Die Ergebnisse der EZB-Sitzung zeigen, dass die EZB die Rekordinflation weiterhin kaum bekämpfen will. Nach der Erholungsrally an den Aktienmärkten warten Investoren umso gespannter auf die Fed-Sitzung am Mittwochabend. Von ihren Ergebnissen wird abhängen, ob die Party weitergeht.

In den vergangenen Wochen sind S&P500 und DAX stark nach oben geschossen, wodurch sich die Stimmung vieler Anleger erheblich verbessert hat. Grund ist einmal mehr die Hoffnung der Investoren auf eine baldige Kehrtwende der Fed in Richtung langsamerer Zinserhöhungen. Dazu gleich mehr.

Für Rückenwind an den Bösen hat am Dienstag, 1. November die Sitzung der australischen Notenbank gesorgt. Sie hat die Leitzinsen wie erwartet um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) auf 2,85 Prozent angehoben. Das war die zweite Erhöhung in Folge um 25 Basispunkte, nach vier Erhöhungen um jeweils 50 Basispunkte zuvor.

Zudem hat die Notenbank signalisiert, dass sie die Zinsen in den nächsten Monaten weiter in kleinen Trippelschritten anheben will, obwohl die Notenbank die Inflationsprognose angehoben hat. Bis zum Jahresende 2022 solle die Inflationsrate auf rund 8 Prozent steigen und dort ihren Höhepunkt erreichen, zuvor waren die Notenbanker von 7,75 Prozent ausgegangen. Gleichzeitig wurde die Prognose für 2023 auf rund 4,75 Prozent angehoben und jene für 2024 auf etwas mehr als 3 Prozent. Hingegen wurde die Prognose zum Wirtschaftswachstum für die drei Jahre jeweils leicht gesenkt.

Nach diesen Ankündigungen waren die Zinsen für dreijährige australische Anleihen eingebrochen und hatten auch die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen kräftig mit nach unten gezogen. Im Gegenzug hatten Investoren umso kräftiger Aktien aus S&P500, Nasdaq und DAX gekauft, weil bei sinkenden Zinsen Aktien etwas attraktiver werden.

In dem Umfeld hat auch der Goldpreis, der zuvor in der Nähe der 31-Monats-Tiefs lag, einen kleinen Sprung nach oben gemacht. Allerdings hat das Edelmetall anschließend einen Teil der Gewinne wieder abgegeben, nachdem ein paar US-Konjunkturdaten veröffentlicht worden waren, die dafür gesorgt haben, dass die US-Zinsen wieder deutlich nach oben gedreht sind.

US-Arbeitsmarktdaten treiben Zinsen nach oben

So war die Zahl der offenen Stellen in den USA im September auf 10,72 Mio. nach oben geschossen, während jene für August auf 10,28 Mio. nach oben korrigiert worden ist. Hingegen hatten Volkswirte einen Einbruch auf 9,88 Mio. vorhergesagt. Die Daten signalisieren, dass der Arbeitsmarkt weiterhin brummt, weshalb sich die Hoffnung auf eine mögliche Kehrtwende der Fed schnell in Luft aufgelöst hat. Das hat die Party an den Aktienmärkten jedoch nur kurz gedämpft, dazu waren Investoren viel zu sehr in Kaufpanik.

Für mich machen diesen Arbeitsmarktdaten allerdings absolut keinen Sinn, zeigen doch viele andere Zahlen, wie schwach die US-Wirtschaft ist. Ich gehe davon aus, dass diese und etliche andere Arbeitsmarktdaten wenige Wochen nach der Halbzeitwahl am 8. November drastisch nach unten korrigiert werden. Darauf werde ich ganz entspannt warten.

Fed-Sitzung ganz oben auf der Agenda

Umso gespannter warten Investoren auf die Fed-Sitzung am Mittwoch, 2. November. Für viele Investoren ist eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte auf 3,75 bis 4,00 Prozent ausgemachte Sache – das wäre die vierte „Jumbo“-Erhöhung um 75 Basispunkte in Folge und damit die stärkste Verschärfung der Geldpolitik seit Jahrzehnten. Die spannende Frage ist nur, ob Fed-Chef Jay Powell das bisherige Signal der Fed bestätigen wird, demnach es bei der darauffolgenden Sitzung am 14. Dezember eine Erhöhung um „nur“ 50 Basispunkte geben soll.

Damit würde das Ausmaß der Zinserhöhungen etwas nachlassen, diese Hoffnung hat in den vergangenen Wochen für Euphorie an den Märkten gesorgt. Diese Euphorie kann ich allerdings kaum nachvollziehen, sind doch meiner Meinung nach die Aussichten für die US- und die Weltwirtschaft so schlecht wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Meiner Meinung nach zieht in den USA eine Rezession mit großen Schritten herauf, wobei die oppositionellen Republikaner bei einem möglichen Wahlsieg am 8. November alles in ihrer Macht stehende tun sollten, um eine Konjunkturbelebung unter Präsident Joe Biden und seinen Demokraten zu verhindern und so die Wahlchancen der Republikaner für die Wahlen im November 2024 zu verbessern.

S&P500 ist hoffnungslos überbewertet

Gleichzeitig will die Fed die horrend verschuldete Wirtschaft im Dezember 2022 mit einer weiteren Zinserhöhung belasten. Wie kann das den positiv sein für den S&P500 und damit den DAX? Meiner Meinung nach überhaupt nicht, es sei denn, die Investoren spekulieren, dass die Fed innerhalb weniger Monate auf massive Zinssenkungen umschwenken und zum QE-Gelddrucken zurückkehren wird. Nur vor dem Hintergrund dieser „Kehrtwende“ würde die jüngste Party an den Aktienmärkten irgendeinen Sinn machen.

Das Problem dabei: Im Umfeld einer weltweiten Rezession dürften die Gewinne der S&P500-Unternehmen im kommenden Jahr auf bestenfalls 200 Indexpunkte sinken – im Falle einer schweren Rezession könnte es deutlich weniger sein. Bei einem Indexstand von rund 3.860 Punkten wäre der S&P500 also mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19,3 bewertet – das ist ein astronomischer Wert!

Das ist praktisch die gleiche Bewertung wie Anfang 2022 – nur dass damals auf den ersten Blick alles rosig ausgesehen hat. Damals lag der Leitzins in den USA bei 0 bis 0,25 Prozent, während der Ukraine-Krieg noch nicht begonnen hatte. Derzeit ist das Umfeld aber völlig anders, die Inflation ist viel höher, nicht zuletzt aufgrund der Explosion der Energiepreise. Vor dem Hintergrund macht die horrende Bewertung des S&P500 absolut keinen Sinn, der US-Aktienmarkt ist hoffnungslos überbewertet und die Rally der vergangenen Wochen ist meiner Meinung nach reine Spekulation.

Umso mehr kommt es darauf an, was Powell bei der Pressekonferenz nach der Fed-Sitzung signalisieren wird. Sollte er sich taubenhaft geben, also andeuten, dass es im Dezember eine Erhöhung um „nur“ 50 Basispunkte geben wird und die Erhöhungen Anfang 2023 schnell auslaufen sollten, könnte die Erholung an den Börsen weitergehen, obwohl die Blase beim S&P500 weiterhin gewaltig ist. Sollte Powell hingegen signalisieren, dass die Fed in den nächsten Monaten die Zinsen weiter kräftig anheben will, könnte schnell deutlich Luft aus dem S&P500 entweichen, was zwangsläufig auch den DAX mit nach unten reißen würde.

EZB will Inflation weiterhin kaum bekämpfen

Während die Fed wenigstens so tut, als wolle sie die Inflation bekämpfen – dazu müsste allerdings der Leitzins über der Inflationsrate liegen -, geht die EZB weiterhin extrem zaghaft voran. Zwar hat sie bei der Sitzung am 27. Oktober den Leitzins um 75 Basispunkte auf 2,0 Prozent angehoben, während jener für die Einlagenzinsen der Banken um 75 Basispunkte auf 1,5 Prozent angehoben worden ist. Damit kann man aber eine Rekordinflation für die Euro-Zone von 10,7 Prozent für Oktober in keiner Weise bekämpfen.

Zwar hat EZB-Chefin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach der Sitzung angekündigt, dass die EZB die Zinsen weiter anheben will, die Höhe hänge jedoch von den jeweiligen Konjunktur- und Inflationsdaten ab. Im Klartext: Wenn viele Konjunkturdaten in den nächsten Monaten schnell eine höchst wahrscheinliche Rezession widerspiegeln sollte, dürften die Zinserhöhungen – trotz anhaltend hoher Inflation – nach ein paar kleinen Schritten nach oben schnell auslaufen. Und dann müssen Verbraucher und Sparer selbst sehen, wie sie in dem Umfeld hoher Inflation, das gerade von dem massiven Gelddrucken der Notenbanken geschaffen worden ist – womit beispielsweise die Fed US-Konjunkturprogramme im Volumen von insgesamt fünf Billionen Dollar finanziert hat -, zurechtkommen.

Lagarde wird meiner Meinung nach weiterhin kaum etwas tun, um den herben Kaufkraftverlust zu bekämpfen. Das ist leider die bittere Realität! Sollte die EZB irgendwann mit dem Abbau ihrer astronomischen Bilanzsumme von 8,8 Billionen Euro beginnen – also alte Anleihen auslaufen lassen, ohne das Geld in neue zu reinvestieren – , dürften die Zinsen für zehnjährige italienische Anleihen, die zuletzt auf 4,3 % gestiegen waren, nach oben schießen, womit die Sorgen vor einer Schuldenkrise in Italien zurückkehren würden. Das kann die EZB unter keinen Umständen zulassen, womit sämtliche Verbraucher und Sparer weiterhin den Preis für die irrwitzige Politik der EZB bezahlen müssen. Aus dieser Politik gibt es leider keinen Ausweg!

Vor dem Hintergrund ist meiner Meinung nach der Besitz von physischem Gold unverzichtbar, zumal die Talfahrt des Euro gegenüber dem Dollar jederzeit weitergehen könnte. Ehrlich gestanden weiß ich nicht, wo der Goldpreis auf Dollar-Basis einen Boden finden könnte. Vor dem Hintergrund der enormen Risiken bezüglich der Weltwirtschaft, als auch an den Aktien-, Anleihen-, Immobilien- und Rohstoffmärkten halte ich es aber für vernünftig, die Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken. Es sollte in einem Krisenumfeld ein hervorragender Schutz vor hoher Inflation sein und damit Ihre Kaufkraft weiter erhalten.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.