Nach der Vorlage der US-Inflationsdaten hat die Rally bei S&P 500 und DAX neue Nahrung bekommen. Die Euphorie konnte selbst der Einschlag zweier Raketen in Polen nur sehr kurz dämpfen.

Die Stimmung vieler Aktionäre wird immer besser. Für Rückenwind haben vor allem die US-Inflationsdaten gesorgt, die am vergangenen Donnerstag, 10. November veröffentlicht worden sind. Sie waren deutlich besser als erwartet, woraufhin Investoren einmal mehr auf eine baldige „Zinspause“ der Fed spekuliert haben und die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eingebrochen sind. Im Gegenzug sind S&P 500, Nasdaq und DAX nach oben geschossen.

So waren die Verbraucherpreise in den USA im Oktober um „nur“ 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, während Volkswirte einen Rückgang auf 7,9 Prozent vorhergesagt hatten, nach 8,2 Prozent für September. Der Oktober-Wert war damit der niedrigste seit Januar.

Für geradezu Euphorie bei Anlegern hat zudem gesorgt, dass die Kernrate, also die um Nahrungsmittel und Energie bereinigten Verbraucherpreise, im Oktober auf 6,3 Prozent zurückgegangen ist, gegenüber dem 40-Jahres-Hoch von 6,6 Prozent für September. Das war deutlich besser als jene 6,5 Prozent, die Volkswirte für Oktober prognostiziert hatten. Der Einbruch der US-Zinsen hat auch den Dollar kräftig mit nach unten gezogen, woraufhin der Goldpreis gleich von zwei Seiten Rückenwind hatte.

Nachrichten aus China treiben Aktienmärkte weiter nach oben

Für zusätzlichen Rückenwind an den Aktienmärkten haben anschließend die News aus China gesorgt. Zuerst hat das Land die Corona-Lockdowns etwas gelockert. So sinkt beispielsweise die Quarantänezeit für Einreisende aus dem Ausland von 10 auf 8 Tage. Anschließend hat das Land einen 16-Punkte-Plan zur Ankurbelung des stark kriselnden Immobilienmarktes aufgelegt. Die Hoffnung auf eine Konjunkturbelebung in China und damit der Weltwirtschaft hat gerade den DAX mit seinen zahlreichen Unternehmen, die deutlich vom China-Geschäft abhängen, wie Volkswagen und BASF, noch weiter nach oben getrieben.

Zuletzt sorgten dann die Nachrichten aus den USA für neuen Auftrieb an den Aktienmärkten und bei Gold. So waren die am Dienstag, 15. November vorgelegten Erzeugerpreise, als jene Preise, die die Unternehmen untereinander weitergeben, besser als erwartet, woraufhin Investoren erneute auf eine „Zinspause“ der Fed spekuliert haben.

So waren die Erzeugerpreise im Oktober um „nur“ 8,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, das war das niedrigste Niveau seit Juli 2021, nach 8,4 Prozent für September 2022. Der Oktober-Wert lag damit deutlich unter den Schätzungen der Volkswirte von 8,3 Prozent. Investoren setzen darauf, dass die langsamer als erwartet steigenden Erzeugerpreise eher früher als später die Verbraucherpreise weiter nach unten drücken und damit die Inflationsrate weiter dämpfen werden. Die sinkenden US-Zinsen haben den Dollar etwas weiter belastet, woraufhin die Erholung beim Goldpreis noch etwas weitergegangen ist.

Raketen schlagen in Polen ein

Für kurze Verunsicherung bei Investoren hat hingegen Dienstagabend die Meldung gesorgt, demnach zwei Raketen im NATO-Land Polen eingeschlagen und dabei zwei Menschen gestorben sind. Daraufhin hatten S&P500 und DAX anfänglich nachgegeben, gab es doch Spekulationen, demnach die Raketen aus Russland abgefeuert worden seien. Allerdings sind die Märkte schnell wieder nach oben gedreht, als es Meldungen gab, dass es sich um Abwehrraketen der Ukraine handeln könne.

Aber zurück zu den Aktienmärkten und Gold. Während viele Investoren auf eine baldige „Zinspause“ der Fed spekulieren und dabei kräftig Aktien kaufen, ignorieren viele Investoren, warum die Fed bald eine „Zinspause“ einlegen dürfte. Das dürfte die US-Notenbank vor allem aus einem Grund tun: Nein, nicht weil die Inflationsrate in den nächsten Monaten deutlich sinken dürfte, weil sie selbst dann immer noch weit über den Leitzinsen liegen würde und damit die Inflation nicht bekämpft, sondern weiter angeheizt würde. Die Inflation wird es dann richtig bekämpft, wenn die Leitzinsen oberhalb der Inflationsrate liegen.

Sondern, weil die hochverschuldete US-Wirtschaft derart hohe Zinsen über einen längeren Zeitraum in keiner Weise verkraften kann und meiner Meinung nach eine Rezession mit großen Schritten heraufzieht. Zinsen von aktuell 7,3 Prozent für 30-jährige Hypothekenkredite belasten den Immobilienmarkt sehr und haben dafür gesorgt, dass die Preise plötzlich nach unten gedreht sind.

Ich bin mal gespannt, wann die hohen Zinsen in vielen anderen Bereichen für enorme Probleme sorgen werden, wie im Autosektor. Zur Erinnerung: Der Absatz von Pkw, SUVs, Trucks und Pick-Ups lag im Oktober mit einer Jahresrate von 14,9 Mio. Einheiten nur minimal über dem Stand vom Oktober 1977 (14,5 Mio. Einheiten), also praktisch auf dem gleichen Niveau wie vor 45 Jahren! Und das, obwohl die Zahl der Amerikaner seit damals um 112,3 Mio. auf 333,3 Mio. geklettert ist!

Ob das nur an dem Chip- bzw. Materialmangel liegt, wage ich sehr zu bezweifeln. Vielmehr dürften die stark gestiegenen Preise die Nachfrage erheblich dämpfen. Daher gehe ich davon aus, dass bei anhaltend hohen Zinsen der Automarkt in den nächsten Monaten einbrechen sollte, womit der Gegenwind für die Konjunktur weiter zunehmen würde.

Gewinnschätzungen sollten kollabieren

Dass ein Rezessionsumfeld kein gutes Umfeld für Aktien sein dürfte, sollte jedermann klar sein. Denn in dem Szenario dürften die Gewinnschätzungen für S&P 500 und DAX kollabieren, was die Aktienmärkte erheblich belasten sollte. Zur Erinnerung: in den vergangenen 50 Jahren kam es im Umfeld einer US-Rezession zu einem Einbruch am Aktienmarkt, NACHDEM die Fed begonnen hat die Zinsen zu senken, weil die Gewinne der Unternehmen kollabiert sind.

Genau so sollte es auch diesmal laufen. Wenn es so kommt wie ich befürchte, könnten S&P 500 und DAX im Frühjahr 2023 durchaus auf neue Tiefs sinken. Dann droht einmal mehr ein kräftiger Kater nach der heftigen Party!

Ein Umfeld kräftiger Zinssenkungen der Fed, wahrscheinlich erneut auf null Prozent, und möglicherweise der Start eines neuen, massiven QE-Gelddruckprogramms – trotz hoher Inflationsraten – sollte hingegen den Goldpreis umso stärker beflügeln. Dann werden jene Gold-Fans profitieren, die die meiner Meinung nach aktuell niedrigen Kurse jetzt nutzen, um ihre Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.