Nachdem die US-Zinsen zuletzt kräftig gestiegen waren, hatten etliche Investoren von der jüngsten Fed-Sitzung ein Signal erwartet, dass sich die US-Notenbank gegen einen weiteren deutlichen Zinsanstieg stemmen werde. Stattdessen hat sie allerdings etwas Unerwartetes getan.

Die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sind am vergangenen Freitag, den 19. März 2021, mit 1,74 % auf ein 14-Monats-Hoch nach oben geschossen. Zwar war es nach der Fed-Sitzung vom vergangenen Mittwoch, den 17. März 2021, kurz etwas nach unten gegangen, anschließend sind sie umso stärker nach oben gedreht. Verantwortlich dafür sind die jüngsten Ankündigungen der US-Notenbank. Heute Morgen brechen die Zinsen ohne irgendwelche fundamentalen Nachrichten bis auf 1,67 % ein. Komischerweise knickt der Goldpreis dennoch auf rund 1.730 US-Dollar je Unze ein – das macht absolut keinen Sinn.

Die Fed hat die Prognose für das Wirtschaftswachstum und die Inflation deutlich angehoben. So soll die US-Wirtschaft im vierten Quartal 2021 um 6,5 % gegenüber dem Vorjahr wachsen, während die vorherige Schätzung bei lediglich 4,2 % lag. Gleichzeitig werde die Kernrate der Inflation, bereinigt um Nahrungsmittel und Energie, im vierten Quartal auf 2,2 % zulegen (zuvor: 1,8 %). Dennoch hat Fed-Chef Jay Powell bekräftigt, dass die Fed weiterhin für 120 Mrd. US-Dollar pro Monat Staats- und Hypothekenanleihen kaufen werde.

Investoren hatten zudem auf die Zinsprognose für das Jahr 2023 geschaut, nachdem Powell – trotz der stark zunehmenden Inflationssorgen – immer wieder bekräftigt hatte, die Fed werde die Leitzinsen selbst im Jahr 2023 nicht anheben. Zwar haben diesmal sieben Fed-Mitglieder eine Zinserhöhung für 2023 signalisiert, allerdings deuteten die restlichen elf Mitglieder, die klare Mehrheit, stabile Zinsen an, womit es 2023 keine Erhöhung geben würde. Das hatte für Erleichterung bei den Investoren und damit für einen kurzen Rückgang bei den Zinsen zehnjähriger US-Anleihen gesorgt.

Fed lässt wichtige Regelung überraschend auslaufen

Umso stärker sind die Zinsen allerdings am vergangenen Freitag wieder nach oben gedreht. Verantwortlich dafür war die Ankündigung der Fed, die sogenannten „Supplementary Leverage Ratio“ (SLR) überraschend per Ende März auszusetzen bzw. auslaufen zu lassen. Die Regelung besagt, dass die US-Banken ihre Bilanzsumme zu mindestens 5 % mit Kapital unterlegen müssen. Während der Pandemie war die Regel ab April 2020 ausgesetzt worden, woraufhin die Institute Staatsanleihen und Reserven nicht mehr mit Kapital unterlegen mussten und damit deutlich Staatsanleihen kaufen konnten, was die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach unten gedrückt hatte.

Nachdem die Regelung nun aber per Ende März 2021 auslaufen soll, können die Banken entweder ihr Kapital aufstocken – was sie nicht tun dürften – oder sie kommen unter Druck, Staatsanleihen zu verkaufen, was allerdings den Zinsanstieg in den USA beschleunigen würde. Das kann die Fed unter keinen Umständen wollen, dürften doch bei weiter steigenden Zinsen für Staatsanleihen auch jene für Kredite an Unternehmen und Verbraucher, wie für Hypothekenkredite, weiter steigen.

Zur Erinnerung: Private Haushalte und Unternehmen haben Schulden von insgesamt 29,5 Billionen US-Dollar. Das sind 140 % der jährlichen Wirtschaftsleistung – ein Rekord! Da kann jeder noch so kleine Zinsanstieg massive Probleme verursachen.

Kursrutsch am US-Aktienmarkt droht

Zudem dürfte ein weiterer Zinsanstieg für erneute Turbulenzen gerade am Technologieindex Nasdaq sorgen, nachdem in den vergangenen Jahren die auf immer neue Rekordtiefs gesunkenen Zinsen die Technologieaktien, um die Schwergewichte Apple, Microsoft, Amazon, Facebook und Alphabet, immer weiter in die Stratosphäre getrieben hatten. Bei weiter kräftig steigenden Zinsen würde sich die Spirale aber plötzlich in die andere Richtung drehen und damit die gigantischste Blase aller Zeiten an der Nasdaq zum Platzen bringen, was zwangsläufig auch zum Platzen der gigantischsten Blase aller Zeiten beim Gesamtmarkt, gemessen am S&P 500, führen würde. Das kann die Fed unter keinen Umständen zulassen.

Zur Erinnerung: Die Amerikaner besaßen Ende Dezember 2020 für knapp 40 Billionen US-Dollar Aktien, inklusive Aktienfonds und -ETFs. Sollte es zu einem Kursrückgang um lediglich 10 % kommen, würde das Kursverluste von horrenden vier Billionen US-Dollar bedeuten. Das wäre mehr als das Doppelte des Konjunkturprogramms von US-Präsident Joe Biden von 1,9 Billionen US-Dollar.

Daher sollte völlig klar sein: Sollte es beispielsweise zu einem Kurseinbruch um 20 % beim S&P 500 kommen, wird die Fed die SLR schneller wieder aussetzen als ich bis drei zählen kann. Behalten Sie das bitte im Auge. Dass es am vergangenen Freitag trotz der Ankündigung der Fed nicht zu einem Kurseinbruch am Aktienmarkt gekommen ist, liegt meiner Meinung nach nur daran, dass viele Investoren ebenso wie ich davon überzeugt sein dürften, dass die Fed im Krisenfall – sprich bei einem Einbruch am Aktienmarkt – die SLR schnell wieder aussetzen würde.

Erholung beim Goldpreis sollte weitergehen

Ich werde nun die Sache in aller Ruhe beobachten. Weil Ende März schnell näher rückt, dürften die Banken ihre US-Staatsanleihen zügig verkaufen, woraufhin die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen schnell in Richtung 2,0 % nach oben schießen dürften. Das sollte zu einem Kursrutsch beim Nasdaq führen, woraufhin auch der S&P 500 deutlich unter Abgabedruck kommen würde. Umso schneller sollte dann allerdings die Fed ankündigen, dass sie sich energisch gegen einen weiteren deutlichen Zinsanstieg stemmen wird, woraufhin die Zinsen deutlich nach unten drehen dürften.

In dem Umfeld sollte der Goldpreis zu einer deutlichen Erholung ansetzen, zumal der US-Dollar ohne starken Rückenwind von der Zinsseite nach unten drehen dürfte, womit die Notierung des Edelmetalls von einer zweiten Seite Rückenwind bekäme. Dann sollte der zwischenzeitliche Kursrutsch auf Elf-Monats-Tiefs von rund 1.685 US-Dollar je Unze am 8. März 2021 erst einmal der Boden gewesen sein, und sich die aktuellen Kurse als hervorragende Kaufgelegenheit für die nächsten Monate und Jahre herausstellen.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.