Trotz gegenteiliger Beteuerungen vieler „Experten“ deuten viele US-Konjunkturdaten darauf hin, dass die US-Wirtschaft unmittelbar vor dem Start einer Rezession steht. Kein Wunder, dass S&P500 und DAX zuletzt nach unten gerauscht sind. Das sollte allerdings noch längst nicht das Ende der Talfahrt sein.

Wenn ich Besitzern von Aktien aus S&P500 und DAX einen Rat geben darf, dann diesen: Schnallen Sie sich bitte an, denn es dürfte noch viel ungemütlicher werden als in den vergangenen Monaten ohnehin schon. Wieso? Weil meiner Meinung nach eine US-Rezession mit großen Schritten heraufzieht, wenn sie nicht sogar schon begonnen hat. Das preisen die Märkte zusehends ein, weshalb sich die Talfahrt bei S&P500 und DAX in den nächsten Monaten deutlich beschleunigen dürfte.

Je schneller aber die Fed die US-Wirtschaft mit kräftigen Zinserhöhungen in eine Rezession treiben wird, umso schneller dürfte die Fed trotz der hohen Inflation gezwungen sein, eine Kehrtwende einzuleiten und die Zinsen wieder auf null Prozent zu senken und eine neue, riesige QE-Gelddruckrunde zu starten. Umso mehr Aufwärtsdruck wird der Goldpreis in dem Umfeld haben.

So waren die US-Einzelhandelsumsätze im Mai überraschend um 0,3 % gegenüber dem Vormonat gesunken, wohingegen die allzeit optimistischen Volkswirte einen Anstieg um 0,1 % vorhergesagt hatten. Daraufhin hatte die Fed von Atlanta auf Basis ihres Echtzeitmodells die Prognose für das Wachstum der US-Wirtschaft für das zweite Quartal von annualisiert 0,9 % auf null % eingedampft. Sie lesen richtig: „null Prozent“ (Wachstum), nachdem die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal um annualisiert 1,5 % geschrumpft war. Der annualisierte Wert wird errechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit vier multipliziert.

Fed senkt Wachstumsprognose kräftig

Und was hat dann die Fed nach der Sitzung am vergangenen Mittwochabend, 15. Juni getan? Die Fed hat die Prognose für das Wirtschaftswachstum für das vierte Quartal 2022 auf 1,7 %  gegenüber dem Vorjahr eingedampft, gegenüber zuvor 2,8 %. Die neue Prognose ist allerdings vollkommener Blödsinn!

Damit dieser Wert erreicht würde, müsste die Wirtschaft in den kommenden zwei Quartalen boomen, die Wirtschaft müsste um jeweils annualisiert 4,2 % nach oben schießen, damit die Wirtschaft dann im vierten Quartal um 1,7 % über dem Vorjahresniveau liegen würde. Eine derart bullische Entwicklung ist aber eine reine Erfindung, das sind Fake News! Diesen von der Fed vorhergesagten Konjunkturboom wird es auf keinen Fall geben.

Dennoch hat die Fed die Leitzinsen um 75 Basispunkte (0,75 Prozentpunkte) auf 1,50 bis 1,75 % angehoben – das ist die stärkste Anhebung seit 1994. Obwohl Fed-Chef Jay Powell auf der Pressekonferenz nach der Sitzung so getan hat, als ob die Fed bei der nächsten Sitzung am 27. Juli die Zinsen nicht erneut um 75 Basispunkte, sondern eventuell um „nur“ 50 Basispunkte anheben werde, ist am Markt für Fed Funds-Futures, also Derivate auf den US-Leitzins, eine weitere Erhöhung um 75 Basispunkte eingepreist.

US-Zinsen senden starkes Warnsignal

Umso mehr wächst bei Investoren die Sorge, dass die Fed mit ihren Zinserhöhungen die Wirtschaft in eine Rezession treibt, weshalb die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach der Fed-Sitzung kurzfristig eingebrochen waren, ehe sie wieder etwas gestiegen sind. Gleichzeitig ist der Zinsaufschlag für zehnjährige US-Anleihen gegenüber zweijährigen kollabiert und liegt bei nurmehr 8 Basispunkten, mickrigen 8 Basispunkten. Ich fürchte, dass der Aufschlag innerhalb weniger Tage erneut unter die Nulllinie rutschen wird, womit diese Zinsstrukturkurve wie schon Anfang April erneut invers wäre.

Das ist, wie wenn man Brief und Siegel darauf bekommt, dass eine Rezession kommen wird. Denn in den vergangenen Jahrzehnten ist auf diese inverse Zinsstrukturkurve immer eine Rezession gefolgt, die Frage war nur, wie viele Monate es gedauert hat, bis sie gestartet ist.

Schweizerische Nationalbank und englische Notenbank drehen ebenfalls an der Zinsschraube

Die Zinserhöhungen der Fed zwingen auch andere Notenbanken zum Handeln, wenn sie verhindern möchten, dass deren Währungen gegenüber dem Dollar weiter fallen, was die Inflation in den Ländern anheizt. Daher hat die Schweizerische Nationalbank am Donnerstag 16. Juni die Zinsen um 50 Basispunkte auf minus 0,25 Prozent angehoben. Das hat die Zinsen nicht nur für zehnjährige Schweizerische Anleihen, sondern auch für US-Anleihen nach oben getrieben, was für einen Kurseinbruch bei S&P500, Nasdaq und DAX gesorgt hat.

Am gleichen Tag wenige Stunden später hat dann die englische Notenbank die Zinsen um 25 Basispunkte auf 1,25 Prozent angehoben. Das sorgte ebenfalls für Aufwärtsdruck bei den weltweiten Zinsen und hat damit den Kurseinbruch beschleunigt. Gleichzeitig sind für die nächsten drei Sitzungen Zinserhöhungen um insgesamt 150 Basispunkte eingepreist. Dass in dem Szenario die hochverschuldete englische Wirtschaft zügig in eine Rezession abrutschen dürfte, sollte niemanden überraschen.

S&P500 und DAX sind noch immer viel zu teuer

Um es noch einmal klar zu sagen: Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 15,8 für den S&P500 ist die heraufziehende US-Rezession meiner Meinung nach in keinster Weise eingepreist. Zwar liegt das KGV unter dem Schnitt der vergangenen 10 Jahre von 16,9. Allerdings gab es in dem Zeitraum nur eine Rezession in den USA, von Februar bis April 2020, also zum Beginn der Corona-Pandemie.

Darauf haben die US-Regierungen von Donald Trump und seinem Nachfolger Joe Biden aber innerhalb von 18 Monaten über 3 Konjunkturprogramm insgesamt 5 Billionen Dollar in die Wirtschaft gepumpt – eine horrende Summe, und damit die Inflation massiv angeheizt! Finanziert wurde die Schuldenexplosion durch die Notenpresse der Fed, hat sie doch zwischen Februar 2020 und April 2022 rund 4,8 Billionen US-Dollar gedruckt – Wahnsinn! Damit hat die Fed die von der US-Regierung ausgelöste Inflation zusätzlich massiv angeheizt.

Nun sieht aber das Umfeld völlig anders aus als damals. Diesmal ist keinerlei Konjunkturprogramm in Sicht, während gleichzeitig die Fed mit kräftigen Zinserhöhungen die Wirtschaft in eine Rezession treibt. Dennoch haben die Analysten noch nicht einmal begonnen, die Gewinnschätzungen für das zweite Halbjahr 2022 und vor allem für das Jahr 2023 zu senken. So sind die aktuellen Schätzungen reine Makulatur!

Damit dürften die „Finanzprofis“ aber nach der Vorlage der Quartalszahlen ab Mitte Juli beginnen. Daher ist die tatsächliche Bewertung für den S&P500 noch deutlich höher als sie auf den ersten Blick aussieht. Vor dem Hintergrund gehe ich davon aus, dass sich der Kurseinbruch am US-Aktienmarkt in den nächsten Wochen kräftig ausweiten wird.

Meiner Meinung nach besteht dadurch auch erhebliches Rückschlagspotenzial für den DAX. Zwar liegt das KGV bei „nur“ 12. Allerdings ist ein Bewertungsabschlag um 3,5 bis 4 Prozentpunkte gegenüber dem S&P500 völlig üblich, weil die Gewinnmargen der DAX-Unternehmen deutlich unter jenen aus dem S&P500 liegen. Eine US-Rezession wäre zudem ein denkbar schlechtes Umfeld für den DAX mit seinen zahlreichen Zyklikern, also Unternehmen aus konjunkturabhängigen Sektoren, wie Halbleiter, Chemie, oder Autos.

EZB will Marktkräfte außer Kraft setzen

Nachdem in dem Umfeld die Zinsen für italienische Anleihen nach oben geschossen waren, ist die EZB plötzlich in Panik geraten und hat am Mittwoch, 15. Juni, also nicht einmal eine Woche nach der planmäßigen Sitzung vom Donnerstag, 9. Juni, eine Krisensitzung einberufen. Das Ergebnis: Einerseits will die EZB das Geld aus dem ausgelaufenen PEPP-Anleihenkaufprogramm „flexibel“ reinvestieren.

Im Klartext: Die EZB wird möglichst viel Geld aus alten, auslaufenden italienischen Anleihen, sowie aus Papieren anderer hochverschuldeter Länder, wie Spanien, zulasten von Bundesanleihen verstärkt in italienische reinvestieren, um so für Abwärtsdruck bei den italienischen Zinsen zu sorgen. Damit will die EZB weiterhin verhindern, dass die Marktkräfte wirken und die Zinsen für das hochverschuldete Italien nach oben schießen, womit sich das Land bei der Schuldenaufnahme zurückhalten müsste.

Gleichzeitig sollen die Mitarbeiter der EZB ein neues Programm „zur Bekämpfung der Fragmentierung“ ausarbeiten, also um zu verhindern, dass die Zinsen für italienische Anleihen viel stärker steigen als jene für Bundesanleihen. Welch Irrwitz! Auf der einen Seite will die EZB in den nächsten Monaten die Zinsen homöopathisch erhöhen und damit so tun, als ob man die herbe Inflation von 8,1 Prozent im Euro-Raum ein wenig bekämpfen wolle. Auf der anderen Seite bereitet die EZB ein neues QE-Anleihenkaufprogramm vor – das natürlich einen „tollen“, neuen Namen bekommen wird –, um damit die Zinsen für Italien wieder nach unten zu drücken. Allerdings heizt die EZB über die zusätzliche Liquidität die Inflation an – einfach unglaublich!

In diese Ecke hat sich die EZB durch ihre jahrelangen Strafzinsen und ihr jahrelanges massives Gelddrucken selbst manövriert. Das baden alle Verbraucher und Sparer der Euro-Zone über eine hohe Inflation aus, wobei der Höhepunkt keineswegs in Sicht ist.

Die EZB ist längst zum Albtraum für viele Deutsche geworden und unter Lagarde gibt es keinerlei Hoffnung auf Besserung. Umso wichtiger ist es, physisches Gold zu besitzen, um sich gegen diesen anhaltenden Irrsinn der EZB zu schützen.

Gold bleibt unverzichtbar

Nun gilt es die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen weiter genau zu beobachten. Die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen waren in den vergangenen Monaten allein aufgrund der Verschärfung der Geldpolitik der Fed nach oben geschossen und hatten damit den US-Dollar mit nach oben gezogen, was den Goldpreis gleich von zwei Seiten her belastet hat. In dem Umfeld hat sich die Notierung des Edelmetalls meiner Meinung nach gut gehalten.

Viele Experten gehen davon aus, dass die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen in den nächsten Monaten weiter deutlich steigen könnten. Hinter diese Vorhersage würde ich ein großes Fragezeichen setzen. Wenn die Rezessionssorgen der Investoren weiter rasant zunehmen sollten, wovon ich ausgehe, dürften sie bald in US-Anleihen flüchten, woraufhin die Zinsen für zehnjährige Papiere deutlich nach unten drehen dürften. Damit würde ein wichtiger Belastungsfaktor für den Goldpreis wegfallen, worauf er allmählich nach oben drehen dürfte.

Die mittel- und langfristigen Aussichten für Gold sind ohnehin besser als je zuvor. Meiner Meinung dürfte die Fed innerhalb weniger Monate umschwenken, möglicherweise schon Ende August oder Anfang September, die Zinserhöhungen auf Eis legen und innerhalb weniger Monate oder gar Wochen, die Zinsen massiv senken und ein neues QE-Gelddruckprogramm auflegen. Dann sollte dem allerletzten Investor klar sein, dass die angeblich ach so starke US-Wirtschaft ohne andauernde Liquiditätsspritzen der Fed nicht überleben kann. Umso stärker sollte der Aufwärtsdruck auf den Goldpreis werden. Dann sollten sich die aktuellen Kurse als hervorragende Gelegenheit herausstellen, um die eigenen Bestände an physischem Gold weiter deutlich aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.