Entgegen den Beteuerungen fast aller Experten steuert die US-Wirtschaft rapide auf eine Rezession zu, wenn sie nicht schon begonnen hat. Gleichzeitig nehmen die Risiken für Deutschland und die Euro-Zone wegen eines möglichen Gas-Stopps aus Russland kräftig zu. Dennoch ist der Goldpreis zuletzt in die Nähe des 52-Wochen-Tiefs abgerutscht.

Nach einer kurzen Erholung sind S&P500 und DAX schnell wieder nach unten gedreht. Meiner Meinung nach völlig zurecht, nimmt der Abwärtsdruck auf die Indizes doch gleich von zwei Seiten weiter zu. Einerseits steuert die US-Wirtschaft rapide auf eine Rezession zu. Andererseits droht bei einem Gas-Stopp aus Russland nach dem Ende der Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 eine schnelle und schwere Rezession in Deutschland und der Euro-Zone, womit sich die Aussichten für viele konjunkturabhängige DAX-Unternehmen zusätzlich eintrüben.

Trotz des Verkaufsdrucks an den Aktienmärkten diesseits und jenseits des Atlantiks ist der Goldpreis mit Kursen von rund 1.725 US-Dollar je Unze in die Nähe des 52-Wochen-Tiefs abgerutscht. Grund ist der stark steigende US-Dollar, weil Investoren in einem Umfeld mit zunehmenden Rezessionssorgen und dem Einbruch beim S&P500 in den sicheren Hafen US-Dollar flüchten. Dabei ist der Euro auf glatt 1,00 US-Dollar je Euro eingebrochen und hat damit die Parität erreicht. Damit liegt der Euro in der Nähe des 20-Jahres-Tiefs gegenüber dem Greenback. Das sollte allerdings noch längst nicht das Ende der Fahnenstange für den Euro sein, wie ich gleich aufzeigen werde.

Dabei behaupten weiterhin viele Experten, dass eine baldige Rezession in den USA unwahrscheinlich sei, zumal nach dem „starken“ Arbeitsmarktbericht für Juni. Auf den zweiten Blick war der Bericht allerdings bei Weitem nicht so „stark“, wie er auf den ersten ausgesehen hat, ganz im Gegenteil.

Zwar waren laut den offiziellen Zahlen im Juni 372.000 Jobs geschaffen worden, was um rund 100.000  über den Schätzungen der Volkswirte lag. Diese in den Massenmedien verbreiteten Zahlen beruhen auf einer Umfrage von tausenden Unternehmen. Was dabei oft untergeht ist, dass etliche Daten aus dem Bericht auch aus einer Befragung unter den privaten Haushalten, also unter Arbeitnehmern und Arbeitslosen, besteht. Laut dieser Umfrage sind im Juni 315.000 Jobs abgebaut worden. Sie lesen richtig: „315.000 Jobs abgebaut worden.“ Das war der zweitgrößte Rückgang seit dem Einbruch im März 2020, dem Start der Corona-Pandemie.

US-Aktienmarkt signalisiert heraufziehende Rezession

Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, sind laut der Unternehmensumfrage seit März, also seitdem die Zahlen aus den zwei Befragungen plötzlich auseinanderlaufen, angeblich insgesamt 1,12 Mio. Jobs geschaffen worden. Laut der Umfrage unter den privaten Haushalten sind hingegen insgesamt 347.000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Das ist eine Lücke von fast 1,5 Mio. Arbeitsplätzen!

Viele Daueroptimisten, die immer betonen, die US-Wirtschaft sei stark, verweisen auf die Unternehmensumfrage und betonen, dass es bei dem florierenden Arbeitsmarkt keine schnelle Rezession der US-Wirtschaft geben könne. All diese Optimisten möchte ich dann einmal fragen, warum der S&P500 gegenüber dem Rekordhoch von Anfang Januar um mehr als 20 % nach unten gerauscht ist und damit in einem Bärenmarkt, sprich einem übergeordneten Abwärtstrend, ist. Ein Bärenmarkt liegt bei einem Rückgang um mehr als 20 % gegenüber dem vorherigen Hoch vor.

Wenn es so rosig um die US-Wirtschaft stünde, dann wäre der S&P500 nicht eingebrochen. Eine so „starke“ Wirtschaft könnte doch die Zinserhöhungen der Fed in diesem Jahr um bislang insgesamt 150 Basispunkte (1,5 Prozentpunkte) auf aktuell 1,5 bis 1,75 % problemlos verkraften, oder? Offenbar ist der S&P500 aber anderer Meinung.

Daher möchte ich noch einmal an Ende 2007 erinnern: Damals waren im November 2007 laut der Unternehmensumfrage 110.000 Jobs geschaffen worden, gefolgt von 108.000 im Dezember. Laut der Ankündigung des National Bureau of Economic (NBER) war die Wirtschaft aber ab Dezember 2007 in einer Rezession.

Meiner Meinung nach ist die US-Wirtschaft auch diesmal bereits in einer Rezession. Ich warte nur auf den Donnerstag, 28. Juli, wenn die Zahlen zur Konjunkturentwicklung für das zweite Quartal vorgelegt werden. Wenn die Daten erneut einen Rückgang der Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorquartal zeigen sollten, wovon ich ausgehe, wäre das das zweite Quartal in Folge mit einem Minus, womit die Wirtschaft für mich in einer Rezession wäre. Im ersten Quartal war die Wirtschaftsleistung um annualisiert 1,6 % gesunken. Der annualisierte Wert wird errechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit vier multipliziert.

US-Anleihenmarkt signalisiert Rezession

Wie sehr sich die Aussichten für die US-Wirtschaft eingetrübt haben zeigt, dass die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen trotz der Aussicht auf weitere Anhebungen der Leitzinsen durch die Fed unter die Marke von 3,0 % gesunken sind. Meiner Meinung nach sollte es in den nächsten Wochen und Monaten zügig in Richtung 2,75 % gehen, was eine noch stärkere Konjunkturabkühlung signalisieren würde.

Gleichzeitig sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen zuletzt unter jene für zweijährige gerutscht, womit diese Zinsstrukturkurve seit ein paar Tagen erneut invers ist. Das ist ein hervorragender Indikator für eine US-Rezession. In den vergangenen Jahrzehnten ist auf eine inverse Zinsstrukturkurve immer eine Rezession gefolgt, die Frage war nur wie viele Monate nach der Inversion es gedauert hat, bis die Wirtschaft begonnen hat zu schrumpfen.

EZB tut nichts gegen die horrende Inflation

Der anhaltende Verfall des Euro gegenüber dem Dollar liegt hauptsächlich daran, dass die Schere bei der Geldpolitik zwischen Fed und EZB immer weiter auseinander geht. Während die Fed die Zinsen bei der nächsten Sitzung am Mittwoch 27. Juli erneut um 75 Basispunkte anheben dürfte, womit sich die Anhebungen seit Jahresanfang auf 225 Basispunkte summieren würden, will die EZB unter ihrer Chefin Christine Lagarde bei der Sitzung um Donnerstag, 21. Juli einen ersten Zinsschritt um lediglich 25 Basispunkte nach oben wagen. Mickrige 25 Basispunkte, Wahnsinn!

Damit läge der Einlagezins für die Banken bei minus 0,25 %, womit es weiter Strafzinsen gäbe. Das ist der reine Irrwitz! Und das, obwohl die Inflationsrate in der Euro-Zone im Juni mit 8,6 % auf das höchste Niveau seit der Euro-Einführung nach oben geschossen ist. Bei der nächsten Sitzung im September soll eine Erhöhung der Leitzinsen um 50 Basispunkte folgen, womit der Einlagezins bei (plus) 0,25 % liegen würde.

Selbstverständlich kann man damit nicht die Inflation bekämpfen, zumal wenn sie in den nächsten Monaten weiter steigen dürfte. Um das zu tun, müssten die Leitzinsen oberhalb der Inflationsrate liegen. Die EZB bekämpft aber schon lange nicht mehr die Inflation, vielmehr heizt die EZB die Inflation immer weiter an, um so die Schulden in den hochverschuldeten Ländern, wie Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Portugal tragbar zu halten. Das ist das „Geschäftsmodell“ der EZB. Vielmehr arbeitet die EZB schon an einem neuen Anleihenkaufprogramm, um zu verhindern, dass die Zinsen für die angeschlagenen Länder, gerade Italien, nicht zu stark gegenüber jenen für Bundesanleihen steigen.

Deutlich tiefere Euro-Kurse stehen bevor

Je länger die EZB mit dieser irrwitzigen Politik unter Lagarde weitermacht – ich fürchte noch sehr lange –, umso länger wird die Talfahrt des Euro gegenüber dem US-Dollar weitergehen. Das heizt die Inflation in Deutschland und der Euro-Zone immer weiter an, weil die aus den USA importierten, oder aus anderen Ländern auf Dollar-Basis gekauften Güter immer teurer werden. Inzwischen liegt der Zinsaufschlag für zweijährige US-Anleihen gegenüber Bundesanleihen bei herben 270 Basispunkten (2,7 Prozentpunkten). Hätte der Euro in den vergangenen Monaten den stark steigenden Zinsaufschlag abgebildet, läge Euro-Dollar inzwischen bei nur noch 0,90 US-Dollar je Euro – sprich ein Euro wäre plötzlich weniger wert als ein US-Dollar und das um 10 %.

Meiner Meinung nach sollte es in den nächsten Monaten zügig in diese Richtung gehen. Falls es zu irgendwelchen Währungsinterventionen von Fed und EZB kommen sollte, sollten sie die Talfahrt des Euro nur kurz unterbrechen und sie anschließend wieder Fahrt aufnehmen. Das sind alles andere als schöne Aussichten für Sie und mich.

Physisches Gold bleibt unverzichtbar

Umso nervöser warten Investoren auf Freitag, 15. Juli. Dann werden um 14.30 Uhr die US-Einzelhandelsumsätze bekanntgegeben. Laut den Schätzungen der Volkswirte sollen die Umsätze im Juni um 0,9 % gegenüber dem Vormonat gestiegen sein. Ein derart starker Anstieg dürfte allerdings praktisch ausschließlich auf der hohen Inflation beruhen. Mich würde es hingegen nicht überraschen, wenn die Zahlen deutlich schwächer ausfallen sollten als erwartet, weil viele Amerikaner, die von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben, nicht weiter massiv Schulden machen können und daher zwangsläufig eher früher als später auf die Ausgabenbremse treten müssen.

Um 16 Uhr folgt das Verbrauchervertrauen, das die Universität Michigan veröffentlicht. Wie werden die Zahlen für Juli aussehen, nachdem im Juni die Stimmung der Konsumenten auf ein Rekordtief gesunken war? Sie lesen richtig: Die US-Wirtschaft ist so „stark“, dass das Verbrauchervertrauen auf Rekordtiefs kollabiert ist. Damit sollte eigentlich alles gesagt sein zum Zustand der US-Wirtschaft.

Trotz der Talfahrt des Goldpreises auf Dollar-Basis bleibt der Besitz von physischem Gold für mich unverzichtbar, um sich gegen die Implosion des Euro und damit das weitere Anheizen der Inflation zu schützen. Auf der einen Seite ist der Euro vor allem „dank“ der Geldpolitik der EZB seit Jahresanfang um herbe 12,0 % gegenüber dem Dollar kollabiert. Auf der anderen Seite ist der Goldpreis auf Euro-Basis im gleichen Zeitraum um 7,3 % gestiegen. Da ist es doch viel vernünftiger, Goldbarren zu besitzen, anstatt irgendwelche Münzen oder Papierfetzen, auf denen das Euro-Zeichen steht, oder? Und wie gesagt befürchte ich, dass der Euro deutlich unter die Parität fallen wird.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.