Die jüngsten US-Daten deuten darauf hin, dass sich die Wirtschaft stark abgekühlt hat. Umso bemerkenswerter ist es, dass die US-Zinsen bislang nicht eingebrochen sind.

Die Aktienmärkte diesseits und jenseits des Atlantiks sind weiter auf Höhenflug. Für Rückenwind hat am vergangenen Freitagfrüh, 2. Juni eine Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg gesorgt, demnach die chinesische Regierung über die Einführung neuer Maßnahmen zur Ankurbelung des Immobilienmarktes nachdenkt.

Denkbar seien geringere Anzahlungen beim Immobilienkauf, oder die Senkung der Grunderwerbsteuer oder der Maklergebühren. So wolle China den Immobilienmarkt und damit auch die Wirtschaft insgesamt ankurbeln. Diese Hoffnung hat auch die Indizes DAX und Dow Jones mit ihren vielen Zyklikern, also Unternehmen aus konjunkturabhängigen Sektoren, nach oben getrieben.

Die zweite Stufe der Rakete an den Aktienmärkten hat wenige Stunden später am Freitagnachmittag gezündet, als um 14.30 Uhr der US-Arbeitsmarktbericht veröffentlicht worden ist. Er war auf den ersten Blick deutlich besser ausgefallen als erwartet, woraufhin die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen deutlich gestiegen sind. Das hat auch den Dollar etwas mit nach oben gezogen, womit der Goldpreis gleich von zwei Seiten Gegenwind hatte und eingeknickt war.
US-Arbeitsmarkt ist bei Weitem nicht so stark wie er aussieht.

Weshalb die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach der Veröffentlichung des US-Arbeitsmarktberichts geklettert sind, ist mir allerdings völlig unerklärlich, wie ich anhand einiger einfacher Zahlen zeigen werde. Zwar sollen im Mai laut den offiziellen Zahlen 339.000 Jobs geschaffen worden sein, was deutlich über den Schätzungen der Volkswirte von 195.000 lag.

Allerdings sollen allein 231.000 Jobs aufgrund des sogenannten „Birth-Death“-Modells entstanden sein. Dabei schätzen die Mitarbeiter des Arbeitsministeriums wie viele Jobs aufgrund der Gründung neuer Unternehmen geschaffen, bzw. der Geschäftsaufgabe alter Firmen vernichtet worden sein könnten.

Viele dieser Arbeitsplätze sind meiner Meinung nach allerdings nur in einem Excel-Sheet entstanden, diese Jobs gibt es vor dem Hintergrund der schwachen Konjunktur (dazu gleich mehr) gar nicht. Diese Jobs sind Fake News!

Im Gegensatz zur sogenannten „Unternehmensumfrage“, also der Umfrage bei Unternehmen, die 339.000 Jobs ergeben hat, schaue ich lieber auf die sogenannte „Haushaltsumfrage“, also jene bei den privaten Haushalten, also bei Arbeitnehmern und Arbeitslosen. Demnach ist die Zahl der Beschäftigten im Mai um 310.000 gesunken, während die Zahl der Arbeitslosen um 440.000 gestiegen ist. Diese Daten zeigen doch ein völlig anderes Bild als die 339.000, die überall in den Massenmedien verbreitet und entsprechend gefeiert worden sind, oder?

Einkaufsmanagerindizes schüren Rezessionssorgen

Wie schlecht es der US-Wirtschaft tatsächlich geht, zeigen meiner Meinung nach die Einkaufsmanagerindizes für die Industrie und den Dienstleistungssektor, die jeweils das Institute for Supply Management (ISM) veröffentlicht.

Demnach ist der Index für die Industrie im Mai leicht gesunken von 47,1 auf 46,9 Punkte. Damit liegt das Barometer den siebten Monat in Folge unterhalb der Marke von 50 Punkten, was jeweils ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung in dem Sektor signalisiert. Besorgniserregend ist zudem, dass die Komponente mit den Auftragseingängen im Mai von 45,7 auf 42,6 Punkten eingebrochen ist.

Zudem ist der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor im Mai von 51,9 auf nurmehr 50,3 Punkte gesunken und zeigt damit nur noch ein minimales Wachstum in dem Sektor an. Das Bedenkliche an dem Index: Die Beschäftigungskomponente ist von 50,8 auf 49,2 Punkte zurückgegangen und signalisiert als Wert unterhalb der 50er-Marke damit einen Abbau der Beschäftigung im Dienstleistungssektor, der rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung der USA ausmacht. Dass derartige Zahlen das Misstrauen gegenüber dem Arbeitsmarktbericht schüren, sollte jedermann klar sein.

Ich habe in den vergangenen Monaten zahllose Male gesagt und geschrieben, dass die Talfahrt des Einkaufsmanagerindex für die Industrie jenen für den Dienstleistungssektor innerhalb weniger Monate mit nach unten reißen wird und damit eine Rezession anzeigen wird. Diese Einschätzung bekräftige ich hier noch einmal ausdrücklich.

Nach der Veröffentlichung des Index für den Dienstleistungssektor waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen kurz eingebrochen, woraufhin der Goldpreis sich erholt hat und aktuell bei Kursen von knapp über 1.960 Dollar je Unze liegt.

Wie geht es weiter beim Dollar?

Das Problem ist, dass die Daten aus der Euro-Zone und gerade aus Deutschland noch schlechter sind wie jene aus den USA, was den Euro gegenüber dem Dollar nach unten drückt. Im Gegenzug belastet der steigende Dollar leider den Goldpreis.

So war der Auftragseingang für die deutsche Industrie im April überraschend um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken, nachdem im März noch ein Einbruch um 10,9 Prozent zum Vormonat zu Buche gestanden war. Hingegen hatten Volkswirte für April einen Anstieg um 3,7 Prozent vorhergesagt.
Woher der Optimismus der Experten kommt, ist mir völlig unerklärlich. Wie sollen sich denn die Orders für die deutsche Industrie erholen, wenn die chinesische Wirtschaft schwach ist und jene der USA zügig auf eine Rezession zusteuert, oder bereits darin sein könnte? Wie soll das gehen?

Wenigstens gehen die Inflationsraten in Deutschland und der Eurozone schneller zurück als erwartet, dennoch gibt es absolut keinen Grund zur Entwarnung. So ist die Inflationsrate in Deutschland von April auf Mai von 7,2 auf 6,1 Prozent gesunken und lag damit unter den Erwartungen von 6,5 Prozent.

Zudem ist die Rate für die Eurozone von 7,0 auf 6,1 Prozent zurückgegangen und lag damit ebenfalls unter den Schätzungen (6,4 Prozent). Außerdem ist die Kernrate, also bereinigt um Nahrungsmittel und Energie, von 5,6 auf 5,3 Prozent gesunken. Damit liegt sie allerdings noch meilenweit über dem Inflationsziel der EZB von 2 Prozent.

Etliche Experten gehen daher davon aus, dass die EZB bei der nächsten Sitzung am 15. Juni den Leitzins erneut um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) anheben wird auf dann 4,0 Prozent. Damit läge er aber weiterhin meilenweit unter der Inflationsrate (6,1 Prozent), weshalb es weiterhin einen negativen Realzins gibt und die Inflation somit weiterhin nicht bekämpft wird. Beim Realzins zieht man vom Nominalzins die Inflationsrate ab.

Warten auf die Fed-Sitzung

Einen Tag vor der EZB-Sitzung gibt die Fed am Mittwoch, 14. Juni die Ergebnisse ihrer Sitzung bekannt. Nachdem Fed-Chef Jay Powell bei der bislang letzten Sitzung am 3. Mai klar signalisiert hat, dass die Fed im Juni den Leitzins stabil halten will, sind ihr am nächsten Mittwoch eigentlich die Hände gebunden.
Allerdings spekulieren viele Investoren zusehends, dass es sich im Juni nur um eine „Zinspause“ handelt und die Fed bei der darauffolgenden Sitzung am 26. Juli mit ihren Zinserhöhungen weitermachen könnte. Ich bin mal gespannt, wie Powell am nächsten Mittwoch erklären wird, warum die Fed nach einer möglichen Zinspause im Juni bei der Juli-Sitzung trotz zunehmender Rezessionssignale plötzlich die Zinserhöhungen fortsetzen will.

Klar kann man auf den ersten Blick argumentieren, dass die Inflation hartnäckiger ist als erwartet. Allerdings ist auch klar, dass in einem Rezessionsumfeld die Inflation schneller zurückgehen dürfte als in einem normalen Konjunkturumfeld, weshalb dann keine Zinserhöhungen mehr nötig wären.

Ich bin gespannt zu sehen, wie Powell und seine Kollegen sich winden werden, um ihr weiteres Vorgehen zu erläutern.

Trotz der jüngsten kleinen Berg- und Talfahrt bei Gold bleiben die mittel- und langfristigen Aussichten für das Edelmetall hervorragend. Ich bin mal gespannt, ob und wie lange die Fed noch mit möglichen Zinserhöhungen weitermachen wird, wenn nach den Einkaufsmanagerindizes bald auch viele andere US-Konjunkturdaten, gerade die Einzelhandelsumsätze, auf eine Rezession hindeuten sollten, oder wenn die Inflationsraten deutlich schneller zurückgehen sollten als erwartet.

Meiner Meinung nach sind die aktuellen Preise eine hervorragende Gelegenheit, um die Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken. Manche Anleger könnten überrascht werden, wie schnell der Goldpreis, sowohl auf Dollar- als auch auf Euro-Basis auf neue Rekordhochs steigen könnte.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.