In dem aktuellen Konjunkturumfeld würde man eigentlich erwarten, dass die Aktienmärkte einbrechen. Dass sie dennoch auf Höhenflug sind, kann eigentlich nur einen Grund haben.

Scheinbar kann nichts die Party bei S&P 500, Nasdaq Composite und DAX aufhalten. Der DAX nimmt zügig das Rekordhoch vom 5. Januar 2022 bei rund 16.275 Punkten ins Visier. Und jenseits des Atlantiks greifen Investoren kräftig bei US-Aktien zu.

Das dürfte für ziemliche Verwunderung bei vielen Anlegern sorgen, schließlich gab es zuletzt etliche schwache US-Konjunkturdaten, die weiterhin Rezessionssorgen schüren. Dass die kräftigen Zinserhöhungen seit Frühjahr 2022 die hochverschuldete Privatwirtschaft, also Verbraucher und Unternehmen, schwer belasten sollten, sollte niemanden überraschen. Zuletzt haben selbst die Volkswirte der Fed gewarnt, dass die Wirtschaft im Laufe des Jahres in eine „milde“ Rezession abgleiten könnte. Ich fürchte, dass sie gar nicht so „milde“ sein wird, wie die Volkswirte der Fed prognostizieren.

In dem Szenario dürften nicht nur die Gewinne der Unternehmen aus den USA, sondern auch jener aus Deutschland einbrechen, weshalb die Aktienmärkte eigentlich auf Talfahrt sein müssten – zumal eine Rezession der US-Wirtschaft viele exportabhängige Volkswirtschaften deutlich belasten sollte.

Gleichzeitig hält sich der Goldpreis in der Nähe der Marke von 2.000 Dollar je Unze und liegt damit nur wenige Prozent unter dem Rekordhoch vom August 2020. Während der Anstieg der US-Zinsen die Notierung des Edelmetalls belastet hat, ist es umso mehr von der Talfahrt des Dollar beflügelt worden.

US-Daten senden Rezessionssignale

Ich habe in den vergangenen Wochen wiederholt gesagt und geschrieben, dass meiner Meinung nach die US-Wirtschaft bereits in einer Rezession sein dürfte. Damit meine ich nicht die landläufige Definition, demnach die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge gegenüber dem Vorquartal geschrumpft ist, sondern dass die Wirtschaft im ersten Quartal begonnen hat, gegenüber dem vierten Quartal 2022 zu schrumpfen.

Wie schwach die US-Wirtschaft ist, bestätigen meiner Meinung nach die Einzelhandelsumsätze. Sie waren im März um 1,0 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken, der Rückgang war damit größer als jener um 0,4 Prozent, den Volkswirte vorhergesagt hatten.

Damit lagen die Umsätze um lediglich 2,9 Prozent über dem Vorjahr, das war das niedrigste Wachstum seit Juni 2020. Wenn man bedenkt, dass die offizielle Inflationsrate im März diesen Jahres auf 5,0 Prozent zurückgegangen ist, dann sollte jedermann klar sein, dass die realen Einzelhandelsumsätze, also jene unter Berücksichtigung der Inflation, zuletzt geschrumpft sind.

Und die Industrieproduktion lag im März um mickrige 0,5 Prozent über dem Vorjahr. Derartige Zahlen sprechen Bände, oder? Es würde mich zudem überhaupt nicht wundern, wenn die Daten nachträglich nach unten korrigiert werden.

US-Bankenkrise schwelt weiter

Umso gespannter werde ich mir am Donnerstag, 20. April die Daten zum Einkaufsmanagerindex der Fed von Philadelphia für die dortige Industrie anschauen, er ist üblicherweise einer der wichtigsten Frühindikatoren für die US-Wirtschaft insgesamt.

Zudem werden an dem Tag die Zahlen zu den Frühindikatoren des Conference Board veröffentlicht. Sie waren in den vergangenen Monaten geradezu kollabiert, was meiner Meinung klar widerspiegelt, dass eine Rezession der US-Wirtschaft bereits begonnen haben dürfte. Mich würde es nicht wundern, wenn beide Daten, also jene der Philly Fed und des Conference Board, deutlich schwächer ausfallen würden als erwartet.

Gleichzeitig schwelt die Bankenkrise in den USA weiter, wodurch sich die Aussichten für die Wirtschaft weiter eintrüben. In den kommenden Quartalen und Jahren müssen Billionen von Dollar an Krediten für Gewerbeimmobilien, also gerade Büroflächen und Malls bzw. Einkaufszentren, refinanziert werden – und das zu deutlich höheren Zinsen als noch vor wenigen Jahren.

Dabei gibt es gerade bei Büroflächen einen enormen Leerstand. Das Problem dabei: In dem Bereich Gewerbeimmobilien haben die kleinen und mittleren Institute einen besonders hohen Marktanteil.

Wenn sich die Regionalbanken bei der Kreditvergabe in dem Bereich zurückhalten – wovon ich klar ausgehe -, sollte das der Wirtschaft einen richtigen Tiefschlag verpassen. Dass der KBW Regional Banking Index, der die Kursentwicklung der Aktien widerspiegelt, auf das Niveau von Dezember 2020, also ein 28-Monats-Tief eingebrochen ist, verheißt nichts Gutes. Die Bankenkrise ist zwar kaum noch ein Thema in den Massenmedien, aber es dürfte viel schneller wieder auf den Tisch kommen, als es vielen Investoren lieb ist.

Wieso steigen die Aktienmärkte dennoch?

Das ist die Eine-Million-Dollar Frage, und für mich gibt es darauf nur eine Antwort: Weil die Investoren auf eine neue QE-Gelddruckrunde wetten.

Ich weiß, dass Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen andauernd sagen, dass für sie Zinssenkungen für den Rest des Jahres 2023 absolut kein Thema sind. Allerdings lagen die Fed-Mitglieder in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Prognosen häufig meilenweit daneben, ich sage nur „Die (hohe) Inflation ist vorübergehend.“

Derzeit gehen viele Investoren davon aus, dass die Fed bei der nächsten Sitzung am 3. Mai den Leitzins um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) auf 5,0 bis 5,25 Prozent anheben dürfte, das soll dann die letzte Erhöhung in diesem Zyklus sein. Zudem erwarten viele Investoren, dass die Fed den Zins bis zum Jahresende auf rund 4,6 Prozent senken wird, also um insgesamt rund 50 Basispunkte.

Meiner Meinung reichen derart mickrigen Zinssenkungen keineswegs aus, um das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 bei den aktuellen 18,3 zu halten. Das ist eine extrem hohe Bewertung für das Umfeld einer möglicherweise heraufziehenden Rezession.

In derartigen Zeiten rauschen die Kurse üblicherweise nach unten, woraufhin das KGV durchaus auf 13 oder 14 fällt. Im schlimmsten Fall kann das einen Kurseinbruch um knapp 30 Prozent bedeuten. Beim KGV wird der Börsenwert der Unternehmen aus dem S&P 500 durch deren Gewinne dividiert.

Kommt eine neue QE-Gelddruckrunde?

Ganz anders sähe die Lage hingegen im Falle einer neuen, massiven QE-Gelddruckrunde aus. Dann würde einzig und allein die neue Liquiditätsschwemme die Kurse noch höher in die Stratosphäre treiben, völlig unabhängig davon, wie hoch die Bewertung ist oder nicht. Genau so war es, während der massiven QE-Runde während der Pandemie, als das KGV nach dem anfänglichen Einbruch auf 13, anschließend bis auf horrende 23 nach oben geschossen war. Wahnsinn!

Wie sonst ist es zu erklären, dass der VIX, der die Volatilität des S&P 500 widerspiegelt, mit 17 Punkten auf das niedrigsten Niveau seit Januar 2022 eingebrochen ist, als damals der S&P500 am Rekordhoch lag? Wenn allerdings eine neue massive QE-Gelddruckrunde innerhalb weniger Monate käme, beispielsweise ab dem Sommer, dann könnten Investoren jetzt schon darauf wetten, woraufhin der VIX auf Talfahrt bleiben würde und damit den Aktienmarkt weiter nach oben treiben würde.

In dem Umfeld würde es auch Sinn machen, dass seit kurzem die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen steigen. Sie lesen richtig: „steigen.“ Denn eine neue massive Liquiditätsspritze der Fed würde bedeuten, dass ein Teil der Liquidität aus dem Finanzsystem in die Realwirtschaft fließen dürfte, was die Konjunktur stützt.

Die steigenden Zinsen für zehnjährige US-Anleihen würden dann die Aufhellung der langfristigen Aussichten für die US-Wirtschaft widerspiegeln. Umso genauer gilt es zu beobachten, ob die Zinsen tatsächlich in den nächsten Wochen klettern sollten.

Eine neue Dollar-Schwemme sollte wiederum die Währung belasten, womit die Erholung beispielsweise des Euro gegenüber dem Dollar weitergehen sollte. Der Rückgang des Greenback sollte die steigenden US-Zinsen überlagern, womit der Goldpreis deutlichen Rückenwind haben sollte.

Aktienmärkte steigen trotz zahlreicher Belastungsfaktoren

Bitte denken Sie kurz darüber nach, welch enorme Belastungsfaktoren es derzeit für die Aktienmärkte diesseits und jenseits des Atlantiks gibt: der Ukraine-Krieg, die hohen Energiepreise, die trotz des Rückgangs der vergangenen Monate hohe Inflation, die Sorgen vor einer US-Rezession und zusätzlich eine US-Bankenkrise, eine schwache Weltwirtschaft, die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China, sowie die De-Globalisierung.

Macht es in dem Umfeld irgendeinen Sinn, wenn der DAX quasi am Rekordhoch kratzt und S&P 500 und Nasdaq auf dem Weg nach oben sind? Meiner Meinung nach absolut nicht.

Die einzige Erklärung dafür ist, dass Investoren auf eine neue, massive QE-Gelddruckrunde wetten – dabei geht es einmal mehr um Billionen von Dollar. Nur in dem Umfeld wäre der VIX auf Talfahrt, die Zinsen für zehnjährige US-Anliehen würden steigen, der Dollar wäre auf Talfahrt und die Aktienmärkte würden Party machen. Genau das alles passiert derzeit.

Die Investoren ignorieren also nicht etwa die heraufziehende US-Rezession, sondern die Investoren wetten darauf und gerade die darauf folgende Reaktion der Fed. Dass damit die ohnehin riesige Blase am US-Aktienmarkt noch viel größer wird als ohnehin schon, sollte jedermann klar sein.

Umso besser sind die Aussichten für Gold. Zwar kann der Preis jederzeit etwas korrigieren, wenn sich der Dollar kurz erholt. Ansonsten sollte aber ein QE-Umfeld ein prächtiges Umfeld für Gold sein. Daher ist jetzt die Zeit, um die eigenen Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken. Denn das Edelmetall dürfte nach August 2020 und März 2022 bald einen dritten Versuch starten, um von der 2.000er-Marke aus kräftig nach oben zu laufen. Und ich sage: aller guten Dinge sind drei.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.