger für die Entwicklung am Aktienmarkt wird sein, was die Fed in den nächsten Monaten tun wird. Bislang waren viele Investoren davon ausgegangen, dass die Zinserhöhung bei der bislang letzten Sitzung am 3. Mai die letzte Erhöhung in diesem Zyklus gewesen sein könnte. Nach etlichen schlechten Inflationsdaten haben sich die Erwartungen der Investoren zuletzt aber geändert.

So war die Kernrate des PCE-Preisindex, dem bevorzugten Inflationsindikator der Fed, im April leicht gestiegen auf 4,7 Prozent, nach 4,6 Prozent für März. Der Wert liegt damit weiterhin weit über dem Zwei-Prozent-Inflationsziel der Fed und zeigt damit, wie hartnäckig die Inflation ist. Daher spekulieren Investoren, dass die Fed zwar bei der nächsten Sitzung am 14. Juni den Leitzins bei aktuell 5,0 bis 5,25 Prozent belassen könnte. Alles andere wäre auch eine ziemliche Blamage für Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen.

Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für eine Erhöhung um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) bei der darauffolgenden Sitzung am 26. Juli auf rund 80 Prozent gestiegen. Sollte die Fed tatsächlich Ende Juli den Leitzins ein weiteres Mal erhöhen und damit die Zinsen für Kredite, wie den Haus- oder Autokauf, sowie Unternehmenskredite weiter nach oben treiben, würde das die Wirtschaft noch stärker belasten als ohnehin schon. Das würde zusätzlichen Gegenwind für den US-Aktienmarkt bedeuten.

Unglücklicherweise dürften steigende Zinsen für zehnjährige US-Anleihen kurzfristig auch den Goldpreis belasten. Falls die möglicherweise steigenden Zinsen den Dollar weiter nach oben treiben, bekäme die Notierung des Edelmetalls von einer zweiten Seite zusätzlichen Gegenwind.

Umso gespannter warten Investoren auf den US-Arbeitsmarktbericht, der am Freitag, 2. Juni vorgelegt wird. Laut den Schätzungen der Volkswirte sollen im Mai 180.000 Jobs geschaffen worden sein, nach 253.000 für April. Zwar soll die Arbeitslosenquote leicht steigen von 3,4 auf 3,5 Prozent, womit aber weiterhin Vollbeschäftigung herrschen würde.

Ich habe in den vergangenen Monaten wiederholt gesagt und geschrieben, dass der US-Arbeitsmarkt meiner Meinung nach bei Weitem nicht so stark ist wie er aussieht, weil viele der Zahlen auf Schätzungen und Umfragen beruhen und damit sehr unzuverlässig sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass viele dieser angeblich prächtigen Zahlen spätestens im nächsten Jahr bei der üblichen Revision der Daten kräftig nach unten korrigiert werden dürften.

Deutschland ist in der Rezession

Und damit komme ich zu Deutschland und der Lage am hiesigen Aktienmarkt. Zwar hat er zuletzt etwas nachgegeben, dennoch notiert der DAX nur wenige Prozent unter dem Rekordhoch. Der Hauptgrund für den Höhenflug ist meiner Meinung nach, dass der DAX mit einem KGV von „nur“ 12,0 bei Weitem nicht so hoch bewertet ist wie der S&P500. Daher ist das Geld in den vergangenen Monaten kräftig in den DAX geflossen, wenngleich es kaum Unternehmen mit KI-Fantasie gibt.

Da hat es Investoren auch nicht gestört, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abgerutscht ist. Dabei war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft. Das war das zweite Quartal in Folge mit einem Rückgang, womit die Wirtschaft hierzulande in einer Rezession ist.

Dabei hatte die Regierung Ende April die Prognose für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 leicht angehoben auf 0,4 Prozent. Dieses Szenario steht allerdings auf sehr wackeligen Beinen. Damit es erreicht würde, müsste die Wirtschaft im zweiten, dritten und vierten Quartal um jeweils 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal wachsen, also brummen.

Wie soll das aber gehen in einem Umfeld, in dem die US- und die Weltwirtschaft schwach sind? Wo sollen denn die deutschen Unternehmen ihre Produkte hin exportieren, wenn nicht auf den Weltmarkt? Um es klar zu sagen: ich halte die Wachstumsprognose der Bundesregierung jetzt Ende Mai für reine Makulatur! Aber sei’s drum.

Aussichten für Gold bleiben glänzend

Kurzfristig könnte der Goldpreis noch etwas Gegenwind haben. Wenn die Einigung im US-Schuldenstreit vom Parlament abgesegnet wird, dürfte die US-Regierung ihre Kasse um ein paar hundert Mrd. Dollar auffüllen, und dementsprechend kräftig Anleihen emittieren. Das sollte kurzfristig für einen Zinsanstieg sorgen, weil man vor dem Hintergrund der Anleihenschwemme Investoren mit höheren Zinsen locken muss, was den Goldpreis belasten könnte.

Umso gespannter werde ich weiter die US-Konjunkturdaten, gerade jene vom Arbeitsmarkt beobachten. Für mich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Konjunkturschwäche auf den Arbeitsmarkt niederschlagen sollte. Sollten sich die dortigen Daten in den nächsten Monaten zügig verschlechtern, wovon ich ausgehe, sollten die Investoren bald beginnen, auf kräftige Zinssenkungen der Fed zu spekulieren. Das sollte den Goldpreis wieder nach oben treiben, zumal wenn der Dollar nach unten drehen sollte.

Lassen Sie sich daher bitte vom zwischenzeitlichen Kursrückgang beim Goldpreis nicht verunsichern, denn an den prächtigen Aussichten auf mittlere- und lange Sicht hat sich absolut nichts geändert. Die Einigung im US-Schuldenstreit bedeutet, dass die Schuldensause in den USA ungebremst weitergehen wird. Und in der Euro-Zone sieht es leider nicht viel besser aus. Umso wichtiger ist es daher, sich gegen die anhaltend hohe Inflation, also den kräftigen Kaufkraftverlust, zu schützen, und dazu den Bestand an physischem Gold weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.