Die US-Notenbank hat signalisiert, dass es bis Ende 2022 keine Zinserhöhungen geben dürfte. Wenngleich das viele Investoren ohnehin erwartet hatten, dürfte sie vor allem eine Sache besonders beunruhigt haben. Kein Wunder, dass der Goldpreis einen Kurssprung in Richtung des Siebeneinhalb-Jahreshochs gemacht hat.

Manchmal kommt es anders, als man denkt: Nachdem der US-Aktienmarkt in den vergangenen Monaten einzig und allein wegen des massiven Gelddruckens der Fed in die Nähe des Rekordhochs nach oben geschossen war, hatten viele Investoren erwartet, dass die Fed-Sitzung am Mittwoch, den 10. Juni 2020, ziemlich entspannt verlaufen und keine großen Überraschungen bringen würde. Dann lief es allerdings ganz anders, als viele Investoren erwartet hatten, woraufhin DAX, S&P 500 und die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eingebrochen sind. Im Gegenzug hat der Goldpreis einen Kurshüpfer nach oben gemacht. Die Notierung des Edelmetalls dürfte schon bald die Siebeneinhalb-Jahreshochs in Angriff nehmen.

V-förmige Erholung der US-Wirtschaft ist extrem unwahrscheinlich

Nachdem sich die Fed bei der auf den 15. März vorgezogenen Notfallsitzung wegen der Corona-Pandemie noch um eine Veröffentlichung des Ausblicks gedrückt hatte, musste die Fed diesmal in den sauren Apfel beißen. Die Prognosen sehen alles andere als schön aus.

Demnach soll die Wirtschaft im laufenden Jahr um 6,5 % einbrechen, hingegen im kommenden Jahr um 5,0 % wachsen. Viele Experten bezweifeln aber, dass es zu einem derart starken Konjunkturaufschwung kommen könnte, wie letztmals die Rezession in den Jahren 2008/09 klar gezeigt hat. Damals hatte sich die US-Wirtschaft viel langsamer erholt, als Experten vorhergesagt hatten, weil es zu zahlreichen Pleiten bei Unternehmen und privaten Haushalten gekommen war, woraufhin letztere ihren Konsum deutlich eingeschränkt hatten.

Da diesmal der Wirtschaftseinbruch viel größer sein wird als 2009 (minus 2,5 %), dürfte es trotz der billionenschweren Konjunkturprogramme der Regierung und der massiven Rettungsprogramme der Fed viel mehr Insolvenzen als damals geben, weshalb die Konjunkturbelebung nur schwach ausfallen dürfte – obwohl Trump im Wahlkampf vor der Wahl im November ständig von einem bevorstehenden Konjunkturboom fantasiert. Um es noch einmal klar zu sagen: Es wird keine V-förmige Erholung der US-Wirtschaft geben.

Fed hat keinerlei Ahnung über die weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt

Diese Unsicherheit spiegelt die Prognose der Fed-Mitglieder zur Arbeitslosenquote klar wider. Sie soll im laufenden Jahr auf 9,3 % nach oben schießen, wobei die Schätzungen der Fed-Mitglieder zwischen 7,0 und 14,0 % liegen. Mit anderen Worten: Die Fed hat absolut keine Ahnung, wo die Quote liegen dürfte.

Damit ist zumindest ein Mitglied der Überzeugung, dass die Quote im Gesamtjahr höher liegen werde als im Monat Mai, als sie von 14,7 auf 13,3 % gesunken war. Damit liegt der Schnitt für die ersten fünf Monate bei 7,9 %. Für das kommende Jahr liegt die Spanne zwischen 4,5 und 12,0 %.

Fed signalisiert Nullzinsen bis Ende 2022

Obwohl die Fed für 2021 ein Wirtschaftswachstum von stattlichen 5,0 % prognostiziert, sollen die Leitzinsen selbst im Gesamtjahr 2022 weiterhin auf dem aktuellen Niveau von 0 bis 0,25 % liegen, womit es bei Ende 2022 keine Zinserhöhung geben würde. Das sollte allerdings viele Investoren kaum überrascht haben, hatten sie das doch ohnehin erwartet. „Wir denken nicht einmal daran, über Zinserhöhungen nachzudenken“, sagte Fed-Chef Jay Powell auf der Pressekonferenz unmissverständlich.

Ich habe in den vergangenen Monaten und Quartalen wiederholt geschrieben, dass es soweit das Auge reicht keine Zinserhöhungen geben wird, weil das die hochverschuldete US-Wirtschaft massiv belasten würde. Denn steigende Zinsen für Staatsanleihen würden auch die Zinsen für Kredite für Unternehmen und private Haushalte nach oben treiben, woraufhin es verstärkt zu Zahlungsausfällen kommen würde. Vielmehr bin ich weiterhin der Überzeugung, dass die Fed bei den kleinsten Krisenanzeichen Strafzinsen einführen wird.

Größte Geldschwemme aller Zeiten geht weiter

Zudem hat die Fed angekündigt, dass sie die Anleihekäufe erst einmal auf dem aktuellen Niveau belassen und monatlich für 80 Mrd. Dollar Staats- und für 40 Mrd. Dollar Hypothekenanleihen erwerben werde. Nachdem die Fed am 23. März unbegrenztes Gelddrucken angekündigt hatte, haben Investoren nun eine Vorstellung, wie es genau aussehen soll: Insgesamt 120 Mrd. Dollar pro Monat bedeuten horrende 1,44 Billionen Dollar auf das Jahr hochgerechnet.

Das ist das gigantischste Gelddrucken aller Zeiten. Damit entwertet die Fed den Dollar immer weiter, womit der Goldpreis zwangsläufig Auftrieb bekommt, zumal der Greenback auf Talfahrt ist. So ist der Dollar Index in die Nähe des niedrigsten Niveaus seit Januar 2019 gesunken. Der Index spiegelt die Entwicklung des Greenback gegenüber sechs wichtigen Währungen, vor allem dem Euro, wider.

Die Käufe will die Fed Mitte Juni starten. Damit würde die Bilanzsumme der Fed, die zuletzt auf den Rekord von 7,2 Billionen explodiert war, wie von mir vorhergesagt weiter zügig in Richtung 10 Billionen klettern. Zumal die Fed neben den Anleihekäufen auch weiterhin kräftig Repo-Geschäfte durchführt – das sollte man nicht vergessen.

Bei einem Repo-Geschäft (Repurchase Agreement) verkaufen die Banken Anleihen, vor allem Staatsanleihen, in diesem Fall an die Fed, mit der gleichzeitigen Vereinbarung, die Papiere zu einem späteren Termin zu einem festgesetzten Preis zurückzukaufen. Aus ökonomischer Sicht handelt es sich praktisch um einen Kredit, der mit Wertpapieren besichert wird.

Das gesamte Gelddrucken der Fed ist also viel größer als die Anleihekäufe allein, kommen doch auch noch die Repo-Geschäfte hinzu. Umso größer ist der Aufwärtsdruck auf den Goldpreis.

Sorge vor Kontrolle der Zinsstrukturkurve lässt Bankaktien einbrechen

Für Verunsicherung bei Investoren dürfte vor allem Powells Aussage gesorgt haben, dass die Fed ein Briefing zu historischen Erfahrungen mit der Kontrolle der Zinsstrukturkurve erhalten habe. Etwas Derartiges macht die japanische Notenbank seit einigen Jahren.

Bei diesem Instrument würde die Fed beispielsweise festlegen, wo die Leitzinsen und die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen liegen sollen und das durch entsprechend massive Anleihekäufe sicherstellen. Das Problem: Je flacher die Zinsstrukturkurve wäre – also je niedriger der Zinsaufschlag für mittel- und langlaufende Anleihen gegenüber kurzfristigen wäre – umso weniger Geld würden die US-Banken mit Krediten verdienen.

Daher ist der KBW Nasdaq Bank Index, der die Kursentwicklung der Aktien der US-Banken widerspiegelt, nach Powells Aussagen eingebrochen. Viele Investoren wissen, dass sich bei einer Kontrolle der Zinsstrukturkurve das Umfeld für die US-Banken rapide verschlechtern würde, ähnlich wie es den japanischen und denen der Eurozone aufgrund der jeweiligen Strafzinsen der japanischen Notenbank und der EZB in den vergangenen Jahren ergangen ist und weiter ergehen wird. Auf einem maroden Bankensystem kann man aber keine gesunde Wirtschaft aufbauen.

Das Problem ist, dass der Bankenindex als stark konjunkturabhängige Branche üblicherweise ein hervorragender Frühindikator für den Gesamtmarkt ist. Sollte der Bankenindex nachhaltig auf Talfahrt sein, könnte das mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung den S&P 500 mit nach unten ziehen, womit deutlich Luft aus der gigantischen Blase entweichen würde. Das dürfte Powell unter allen Umständen versuchen zu verhindern und die Geldpressen noch schneller laufen lassen – ein hervorragendes Umfeld für Gold.

Steigender Euro macht Goldkauf günstiger

Im Gegensatz zur Fed hat die EZB auf der Sitzung vom 4. Juni ihr neues „Pandemie-Notfallankaufprogramm“ (PEPP) zum Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen um herbe 600 Mrd. auf 1,35 Billionen Euro aufgestockt. Das ist mehr als jene 500 Mrd., die etliche Experten vorhergesagt hatten. Das können Sie in dem Beitrag „Merkwürdiger US-Arbeitsmarktbericht lässt Goldpreis einbrechen“ nachlesen.

Trotz der Ankündigung der EZB ist der Euro zuletzt gegenüber dem Dollar in die Nähe des Zweiundfünfzig-Wochenhochs gestiegen, weil viele Investoren befürchten, dass die Fed ihr Gelddruckprogramm jederzeit kräftig aufstocken könnte, zumal Trump bei einer möglicherweise schwachen Konjunkturerholung Powell noch stärker zu Strafzinsen drängen dürfte, als bislang ohnehin schon.

Weil durch den Euroanstieg Gold auf Euro-Basis deutlich günstiger ist, als vor einem Monat, sollten Sie das nutzen, um ihre Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken. Damit schützen Sie sich vor der weiteren massiven Entwertung der Weich-Währung Euro durch das massive Gelddrucken der EZB.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.