Viele Anleger hoffen, dass es nach dem Kurseinbruch an den Aktienmärkten im Jahr 2022 im kommenden Jahr deutlich nach oben geht. Ich halte das allerdings für reines Wunschdenken.

Zahlreiche Investoren sind heilfroh, dass das miserable Börsenjahr 2022 zügig zu Ende geht. Schließlich ist der S&P 500 seit Jahresanfang um rund 20 Prozent nach unten gerauscht. Noch stärker haben die kräftig gestiegenen US-Zinsen den Nasdaq Composite Index mit den vielen weiterhin sehr hoch bewerteten Technologieaktien belastet, der sogar um rund 34 Prozent kollabiert ist. Da sieht der Rückgang um 12 Prozent beim DAX schon fast nicht mehr ganz so schlimm aus.

Im Gegensatz dazu kann sich die Entwicklung des Goldpreises mehr als sehen lassen. Auf Dollar-Basis ist er praktisch unverändert gegenüber dem Stand von vor einem Jahr, in vielen anderen Währungen ist er sogar deutlich geklettert. So steht auf Euro-Basis ein Plus von 6 Prozent zu Buche, damit hat das Edelmetall einen wichtigen Teil der Inflation von zuletzt 10,1 Prozent für die Euro-Zone abgefedert.

Umso mehr hoffen viele Anleger, dass damit die schlechten Nachrichten in den Aktienmärkten allmählich eingepreist sein könnten und es vielleicht schon bald wieder nach oben gehen könnte. Meiner Meinung nach dürfte allerdings nichts ferner der Realität liegen, vielmehr droht ein weiterer Einbruch, beim S&P 500 wahrscheinlich unter das Tief vom September bei 3.577 Punkten. Was der DAX in einem derartigen Umfeld machen könnte, will ich mir lieber nicht ausmalen.

Fed treibt die Wirtschaft zügig in eine Rezession

Der größte Belastungsfaktor für die Konjunktur und damit die Börsen sind die anhaltenden Zinserhöhungen der Fed. Sie hat im Dezember den Leitzins um 50 Basispunkte (0,5 Prozentpunkte) auf 4,25 bis 4,5 Prozent angehoben und angekündigt, die Zinsen im Laufe des Jahres 2023 bis auf 5,1 Prozent nach oben zu schrauben und dort möglichst lange zu lassen. Das soll die Zinsen für Kredite für Verbraucher und Unternehmen weiter nach oben treiben und damit die hochverschuldete Privatwirtschaft immer weiter belasten und somit die Nachfrage und die Inflation dämpfen. Damit stehen also nach derzeitigem Stand in den nächsten Monaten Erhöhungen um weitere 75 Basispunkte beim Leitzins auf dem Programm.

Je höher die Fed allerdings die Zinsen anhebt und je länger sie auf dem hohen Niveau bleiben, umso schneller dürfte die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutschen und umso schwerer dürfte sie werden. Dabei gibt es eine Menge Konjunkturdaten die zeigen, dass sich die Konjunktur in den vergangenen Monaten stark abgekühlt hat, gerade am stark zinsabhängigen Immobilienmarkt. Laut dem Einkaufsmanagerindex von S&P Global für die US-Wirtschaft, also Industrie plus Dienstleistungssektor, zeigt der Index für das vierte Quartal einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um annualisiert 1,5 Prozent an. Der annualisierte Wert wird errechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit 4 multipliziert.

Mich würde es zwar nicht überraschen, wenn die Behörden dennoch ein deutliches Wirtschaftswachstum ausweisen würden, die 1. Schätzung wird Ende Januar 2023 veröffentlicht. Dabei sollte man allerdings berücksichtigen, dass die Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit Mitte 2015 nicht mehr nur einmal, sondern 2 Mal saisonal bereinigt werden.

Im Klartext: Schlechte tatsächliche Zahlen werden durch „gute Schätzungen“ ersetzt und schon kommt am Ende trotz schwacher Konjunktur ein Wirtschaftswachstum raus – so einfach ist die Rechnung! Wie immer die Daten zum vierten Quartal auch aussehen mögen, ich gehe fest davon aus, dass die Wirtschaftsleistung ab dem ersten Quartal 2023 offiziell schrumpfen dürfte. Das sollte der S&P 500 zusehends einpreisen und bald weiter nach unten rauschen.

EZB bläst zur Aufholjagd

Nach langem Zaudern und Zögern folgt die EZB dem Vorbild der Fed und will die Zinsen – wenngleich von viel niedrigerem Niveau aus – ebenfalls kräftig erhöhen. Zuletzt hatte die EZB den Leitzins um 50 Basispunkte auf 2,5 Prozent erhöht. Zudem hat EZB-Chefin Christine Lagarde für die nächsten Sitzungen ähnlich große Zinsschritte nach oben angekündigt. Viele Investoren gehen daher davon aus, dass die Notenbank bis zum Frühjahr die Zinsen um weitere knapp 150 Basispunkte nach oben schrauben könnte.

Damit gibt es in der Euro-Zone noch deutlich stärkeren Aufwärtsdruck bei den Zinsen als in den USA! Das ist also ein völlig anderes Umfeld als in den vergangenen 10 Jahren! Daher sind zuletzt die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen deutlich stärker gestiegen als jene für gleichlang laufende US-Anleihen.

Welche Folgen kräftig steigende Zinsen für hochverschuldete Volkswirtschaften, wie Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Portugal haben, brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass trotz der zuletzt kräftig gesunkenen Energiepreise in zahlreichen Euro-Ländern eine Rezession mit großen Schritten heraufziehen dürfte.

Umso bemerkenswerter ist es, dass der Goldpreis zuletzt trotz der kräftig gestiegenen Zinsen für zehnjährige US-Anleihen in die Nähe des Sechs-Monats-Hochs geklettert ist. Allerdings ist der Dollar wegen der zunehmenden Sorgen um eine US-Rezession auf Talfahrt, was die Notierung des Edelmetalls nach oben getrieben hat.

S&P 500 ist immer noch eine riesige Blase

Ich erwarte, dass innerhalb weniger Wochen oder möglicherweise gar nur Tagen die Sorgen vor einer US-Rezession mit voller Wucht zurückkehren sollten, zumal wenn das Fed-Protokoll, das am Mittwochabend, 4. Januar veröffentlicht wird, bestätigen sollte, dass die Fed tatsächlich die Zinsen weiter kräftig anheben will. Dann sollten sich Investoren schnell Sorge machen, dass in einem Umfeld einer weltweiten Rezession – ja, ich befürchte für 2023 nicht nur eine US-, sondern eine weltweite Rezession – die Gewinne der S&P 500-Unternehmen kollabieren sollten.

Aktuell sagen Analysten für 2023 einen Anstieg der Gewinne um rund 5 Prozent auf rund 231,5 Indexpunkte vorher. In Umfeld einer weltweiten Rezession sollten die Gewinne der S&P 500-Firmen allerdings kollabieren auf bestenfalls rund 200 Indexpunkte. Bei einem Indexstand von 3.850 Punkte wäre das weltweit wichtigste Börsenbarometer mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19,3 bewertet – damit wäre der S&P500 kolossal überbewertet, also immer noch eine riesige Blase.

In Krisenzeiten sinkt das KGV aber üblicherweise unter 10, was einen Indexstand von rund 2.000 Punkten bedeuten würde. So schwarz malen will ich derzeit mal nicht, allerdings könnte der Index meiner Meinung nach leicht auf 3.250 Punkte oder darunter fallen. Das wäre ein Einbruch um „nur“ rund 15 Prozent gegenüber dem aktuellen Niveau.

DAX hat kräftiges Rückschlagpotenzial

In diesem Szenario sollte der DAX mit seinen zahlreichen Zyklikern, also Unternehmen aus konjunkturabhängigen Sektoren, wie Banken, Halbleiter, Chemie und Autos, um mindestens 15 Prozent nach unten rauschen, weil ausländische Investoren, gerade aus den USA ihre DAX-Papiere auf den Markt werfen dürften. In den vergangenen Monaten hat sich der DAX bemerkenswerterweise viel besser gehalten als der S&P500. Das lag daran, dass Investoren massiv Geld aus hochbewerteten Growth-Aktien, wie Tesla, Apple, Amazon und Meta Platforms in Value-Aktien, also niedrig bewertete Papiere, wie aus dem DAX, umgeschichtet haben. Wenn allerdings die Rezessionssorgen plötzlich zurückkehren sollten, dann sollten Investoren meiner Meinung nach die Zykliker aus dem DAX in hohem Bogen aus dem Depot werfen.

Die Hoffnung vieler Investoren, dass weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen in China die dortige Wirtschaft und damit die Weltwirtschaft deutlich beflügeln, teile ich nicht. Die chinesische Regierung dürfte einmal mehr alles in ihrer Macht stehende tun, dass von möglichen Konjunkturmaßnahmen fast ausschließlich die heimische Wirtschaft profitiert. Gleichzeitig könnte eine mögliche Konjunkturbelebung in China den Ölpreis nach oben treiben und damit weltweit die Inflation anheizen, was wiederum die Fed dazu veranlassen könnte, die Leitzinsen noch stärker anzuheben als bislang erwartet.

Gold bleibt unverzichtbar

Umso spannender wird es, wie es mit dem Goldpreis weitergehen könnte. Zwar könnten Investoren bei einem baldigen Börseneinbruch kurzfristig auch Gold verkaufen, um sich Liquidität zu beschaffen und damit die Verluste bei Aktien und Anleihen zumindest teilweise zu decken.

Umso stärker sollte der Goldpreis aber anschließend nach oben durchstarten. Der Grund ist, dass es in den USA, der Euro-Zone und weltweit viel, viel zu viele Schulden gibt. Bei einem Börsen-Crash und einer Rezession dürfte die Fed daher wie üblich reagieren, mit massiven Zinssenkungen auf erneut null Prozent, während gleichzeitig das mit weitem Abstand größte QE-Programm aller Zeiten gestartet werden dürfte. Meiner Meinung nach sollte das alles bereits im kommenden Jahr passieren. Und umso mehr Rückenwind sollte daher der Goldpreis in dem Umfeld haben. Bitte nutzen Sie daher die Zeit, um Ihre Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie einen guten Rutsch in ein glückliches und gesundes Neues Jahr 2023!

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.