Die Aktienmärkte diesseits und jenseits des Atlantiks haben sich in den vergangenen Tagen kräftig erholt. Ein Blick auf die US-Zinsen zeigt allerdings, dass der Anstieg bei S&P500 und DAX auf wackeligen Beinen steht.

Die Stimmung vieler Investoren hat sich zuletzt erheblich verbessert, nachdem S&P500 und DAX seit Freitag, 28. Januar deutlich auf dem Weg nach oben sind. Da dürften viele Anleger überlegen, ob sie eventuell weitere Aktien zukaufen sollen. Meiner Meinung nach sollten die Anleger hingegen darüber nachdenken, worauf der kräftige Kursanstieg der vergangenen Tage zurückzuführen sein könnte. Von der Beantwortung der Frage hängt ab, wie es am Aktienmarkt in den nächsten Tagen und Wochen weitergehen dürfte (dazu gleich mehr).

Im Gegensatz zum Aktienmarkt ist der Goldpreis zuletzt seitwärts tendiert und notiert mit Kursen von rund 1.800 US-Dollar je Unze um rund 50 US-Dollar unter dem Stand von vor der Fed-Sitzung am Mittwochabend, 26. Januar – das macht gar keinen Sinn! Während der Goldpreis nach dem anfänglichen Sprung der Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach der Fed-Sitzung eingebrochen war, waren die Zinsen anschließend wieder nach unten gedreht und liegen mit knapp unter 1,80 % praktisch auf dem gleichen Niveau wie vor der Fed-Sitzung. Komischerweise hat sich der Goldpreis in Folge des jüngsten Zinsrückgangs aber nicht erholt.

Ähnlich wie den US-Zinsen ist es auch dem US-Dollar Index ergangen, er ist also nach der Fed-Sitzung kurz nach oben gesprungen – was den Goldpreis zusätzlich belastet hat -, ist anschließend aber unter der das Ausgangsniveau gerutscht. Bemerkenswerterweise hat auch das die Notierung des Edelmetalls kaum beflügeln können. Bei mir drängst sich daher einmal mehr der Verdacht auf, dass eine Fed-Sitzung kaum einen anderen Zweck hat, als den Goldpreis nach unten zu drücken. Und oft genug funktioniert das leider auch. Der Dollar Index spiegelt die Veränderung des US-Dollars gegenüber sechs Währungen wider, vor allem gegenüber dem Euro.

Darauf ist der jüngste Kursanstieg bei S&P500 zurückzuführen

Nun aber wieder zurück zur Party am Aktienmarkt. Während ein Experte geschrieben hat „Wall Street freundet sich mit (US-)Zinswende an“, also mit der Verschärfung der US-Geldpolitik angefreundet hat, könnte meiner Meinung nach nichts ferner der Realität liegen. Der einzige Grund warum sich der S&P500 am Freitag, 28. und Montag, 31. Januar kräftig erholt hat, war das Rebalancieren von Fonds zum Monatsende.

Die Fondsmanager haben also – wie an jedem Monatsende üblich – in den letzten zwei oder drei Tagen des Monats Geld aus Anleihen in Aktien umgeschichtet, beziehungsweise innerhalb des Aktienmarkts von einzelnen Sektoren und Branchen in andere. Die Fondsmanager haben also den Aktienmarkt zum Ende des Monats nach oben gezogen, damit die Verluste seit Jahresanfang nicht ganz so schlimm aussehen. Zum Anfang des Monats Februar gab es dann wie üblich neue Zuflüsse in Fonds und ETFs, weshalb sich der Kursanstieg bei S&P500 und DAX fortgesetzt hat und eventuell noch ein paar Tage weitergehen könnte.

Dabei haben die US-Zinsen immer stärkere Warnsignale gesendet. Wie oben geschrieben hatten die Zinsen für zehnjährigen US-Anleihen zuerst einen Sprung nach oben gemacht, waren anschließend aber schnell nach unten gedreht und signalisieren damit eine Eintrübung der Aussichten für die US-Wirtschaft. In einem Umfeld, in dem die Fed-Mitglieder bei jeder Gelegenheit betonen, dass die Geldpolitik noch schneller verschärft werden könnte als bislang angekündigt, müssten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eigentlich steigen. Komischerweise tun sie das aber nicht.

Gleichzeitig war der Zinsaufschlag für zehnjährige US-Anleihen gegenüber zweijährigen bis auf 58 Basispunkte (0,58 Prozentpunkte) eingebrochen, ehe er sich auf 62 Basispunkte erholt hat. Damit liegt er aber um herbe 10 Basispunkte unter dem Stand von kurz nach der Fed-Sitzung und schürt damit Rezessionssorgen. Wenn der Zinsaufschlag kleiner wird, die Zinsstrukturkurve also flacher wird, signalisiert das eine Eintrübung der Aussichten für die US-Wirtschaft. Ich habe wiederholt betont, dass es in den nächsten Wochen schnell unter 60 Basispunkte und anschließend unter 50 Basispunkte gehen sollte, womit der Anleihenmarkt das Signal senden würde, dass eine Rezession in den USA mit großen Schritten heraufzieht.

Und was machen viele Anleger? Sie stocken ihre Aktienpositionen auf, obwohl der US-Anleihenmarkt immer lauter ruft: „Vorsicht, eine Rezession kommt.“ Ob das ein guter Zeitpunkt für Aktienkäufe ist, wage ich sehr zu bezweifeln.

US-Wirtschaft ist am Rande der Stagnation

Der Grund, warum die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen zuletzt nach unten gedreht sind, und die Zinsstrukturkurve deutlich flacher geworden ist, ist, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft rapide abgeschwächt ist und sie inzwischen am Rande der Stagnation ist, wie eine Serie schwacher Konjunkturdaten klar zeigt.

Zwar war die Wirtschaft im vierten Quartal um annualisiert 6,9 % gewachsen. Allerdings stammten 4,9 Prozentpunkte davon (also 71 %) vom Aufbau der Lagervorräte. Hingegen waren der private Konsum und die Investitionen schwach. In das Loblied über die „starke US-Wirtschaft“, das viele Experten singen, kann ich absolut nicht einstimmen. Der annualisierte Wert wird errechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit vier multipliziert.

Zuletzt hat die Fed von Atlanta auf Basis ihres Echtzeitmodells die Prognose für das Wachstum der US-Wirtschaft für das erste Quartal auf annualisiert 0,1 % gesenkt. Sie lesen richtig: „0,1 %!“ Die US-Wirtschaft stagniert also, wobei meiner Meinung nach in den nächsten Wochen und Monaten schnell ein Minuszeichen bei der Prognose der Fed von Atlanta auftauchen sollte.

Kein Wunder, dass viele US-Banken ihre Schätzungen für das erste Quartal radikal zusammenstreichen. Wie üblich erhöhen sie dabei allerdings die Prognose für das zweite Quartal, dann soll sich das Wirtschaftswachstum kräftig beschleunigen, nachdem die Belastungen durch die Pandemie wegfallen würden. Diese Vorhersagen sind kompletter Blödsinn, kompletter Nonsens.

Damit sich das Wirtschaftswachstum beschleunigt genügt es nicht, dass es neue Lockerungen gibt. Vielmehr brauchen die US-Verbraucher mehr Geld vom Staat, also neue Stimulusschecks, damit die Konsumenten das Geld wieder mit vollen Händen rauswerfen können. Ohne frisches Geld, oder dass die Verbraucher noch viel mehr Schulden machen, wird es keine Konjunkturbelebung geben. Vielmehr wird die Wirtschaft mit schnellen Schritte auf eine Rezession zulaufen, zumal die hohe Inflation von zuletzt herben 7,0 % den Konsum weiter erheblich belastet.

Ich hätte noch eine Zahl für jene „Experten“, die immer von der Stärke der US-Wirtschaft reden: Am 31. Januar sind die Schulden auf Bundesebene auf den Rekord von 30,01 Billionen US-Dollar gestiegen. Wahnsinn! Das sind rund 400 Mrd. US-Dollar an neuen Schulden allein seit Jahresanfang!

Warten auf US-Arbeitsmarktbericht

Umso gespannter warte ich auf den US-Arbeitsmarktbericht am Freitag, 4. Februar, sollte er doch die schwache Konjunktur widerspiegeln. Volkswirte sagen vorher, dass im Januar lediglich 200.000 Jobs geschaffen worden sein sollen, nach schwachen 199.000 für Dezember. Nachdem zuletzt etliche Mitglieder des Beraterteams von US-Präsident Joe Biden und der Fed vor einem schwachen Arbeitsmarktbericht gewarnt haben, würde es mich nicht wundern, wenn im Januar – entgegen der Vorhersage der allzeit optimistischen Volkswirte – Jobs abgebaut worden wären. Umso spannender wird es dann sein, die Reaktion der US-Zinsen zu beobachten.

Ich werde die Lage bei US-Zinsen und am Aktienmarkt weiter genau verfolgen. Ich gehe davon aus, dass die Zinsstrukturkurve in den nächsten Wochen kollabieren und damit starke Rezessionssignale senden wird. Daher sollte die Party beim Aktienmarkt viel schneller auslaufen, als viele Anleger hoffen. Umso schneller sollte dann Gold als sicherer Hafen bei Investoren gefragt sein.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.