Zuerst hatte die EZB-Sitzung einen Kursrutsch bei S&P500 und DAX verursacht. Anschließend hatten überraschend hohe US-Inflationsdaten den Verkaufsdruck verstärkt. Die kräftig gestiegenen US-Zinsen und der steigende US-Dollar haben allerdings auch den Goldpreis einknicken lassen.

Nach dem Kurseinbruch beim DAX der vergangenen Tage dürften viele Anleger in Panik sein. Nachdem der Index noch am 6. Juni bis auf 14.700 Punkte geklettert war, ist er zuletzt auf unter 13.300 Punkte gerauscht, ehe er sich etwas erholt hat. Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten wiederholt gewarnt, dass die vorherige kräftige Rally beim DAX keinerlei Sinn gemacht hat, beispielsweise in dem Beitrag „Der Leichtsinn ist an die Aktienmärkte zurückgekehrt.“

Für einen Tiefschlag für DAX und S&P500 hatte die EZB mit der Sitzung vom Donnerstag, 9. Juni gesorgt. Zwar hat die EZB wie erwartet angekündigt, dass bei der nächsten Sitzung am 21. Juli die Leitzinsen um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) angehoben werden sollen. Allerdings hat die Notenbank die Anhebung für die übernächste Sitzung am 8. September von der mittelfristigen Inflationsentwicklung, also der Prognose der EZB für das Jahr 2024, abhängig gemacht und damit überraschend eine mögliche Erhöhung um 50 Basispunkte in Aussicht gestellt.

„Sollten die mittelfristigen Inflationsaussichten unverändert bleiben oder sich verschlechtern, ist bei der September-Sitzung ein größerer Zinsschritt angemessen“ (als die geplanten 25 Basispunkte für Juli), schrieb die EZB. Daraufhin sind die Zinsen für die Anleihen der Euro-Länder, neben Deutschland, gerade auch die der hochverschuldeten, wie Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Portugal nach oben geschossen.

Sorgen um Rezession in Euro-Zone nehmen zu

Das sind Hiobsbotschaften für diese Länder, nachdem beispielsweise die Zinsen für zehnjährige italienische Anleihen auf knapp 4,3 % nach oben geschossen sind, gegenüber mickrigen 1,2 % am Jahresanfang. Welche Folgen ein derart dramatischer Zinsanstieg für Italien hat, kann sich jeder selbst ausmalen.

Damit nehmen die Sorgen um eine mögliche Rezession in Italien rapide zu, während sich die EZB unter Zugzwang sieht, den angeblich ungerechtfertigten Zinsanstieg einzudämmen. Daran ist aber absolut nichts „ungerechtfertigt.“ Die Investoren reagieren nur auf die hoffnungslose Verschuldung Italiens – die Schulden lagen Ende 2021 mit horrenden 2,7 Billionen Euro bei 150,8 % der jährlichen Wirtschaftsleistung –, weshalb der Zinssprung nach oben aufgrund des bevorstehenden Endes der Anleihekäufe zum 1. Juli absolut gerechtfertigt ist. Selbstverständlich kann die EZB das niemals zugeben, sondern dürfte vielmehr neue Maßnahmen ergreifen, um die Zinsen für die hochverschuldeten Länder wieder nach unten zu drücken. Daher hat die EZB für heute 11 Uhr eine Sondersitzung des EZB-Rats einberufen.

Stark steigende Zinsen in der Euro-Zone haben allerdings auch jene für zehnjährige US-Anleihen kräftig nach oben getrieben, was für kräftigen Verkaufsdruck an der Technologiebörse Nasdaq und beim S&P500 und damit auch beim DAX gesorgt hat. Dabei sind die hochbewerteten Growth-Aktien, also Papiere von Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade beim Umsatz, sprich die Technologie-Aktien, am stärksten unter die Räder gekommen. Der Grund: die erwarteten starken Gewinnsteigerungen von Apple, Amazon und Co. werden bei kräftig steigenden Zinsen umso stärker abdiskontiert.

US-Inflationsdaten schockieren Investoren

Bemerkenswerterweise hat der Goldpreis am Donnerstag den US-Zinssprung, der den US-Dollar deutlich mit nach oben gezogen hat, relativ gut weggesteckt. Hingegen hat die Notierung des Edelmetalls am darauffolgenden Freitag, 10. Juni nach der Veröffentlichung der US-Inflationsdaten sogar einen Sprung nach oben gemacht.

So waren die US-Verbraucherpreise im Mai um 8,6 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen, das war der höchste Wert seit Dezember 1981. Damit hat sich das Gerede vieler „Experten“, dass die US-Inflation im März mit 8,5 % den Höhepunkt erreicht habe, woraufhin sie im April leicht zurückgegangen war auf 8,3 %, in Luft aufgelöst. Nun befürchten Investoren umso aggressivere Zinserhöhungen der US-Notenbank, was die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach oben schießen lässt und gleichzeitig die Sorgen vor einer möglichen Rezession stark schürt.

So sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen bis auf 3,45 % nach oben geschossen, das ist das höchste Niveau seit März 2011, also ein 11-Jahres-Hoch. Gleichzeitig ist allerdings der Zinsaufschlag für zehnjährige US-Anleihen gegenüber zweijähriger auf nurmehr 5 Basispunkte kollabiert. Je kleiner der Aufschlag wird, je flacher diese Zinsstrukturkurve also wird, umso mehr spiegelt das eine Eintrübung der Aussichten für die US-Wirtschaft wider.

Ich gehe davon aus, dass der Aufschlag innerhalb weniger Tage unter die Nulllinie sinken wird, die Zinsstrukturkurve also nach Anfang April erneut invers werden wird. Damit ist für mich ausgemachte Sache, dass eine US-Rezession mit großen Schritten heraufzieht. Ich habe in den vergangenen Wochen wiederholt gesagt und geschrieben, dass der Start einer Rezession unmittelbar bevorsteht, wenn sie nicht sogar schon begonnen hat. Das beginnen S&P500 und DAX zusehends widerzuspiegeln.

Allerdings haben der US-Zinssprung und der kräftig gestiegene Dollar den Goldpreis am Montag, 13. Juni und Dienstag, 14. Juni einbrechen lassen. Da viele Investoren wegen des Kurseinbruchs am Aktienmarkt Liquidität gebraucht haben, dürften sie Gold verkauft haben, was für zusätzlichen Abwärtsdruck gesorgt hat.

Nervöses Warten auf die Fed-Sitzung

Umso gespannter warten Investoren auf die Fed-Sitzung am heutigen Mittwochabend, 15. Juni. Nachdem Investoren lange Zeit davon ausgegangen waren, dass die Fed die Leitzinsen um 50 Basispunkte gegenüber dem aktuellen Niveau von 0,75 bis 1,00 Prozent anheben dürfte, ist zuletzt plötzlich sogar eine Anhebung um 75 Basispunkte am Markt für Fed-Funds-Futures, also Derivate auf den US-Leitzins, eingepreist worden. Mich würde es daher nicht wundern, wenn die Fed tatsächlich einen Schritt 75 Basispunkte nach oben um machen würde – das wäre die stärkste Anhebung seit 1994.

Dass das die hochverschuldete US-Privatwirtschaft, also private Haushalte und Unternehmen, enorm belasten würde, dürfte jedermann klar sein. Umso gespannter werden Investoren sein, was Fed-Chef Jay Powell auf der Pressekonferenz ab 20.30 Uhr für die darauffolgende Sitzung am 27. Juli signalisieren wird. Sollte Powell eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte andeuten, dürfte das für einen weiteren Sprung nach oben bei den Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sorgen, woraufhin im Gegenzug S&P500 und DAX einbrechen dürften, und leider auch der Goldpreis neuen Gegenwind bekäme, zumal wenn der Dollar in dem Umfeld weiter steigen sollte.

Aktuell – also vor der Sitzung am heutigen Mittwoch – sind Anhebungen um insgesamt knapp 300 Basispunkte, also auf knapp 3,75 Prozent, bis Ende 2022 eingepreist. Meiner Meinung nach kann das die hochverschuldete US-Wirtschaft in keinster Weise verkraften. Denn in dem Szenario würde der Kurseinbruch beim S&P500 schnell zum Crash werden, während die US-Wirtschaft in die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg abrutschen dürfte. Dagegen würde selbst die 2008er-Schuldenkrise, als ein Kollaps des US- und damit des weltweiten Finanzsystems nur haarscharf verhindert worden war, wie ein Sturm im Wasserglas aussehen. Das kann die Fed unter keinen Umständen zulassen.

Zwar könnte sich der Kursrückgang bei Gold kurzfristig noch etwas ausweiten. Allerdings sollten Sie sich davon nicht verunsichern lassen. Je schneller und stärker die Fed die Zinsen nach oben treibt und je schneller die Rezession heraufzieht und umso schwerer sie sein wird, umso stärker wird die Fed anschließend die Zinsen wieder senken und ein noch viel größeres Gelddruckprogramm auflegen als beim letzten Mal ohnehin schon. Das sollte den Goldpreis auf neue Rekordhochs nach oben treiben. Umso genauer gilt es, die Lage weiter zu beobachten, um bei einer Trendwende beim Goldpreis nach oben, die Chance zu nutzen, die eigenen Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.