Die Fed-Sitzung hat für Schockwellen am Anleihen- und damit an den Aktienmärkten in den USA und in Deutschland gesorgt. Umso wichtiger werden die nächsten Konjunkturdaten aus den USA, gerade jene zur Inflation am Freitag.

Die Verunsicherung vieler Anleger hat stark zugenommen: Der DAX hat seine Talfahrt beschleunigt und ist mit knapp über 15.200 Punkten auf ein 6-Monats-Tiefs eingebrochen, der S&P 500 nähert sich zügig dem Vier-Monats-Tief.

Für kräftigen Verkaufsdruck an den Märkten hat die Fed-Sitzung vom Mittwochabend, dem 20. September, gesorgt.  Die Fed hat den Leitzins erwartungsgemäß unverändert belassen bei 5,25 bis 5,50 Prozent.

Zudem hat die Fed angekündigt, dass sie bis zum Jahresende den Leitzinse auf 5,6 Prozent anheben möchte, was einer weiteren Anhebung um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) auf 5,5 bis 5,75 Prozent entsprechen würde. Die Mitte der Spanne sind 5,625 Prozent, o gerundet 5,6 Prozent.

Realzins soll 2024 deutlich steigen

Was Investoren aber völlig geschockt hat, war, dass die Fed völlig überraschend die Zinsprognose für Ende 2024 um 50 Basispunkte auf 5,1 Prozent angehoben hat. Hingegen waren Investoren – wie bis dahin von der Fed angekündigt – von 4,6 Prozent ausgegangen. Nach der neuen Prognose soll der Leitzins im kommenden Jahr also deutlich höher sein als bislang erwartet.

Was aber noch viel schlimmer ist, ist dass aufgrund der neuen Prognose der Realzins im kommenden Jahr von 1,9 Prozent für Ende 2023 auf 2,5 Prozent für Ende 2024 steigen wird. Das bedeutet also eine Verschärfung der Geldpolitik.

Der Realzins wird in diesem Fall berechnet, indem vom Leitzins der Fed die sogenannte Kernrate des PCE-Preisindex, dem bevorzugten Inflationsindikator der Fed, abgezogen wird. Wenn also vom Leitzins für Ende 2023 von 5,6 Prozent die von der Fed für das vierte Quartal 2023 vorhergesagte Kernrate des PCE-Preisindex von 3,7 Prozent abgezogen wird, kommt ein Realzins von 1,9 Prozent für Ende 2023 zustande.

Und für 2024 wird analog vom Leitzins von 5,1 Prozent die Kernrate des PCE-Preisindex von 2,6 Prozent ab, womit der Realzins bei herben 2,5 Prozent liegt. Diese Aussicht hat für Entsetzen bei Investoren gesorgt, denn mit höheren Realzinsen wird die Wirtschaft umso stärker gebremst.

Nach diesem Signal sind daher die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach oben geschossen und haben damit den US-Dollar kräftig mit nach oben getrieben.

Im Gegenzug sind S&P 500, Nasdaq und DAX ebenso eingebrochen wie der Goldpreis. Denn sowohl die Aktienmärkte als auch die Notierung des Edelmetalls hatten von zwei Seiten Gegenwind. Mit Kursen von knapp unter 1.900 US-Dollar je Unze ist der Goldpreis damit annähernd so tief wie seit  Sechseinhalb  Monaten nicht mehr.

US-Wirtschaft ist viel schwächer als sie aussieht

Auf der Pressekonferenz hat Fed-Chef Jay Powell die Erhöhung der Zinsprognose für 2024 damit begründet, dass die Wirtschaft deutlich stärker sei als erwartet, was für Aufwärtsdruck bei der Inflation sorgt.

Auf den ersten Blick sieht die Wirtschaft tatsächlich stark aus. So ist laut der zweiten Schätzung das Bruttosozialprodukt (BIP) im zweiten Quartal annualisiert u 2,1 Prozent gewachsen. Der annualisierte Wert wird berechnet, indem  die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit vier multipliziert wird. Die dritte und damit endgültige Schätzung wird am Donnerstag, dem 28. September, um 14.30 Uhr veröffentlicht.

Zudem gehen viele Volkswirte davon aus, dass die Wirtschaft im dritten Quartal annualisiert um rund 3,0 Prozent wachsen wird, womit sich das Wachstum gegenüber dem zweiten Quartal sogar beschleunigen würde.

Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten aber zahllose Male gesagt und geschrieben, dass meiner Meinung nach die US-Wirtschaft bei Weitem nicht so stark ist wie viele Experten behaupten.

So hat beispielsweise der von S&P Global veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für die US-Wirtschaft, also Industrie plus Dienstleistungssektor, im September bei 50,1 Punkten praktisch stagniert und lag damit am Sieben-Monats-Tief nach 50,2 Punkten für August.

Da die 50erMarke die Schwelle zwischen Wachstum und einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung ist, haben die Analysten von S&P Global zu Recht von einer „weitgehenden Stagnation“ der Wirtschaftsleistung den zweiten Monat in Folge gesprochen.

Und dass die Frühindikatoren des Conference Board, ein üblicherweise sehr zuverlässiger Vorlaufindikator für die US-Wirtschaft, in den vergangenen Quartalen völlig kollabiert ist, sei nur am Rande erwähnt.

Kein Wunder, dass die Aussicht auf anhaltend hohe Zinsen bzw. sogar einen Anstieg der Realzinsen Sorgen um eine möglicherweise heraufziehende US-Rezession schürt, weshalb der S&P 500 nach unten gedreht ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass die stark gestiegenen und inzwischen relativ hohen Zinsen viele hochverschuldete Verbraucher und Unternehmen erheblich belasten.

Eurozone steuert zügig auf Rezession zu

Das Problem ist, dass viele Konjunkturdaten aus der Eurozone noch viel schlechter sind als jene aus den USA.  Der Einkaufsmanagerindex von S&P Global für Deutschland, also Industrie plus Dienstleistungssektor,  ist im September von 44,6 auf 46,2 Punkte gestiegen und notiert damit  ein Zwei-Monats-Hoch.

Damit liegt der Indikator aber weiterhin deutlich unterhalb der 50er-Marke und signalisiert damit einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Die hohen Energiepreise und die schwache Weltwirtschaft hinterlassen klar ihre Spuren.

Verschärft wird die Lage dadurch, dass der Einkaufsmanagerindex für Frankreich, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, im September von 46,0 auf 43,5 Punkte kollabiert ist, das ist ein 34-Monats-Tief! So lesen Sie richtig: der Index für Frankreich ist deutlich unter den von Deutschland eingebrochen, womit die französische Wirtschaft plötzlich noch viel kränker ist als der „kranke Mann Europas“- Wahnsinn!

Die schwache Konjunktur in Frankreich, Deutschland und vielen anderen Ländern der Eurozone sollte niemanden überraschen, doch belasten  die stark gestiegenen Zinsen in der Eurozone viele Volkswirtschaften deutlich, während gleichzeitig die Exportwirtschaft durch die Abkühlung der Konjunktur in den USA Gegenwind bekommen sollte und zudem die Wirtschaft in China weiter schwächelt. Das ist eine ganz schlechte Kombination!

Vor dem Hintergrund bin ich mal gespannt, wie lange die EZB die Zinsen auf dem erhöhten Niveau belassen wird. Je länger die EZB das tut, umso schneller wird die Wirtschaft der Eurozone in eine Rezession abrutschen. Sie liegt vor, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge jeweils gegenüber dem Vorquartal zurückgegangen ist.

Warten auf US-Konjunkturdaten

Umso wichtiger werden die nächsten US-Konjunkturdaten. Am Donnerstag werden neben der dritten Schätzung zum US-BIP für das zweite Quartal auch die alle fünf Jahre übliche Revision der BIP-Daten für die vergangenen Jahre und Jahrzehnte veröffentlicht.

Investoren an den Aktienmärkten, ebenso wie Gold-Fans wie Sie und ich können nur hoffen, dass die Daten für das erste oder zweite Quartal 2023 etwas nach unten korrigiert werden, woraufhin die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen zumindest kurzfristig sinken könnten und daraufhin der US-Dollar etwas nachgibt. In dem Umfeld könnten sich der S&P 500 und der DAX ebenso wie der Goldpreis etwas erholen.

Am darauffolgenden Freitag, dem 29. September wird dann bei der Veröffentlichung der Zahlen zu den Einkommen und Ausgaben der Amerikaner auch die Kernrate des PCE-Preisindex veröffentlicht. Gemäß diesem Indikator sollen die Preise im August um 0,2 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen sein.

Im Jahresvergleich soll die Kernrate im August allerdings auf 3,9 Prozent zurückgehen, nach 4,2 Prozent für Juli. Sollten die Daten im Monats- oder Jahresvergleich schlechter sein als erwartet, dürfte das die US-Zinsen und den US-Dollar nach oben treiben und damit wiederum den Goldpreis belasten. Umso mehr hoffe ich, dass die Zahlen zur Kernrate zumindest etwas besser ausfallen werden als erwartet.

Ich kann nicht ausschließen, dass der Goldpreis auf Dollar-Basis erst einmal weiter unter Druck sein könnte. Allerdings dürfte die Talfahrt des Euro gegenüber dem US-Dollar weitergehen, was beim Goldpreis auf Euro-Basis weiterhin für Aufwärtsdruck sorgen sollte.

Mit einem Kursanstieg um 5,5 Prozent auf Euro-Basis seit Jahresanfang hat physisches Gold einen Großteil des Kaufkraftverlustes durch die Inflation (die Rate für Deutschland für August lag bei 6,1 Prozent) wettgemacht. Umso mehr Sinn macht es, die Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken, um sich gegen eine möglicherweise anhaltende Talfahrt des Euro und damit ein weiteres Anheizen der Inflation zu schützen.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.