Italien war schon vor der Corona-Pandemie hoffnungslos verschuldet. Durch sie ist alles aber noch viel schlimmer geworden, allerdings hat der Kabinettsstaatssekretär des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte eine „Lösung“ für das Problem.

Mit Kursen von rund 1.775 Dollar je Unze ist der Goldpreis auf ein Fünf-Monats-Tief eingebrochen. Für Verkaufsdruck bei dem Edelmetall sorgt die Rekordfahrt beim S&P 500 und am weltweiten Aktienmarkt. Dabei beruht sie meiner Meinung nach vor allem auf der Erwartung, dass die Fed bereits bei der nächsten Sitzung am 16. Dezember ihr massives Gelddrucken aufstocken könnte.

Während viele Investoren zudem darauf setzen, dass sich die Weltwirtschaft wegen der Corona-Wirkstoffe einiger Pharma- und Biotechfirmen ab dem Frühjahr des kommenden Jahres deutlich beleben dürfte, haben sich zuletzt die kurzfristigen Konjunkturperspektiven wegen der Rekordhohen Zahl der Neuinfizierten in den USA eingetrübt – zuletzt waren es etwas mehr als 200.000 pro Tag.

Daher sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen bis auf 0,84 % gesunken. Gleichzeitig ist der Realzins auf Basis zehnjähriger inflationsgeschützter Anleihen sogar auf minus 0,91 % eingebrochen und nähert sich damit dem Rekordtief von minus 1,08 % vom 1. September.

Das hat allerdings den Goldpreis ebenso wenig gestützt wie die anhaltende Talfahrt des Dollar. So ist der Dollar Index auf das niedrigste Niveau seit April 2018 gesunken. Der Index spiegelt die Entwicklung des Greenback gegenüber sechs wichtigen Währungen, vor allem dem Euro, wider.

Trotz Rekordschulden sinken Zinsen für Italien auf Rekordtiefs

Der Kurseinbruch beim Goldpreis ist umso bemerkenswerter, geht doch das kräftige Schuldenmachen in den USA und in der Eurozone und damit das Gelddrucken der Fed und der EZB zügig weiter. Eines der von der Pandemie am schwersten betroffenen Länder ist Italien, dabei steckte das Land schon zuvor tief im Schuldensumpf. So sollen die Schulden Italien bis zum Jahresende auf rund 160 % der jährlichen Wirtschaftsleistung nach oben schießen, gegenüber 134,7 % für Ende 2019. Italien soll daher rund 209 Mrd. Euro aus dem Wiederaufbaufonds der EU erhalten, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Trotz dieser verheerenden Fundamentaldaten sind die Zinsen für zehnjährige italienische Anleihen auf das Rekordtief von 0,56 % gesunken – der EZB sei „Dank.“ Denn sie hat wiederholt klargemacht, dass sich Investoren überhaupt keine Sorgen über einen möglichen Zahlungsausfall Italiens oder anderer Länder machen müssen, weil die EZB im Notfall praktisch unbegrenzt viele Anleihen Italiens – oder anderer Staaten – kaufen wird, um die Lage unter Kontrolle zu halten.

Fraccaro fordert Schuldenschnitt

Dennoch sollten niemand die jüngsten Vorschläge aus Italien überraschen. So hat Kabinettsstaatssekretär Riccardo Fraccaro, der engste Berater von Ministerpräsident Giuseppe Conte, gefordert, die EZB solle die Anleihen, die sie während der laufenden Krise kaufe, annullieren oder für immer auf ihre Bücher nehmen.

„Die Geldpolitik muss die expansive Fiskalpolitik der Mitgliedsstaaten in jeder Hinsicht unterstützen“, sagte Fraccaro. Das könne einschließen, „Staatsanleihen, die während der Pandemie gekauft werden, zu streichen oder ihre Laufzeit dauerhaft zu verlängern.“ Die Papiere sollen also annulliert oder praktisch in Endlosanleihen umgewandelt werden, die nie mehr zurückgezahlt werden müssen.

Ohne die Käufe der EZB könne Italien Angriffen von Spekulanten ausgesetzt sein, sagte Fraccaro. „Die Notenbank sollte immer Finanzstabilität garantieren.“ Das Problem sind also einmal mehr die bösen „Spekulanten“ und nicht etwa die Tatsache, dass Italien vor und nach der Schuldenkrise in der Eurozone in den Jahren 2011/ 12 viel zu viele Schulden gemacht hat. „Die EZB hat kein Problem mit Schulden(machen) – sie kann so viel (Geld) drucken wie sie will“, so Fraccaro.

Es geht um Billionen von Euro

EZB-Chefin Christine Lagarde hat Fraccaros Vorschlag prompt zurückgewiesen, weil das eine „Verletzung“ des Rechts sei. Das beruhigt mich allerdings in keiner Weise, hat doch die EZB in den vergangenen Jahren sämtliche Beschränkungen ihres Mandats über Bord geworfen und betreibt schon seit dem Start des QE-Gelddruckens im März 2015 monetäre Staatsfinanzierung, also das Finanzieren des Staates durch die Notenpresse.

Dass es bei Fraccaros Forderung um eine Menge Geld geht, sollte jedermann klar sein. Im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) hat die EZB bis Ende September – das sind die neuesten Zahlen – für insgesamt 95,2 Mrd. Euro italienische Anleihen erworben. Inklusive der Papiere der anderen Länder summieren sich die Käufe auf horrende 511,65 Mrd. Euro. Zudem kauft die EZB in kleinerem Stil Unternehmensanleihen.

Und das Programm läuft weiterhin auf vollen Touren, wobei es die EZB bei der nächsten Sitzung am 10. Dezember möglicherweise um 650 Mrd. Euro auf 2,0 Billionen Euro aufstocken und bis Ende 2021 verlängern dürfte. Das „Streichen“ oder Annullieren der Anleihen aus dem PEPP-Programm würde bedeuten, dass die Länder der Eurozone Billionen Euro an Schulden machen könnten – und das völlig folgenlos, wie Fraccaro und andere „Experten“ den Bürgern weismachen wollen.

EZB warnt vor Folgen für Finanzstabilität

Sie und ich wissen, welch dramatischen negativen Folgen das gigantische Gelddrucken und die Strafzinsen der EZB haben. Durch deren Politik werden die Sparer immer mehr enteignet, während die Immobilienpreise und Aktienkurse in die Stratosphäre getrieben werden, weshalb die Risiken für die Finanzstabilität rapide zunehmen. Welche Folgen das Platzen der Blasen am Immobilien- und Aktienmarkt hätte, will ich mir nicht ausmalen.

„Aktien- und Anleihenmärkte scheinen zunehmend abhängig von und anfällig für Änderungen der Benchmarkzinskurve zu sein und Investoren könnten ihre Beurteilung der Asset-Bewertungen rasch ändern, wenn die Pandemie zu einer schwächeren Wirtschaftsentwicklung führen sollte“, schreibt die EZB in ihrem halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht. Auch habe sich das Risiko eines Preisrückgangs am Markt für Wohnimmobilien erhöht. „Anzeichen für eine Überbewertung gibt es nahezu überall im Euroraum.“

Damit warnt die EZB vor den Folgen ihrer eigenen Politik. Zuerst bläst die Notenbank gigantische Blasen an den Aktien-, Anleihen- und Immobilienmärkten auf – und anschließend warnt die EZB vor den Risiken für die Finanzstabilität.

Meiner Meinung nach könnte es nur dann zu einem Einbruch am Aktien-, Anleihen- und Immobilienmarkt kommen, wenn Investoren Sorge bekommen würden, dass die EZB ihr Gelddrucken drosseln könnte. Dieses Risiko sehe ich absolut nicht, denn ansonsten würde das Schuldenhaus Eurozone schnell kollabieren. Das kann die Notenbank unter keinen Umständen zulassen.

Ehrlich gestanden kann ich Ihnen nicht sagen, ob und wieweit sich der Kursrutsch beim Goldpreis kurzfristig noch ausweiten könnte. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass das Gelddrucken der EZB in den nächsten Jahren noch massiver werden und es noch mehr Strafzinsen geben dürfte – mit allen negativen Folgen. Umso wichtiger ist es, den Kursrückgang beim Goldpreis zu nutzen, um die physischen Bestände auf mittlere und lange Sicht weiter deutlich aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.