Die türkische Lira kollabiert von einem Rekordtief zum nächsten. Investoren befürchten, dass die dortige Krise über die Banken auch die Euro-Zone infizieren dürfte. Bemerkenswerterweise ist der Goldpreis trotz dieser Risiken auf das tiefste Niveau seit März 2017 gesunken.

Einen „schwarzen Freitag“ hat die türkische Lira am vergangenen Freitag erlebt. An dem Tag war die Währung um rund 15 Prozent gegenüber dem Dollar eingebrochen, nachdem die USA die Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei jeweils verdoppelt hatte. Damit taumelt die Lira von einem Rekordtief zum nächsten. Seit Jahresanfang hat die Währung am mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Die Investoren reagieren damit auf die Politik der türkischen Notenbank, die auf Druck von Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Leitzinsen nicht erhöht, obwohl die Inflation zuletzt auf 15,85 Prozent gestiegen ist – das ist der höchste Wert seit Januar 2004. Gleichzeitig sind die Zinsen für zehnjährige Anleihen auf das Rekordhoch von 20,7 Prozent nach oben geschossen. Experten gehen davon aus, dass wegen des Verfalls der Lira die Inflation in den nächsten Monaten Richtung 20 Prozent klettern dürfte.

Erdogan hat in einer Rede gesagt, die Türken sollten sich „keine Sorgen machen“ und die Bürger aufgefordert, ihre Dollar, Euro und Gold bei Banken in Lira zu tauschen. Warum sollte man allerdings sowas machen, wenn die Lira praktisch jeden Tag an Wert verliert? Die Analysten etlicher Banken haben klar gesagt was notwendig wäre, um die Lage zu stabilisieren: Die Analysten der UBS schrieben, dass die Leitzinsen von zuletzt 17,75 Prozent um 350 bis 400 Basispunkte (3,5 bis 4,0 Prozentpunkte) angehoben werden müssten, also auf 21,25 bis 21,75 Prozent. Was noch höhere Zinsen allerdings mit einer Volkswirtschaft machen würden, die ohnehin stark unter der hohen Inflation leidet, kann sich jeder selbst ausmalen. Die Experten der Société Générale haben sogar eine Anhebung von 600 Basispunkten ins Spiel gebracht, jene von Fidelity sogar von 1.000 Basispunkten.

Europäische Banken kommen in die Bredouille

Das Problem ist, dass der Kollaps der Lira gegenüber Dollar und Euro die türkischen Gläubiger, vor allem die Banken, enorm in die Bredouille bringt. Denn sie müssen viel mehr Lira aufwänden, um ihre Dollar- und Euro-Kredite bedienen zu können. Laut einem Medienbericht sei daher die EZB besorgt, dass die türkischen Banken nicht ausreichend gegen einen Verfall der Lira abgesichert sein könnten, weshalb es zu Kreditausfällen bei Dollar- und Euro-Krediten kommen könnte, die fast 40 Prozent der Bilanzsumme der türkischen Banken ausmachen – ein horrender Wert.

Verschärft wird das Problem dadurch, dass etliche Banken aus der Euro-Zone, wie die spanische BBVA, ein bedeutendes Türkei-Geschäft haben und damit mit in den Abwärtsstrudel gerissen werden könnten. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) haben spanische Banken und ihre Töchter Kredite von 83,3 Mrd. Dollar an türkische Gläubiger vergeben, französische Banken von 38,4 Mrd. Dollar und italienische von 17 Mrd. Dollar. Insgesamt sind die Dollar-Kredite seit 2006 von 36 Mrd. Dollar auf horrende 148 Mrd. Dollar explodiert, hinzu kommen Euro-Kredite von 110 Mrd. Euro. Die Zahlen machen auf einen Blick klar, wie enorm die Risiken sind, weshalb der Branchenindex Euro Stoxx Banks in die Nähe des niedrigsten Niveaus seit Dezember 2016 eingebrochen ist.

Euro bricht auf 52-Wochen-Tief ein

Diese Sorge hat den DAX und den Euro am Freitag erheblich belastet, zumal auch die Währungen etlicher anderer Länder aus den Emerging Markets kräftig auf Talfahrt sind, wie der argentinische Peso, der südafrikanische Rand oder der brasilianische Real. Weil die türkische Lira kollabiert ist, verschlechtern sich die Exportchancen der deutschen Unternehmen massiv, weil plötzlich die deutschen Produkte in der Türkei viel, viel teurer sind als vorher. In dem Umfeld ist der Euro auf ein 52-Wochen-Tief gegenüber dem Dollar eingebrochen. In den anderen Ländern der Emerging Markets werden deutsche Produkte ebenfalls deutlich teurer.

Goldpreis rutscht auf 17-Monats-Tief ab

Und was macht der Goldpreis in dem Umfeld? Er ist auf das tiefste Niveau seit März 2017 abgerutscht. Zwar hat der S&P500 trotz des sich deutlich eintrübenden Umfelds für die Weltwirtschaft leicht nachgegeben. Dennoch notiert er nur knapp unter dem Rekordhoch. Offenbar glauben viele Investoren, dass der US-Aktienmarkt wie schon in den vergangenen knapp zehn Jahren auch diesmal bei den kleinsten Krisenanzeichen von der US-Notenbank herausgehauen werden wird. Da sind viele Investoren der Überzeugung, dass sie kein Gold zur Absicherung brauchen, zumal der Dollar kräftig steigt.

Die Frage ist allerdings, wie lange das noch der Fall sein wird. Denn Trump hat wiederholt klar gemacht, dass er einen schwachen Dollar anstrebt, weil sich bei einem steigenden Dollar die Exportchancen der US-Unternehmen verschlechtern, da US-Produkte im Ausland teurer werden. Nach der kräftigen Aufwertung des Greenback dürfte es nicht lange dauern, bis Trump per Tweet einen Rückgang des Dollar fordert, woraufhin die Investoren am Währungsmarkt mit Dollar-Verkäufen reagieren dürften.

US-Zinsen legen den Rückwärtsgang ein

Das sich die Perspektiven für die US-Wirtschaft nicht zuletzt wegen der Krise in der Türkei im Speziellen und in den Emerging Markets im Allgemeinen eintrüben, zeigen die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen unmissverständlich. Sie sind auf knapp 2,9 Prozent gesunken. Damit liegen sie auf dem gleichen Niveau wie Mitte Februar, obwohl die US-Notenbank die Leitzinsen seit damals zwei Mal um insgesamt 50 Basispunkte angehoben hat. Wenn es der US-Wirtschaft so gut ginge, wie Trump und die Fed regelmäßig behaupten, wären die Zinsen für zehnjährige Anleihen um mindestens 50 Basispunkte gestiegen. Dass sie das nicht getan haben, spricht Bände. Entgegen der Erwartung vieler Experten dürfen die Zinsen in den nächsten Monaten sinken.

Die Spekulanten am Futures-Markt spekulieren dennoch mit viel mehr Geld als je zuvor darauf, dass die Talfahrt des Goldpreises weitergeht. Das ist allerdings eine ziemlich riskante Wette. Sollte der US-Aktienmarkt plötzlich deutlich nach unten drehen, während Trump den Dollar nach unten redet, könnte es zu einer kräftigen Erholung des Goldpreises kommen.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.