Immer neue Nachrichten zu Corona-Wirkstoffen heizen den Höhenflug von S&P 500 und DAX an. Dennoch sind die US-Zinsen zuletzt deutlich nach unten gedreht und deuten damit eine Eintrübung der Konjunkturperspektiven an. Das und ein Blick auf die weltweite Schuldenexplosion machen den Besitz von physischem Gold unverzichtbar.

Die weltweite Börsenparty läuft auf vollen Touren und scheinbar ist kein Ende in Sicht. Der S&P 500 hat trotz der schwersten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren seit Jahresanfang um 10 % zulegt und notiert in der Nähe des Rekordhochs. Das zieht auch den DAX kräftig mit nach oben. Zwar liegt er noch leicht unter dem Stand von Ende 2019, allerdings notiert der Index um lediglich rund 5 % unter dem Spitzenwert vom Februar 2020.

Für Auftrieb sorgten zuletzt Nachrichten der US-Biotechfirma Moderna zu einem möglichen Wirkstoff gegen Corona. Allerdings haben die Börsen darauf deutlich weniger reagiert als am Montag, den 9. November 2020, als Pfizer und das Mainzer Unternehmen BioNTech gegen 13 Uhr deutscher Zeit erstmals sehr erfreuliche Daten zu einem Wirkstoff vorgelegt hatten. Im Gegenzug ist der Goldpreis zuletzt mit rund 1.875 Dollar je Unze in die Nähe des Vier-Monats-Tiefs gesunken. Das macht allerdings kaum Sinn, wie ich Ihnen gleich aufzeigen möchte.

Im Gegensatz zum Aktienmarkt diesseits und jenseits des Atlantiks teilt der US-Anleihenmarkt diese Euphorie allerdings nicht. Vielmehr sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen zuletzt kräftig nach unten gedreht und lagen mit 0,82 % nur noch minimal über dem Stand vom 9. November (13 Uhr) von 0,80 %.

Nach unten gedrückt werden die US-Zinsen von den Neuinfektionszahlen in den USA, die auf immer neue Rekordhochs nach oben schießen und zwischenzeitlich bei knapp 200.000 pro Tag lagen. Damit trüben sich die Perspektiven für die US-Wirtschaft rapide ein, zumal etliche Bundesstaaten ihre Lockdowns verschärft haben, während die Stadt New York Schulen und Restaurants geschlossen hat. Investoren befürchten, dass viele andere Städte dem Beispiel folgen dürften, was die US-Wirtschaft erheblich belasten würde.

Streit zwischen US-Finanzministerium und Fed eskaliert

Gerade zu dem Zeitpunkt hat Finanzminister Steven Mnuchin angekündigt, etliche Hilfsprogramme der Fed, die der Genehmigung durch das Finanzministerium bedürfen, Ende Dezember auslaufen zu lassen. Dabei geht es etwa um Kredite an kleine und mittlere Unternehmen oder um den Aufkauf von Kommunalanleihen, damit sich viele hochverschuldete Städte und Gemeinden trotz ihrer wirtschaftlichen Notlage weiterhin zu extrem niedrigen Zinsen finanzieren können. Zudem solle die Fed die übrig gebliebenen 455 Mrd. Dollar aus den Programmen an das Ministerium überweisen, damit der Kongress die Gelder anderweitig einsetzen könne.

Die Fed hat diese Pläne öffentlich kritisiert – ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang –, treffen sie doch die Wirtschaft zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, zumal am 26. Dezember etliche Programme der Regierung, mit denen sie den Arbeitsmarkt während der Pandemie gestützt hat, auslaufen. Die Folge: Zwar dürfte die Zahl der offiziell Arbeitslosen ab Januar 2021 auf einen Schlag um einige Mio. einbrechen. Allerdings werden die Amerikaner weiter erwerbslos sein. Sie dürften aber keinerlei Transferleistungen vom Staat mehr bekommen, wenn sich der designierte Präsident Joe Biden nicht schnell mit den Republikanern auf neue Zahlungen an die Arbeitslosen einigen sollte. Das erscheint sehr unwahrscheinlich.

Dass das Finanzministerium genau zu dem Zeitpunkt ein Sicherheitsnetz unter der Konjunktur wegzieht, wenn sie zusehends schwächelt, ist keine besonders gute Idee. Vielmehr nimmt die Unsicherheit zu, weshalb Investoren zu Staatsanleihen greifen, woraufhin die Zinsen sinken.

Kursrückgang beim Goldpreis macht keinen Sinn

In dem Umfeld ist der Realzins auf Basis zehnjähriger Inflationsgeschützter US-Anleihen auf minus 0,86 % gesunken und liegt damit sogar etwas unter dem Stand vom Freitag, 6. November (minus 0,82 %), ehe sie am Montag, 9. November, auf minus 0,77 % nach oben geschossen waren. Der Realzins wird berechnet, indem man vom Nominalzins die Inflationsrate abzieht. Von der Zinsseite gibt es also absolut keinen Gegenwind für den Goldpreis.

Gleichzeitig gehen Investoren davon aus, dass je schneller sich die Konjunkturperspektiven eintrüben, die Fed umso schneller und aggressiver reagieren dürfte, sprich das Gelddrucken von aktuell 120 Mrd. Dollar pro Monat aufstocken dürfte. Die Folge: der Dollar ist auf Talfahrt. So ist der Dollar Index, der die Entwicklung des Greenback gegenüber sechs wichtigen Währungen, gerade dem Euro, widerspiegelt auf das niedrigste Niveau seit April 2018 gesunken.

Wieso liegt dann der Goldpreis aktuell unter dem Stand vom 9. November (13 Uhr) von knapp 1.940 Dollar? Schließlich ist der US-Realzins etwas niedriger als damals, während der Dollar in etwa auf dem gleichen Niveau ist. Von diesen zwei Seiten gibt es also absolut keinen Abwärtsdruck auf die Notierung des Edelmetalls.

Und der minimale Anstieg des S&P 500 gegenüber dem Schlusskurs vom 6. November kann wohl kaum der Grund sein für einen Rückgang des Goldpreises um herbe 65 Dollar je Unze gegenüber damals, oder? Daher dürfte die Notierung des Edelmetalls viel schneller nach oben drehen als viele Investoren derzeit erwarten, zumal wenn der Rückgang der US-Zinsen und die Talfahrt des Dollar weitergehen sollten, da die politische Unsicherheit in den USA anhalten dürfte.

Weltweiter Schuldenberg explodiert

Unabhängig vom kurzfristigen Rückgang des Goldpreises spricht vor allem der weltweite Schuldenanstieg für den Besitz von physischem Gold, müssen doch die Notenbanken die Zinsen immer weiter senken und immer mehr Geld drucken, um einen Kollaps des Kartenhauses zu verhindern. Laut dem Institute of International Finance (IIF) sind die weltweiten Schulden in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um umgerechnet mehr als 15 Billionen Dollar auf den Rekord von mehr als 272 Billionen Dollar gestiegen.

Die globale Vereinigung der Finanzinstitute spricht daher zurecht von einem „Schulden-Tsunami“ und sagt zudem vorher, dass der Berg bis zum Jahresende auf 277 Billionen Dollar anschwellen werde. Das wären horrende 365 % der jährlichen weltweiten Wirtschaftsleistung. Das ist das Ergebnis der Politik der führenden Notenbanken Fed, EZB und der japanischen Notenbank, die in den vergangenen Jahrzehnten die Probleme dadurch „gelöst“ haben, indem sie die Zinsen immer weiter gesenkt und so ein gigantisches Schuldenmonster geschaffen haben.

Gleichzeitig warnt das IIF, dass die Schulden bis 2030 auf 360 Billionen Dollar steigen dürften. Das allein wäre schon ein mehr als ausreichender Grund, um weiter kräftig physisches Gold zu kaufen. Laut meiner Berechnung wäre das allerdings nur ein Zuwachs um durchschnittlich 2,6 % pro Jahr – und damit eine sehr optimistische Vorhersage. Schließlich waren die Schulden im Zeitraum zwischen Ende 2006 und Ende 2019 – also vor dem Beginn der Pandemie – um durchschnittlich 4,25 % pro Jahr geklettert.

Sollte diese Rate in den kommenden zehn Jahren ebenfalls erreicht werden, wovon ich ausgehe, stünde der Schuldenberg Ende 2030 laut meiner Rechnung bei horrenden 420 Billionen Dollar. Dass es in dem Umfeld nur noch immer mehr Gelddrucken und immer mehr Strafzinsen geben sollte, sollte jedermann klar sein.

Umso wichtiger ist es, sich von dem jüngsten Kursrückgang des Goldpreises nicht verunsichern zu lassen, sondern ihn vielmehr zu nutzen, um die eigenen Goldbestände weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.