Obwohl sich Investoren zuletzt zusehends Sorge um den angeschlagenen chinesischen Immobilienkonzern Evergrande gemacht haben, notiert der Goldpreis nur knapp über den Sechs-Monats-Tiefs. Zuletzt ist ein neuer Risikofaktor für Konjunktur und Börse hinzugekommen.

Hat bei S&P500 und DAX eine nachhaltige Trendwende nach unten begonnen? Diese Frage stellen sich viele Anleger. Schließlich war der S&P500 zuletzt in die Nähe des Drei-Monats-Tiefs abgerutscht, der DAX sogar auf Sechs-Monats-Tiefs. Für neuen Abwärtsdruck hatte die drohende Eskalation des Handelskriegs zwischen den USA und China gesorgt.

Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai hatte am Montag, 4. Oktober in einer Rede angekündigt, dass die USA China zur Einhaltung des unter dem vorherigen US-Präsidenten Donald Trump ausgehandelten Handelsdeals zwingen wolle. Die neue Regierung von Joe Biden hatte den Deal einige Monate einer Überprüfung unterzogen und will nun offenbar den von Trump eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen. Zudem hat Tai die Einführung neuer Zölle nicht ausgeschlossen. Tai will in den nächsten Tagen die Verhandlungen mit China aufnehmen.

Sorge um Immobiliensektor in China nehmen zu

Wegen dieser Sorge waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen kurz etwas gesunken, was den Goldpreis gestützt hatte. Allerdings waren die Zinsen anschließend schnell wieder nach oben gedreht, was auch den US-Dollar mit nach oben gezogen hat, womit die Notierung des Edelmetalls gleich von zwei Seiten Gegenwind bekam. Mit Kursen von rund 1.750 US-Dollar je Unze liegt es nur knapp über dem Sechs-Monats-Tiefs.

Für anhaltenden Aufwärtsdruck bei den Zinsen sorgt meiner Meinung nach vor allem die Krise bei dem angeschlagenen chinesischen Immobilienkonzern Evergrande, nachdem dessen Aktie zuletzt vom Handel in Hongkong ausgesetzt worden war. In dem Umfeld flüchten Investoren aus US-Anleihen, um sich schnell Liquidität zu verschaffen, woraufhin die Zinsen nach oben schießen. Mit 1,55 % sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen in die Nähe des Vier-Monats-Hochs nach oben geschossen.

Umso mehr fragen sich Investoren, welche anderen hochverschuldeten chinesischen Immobilienkonzerne in den nächsten Wochen und Monaten in Zahlungsschwierigkeiten kommen könnten. Die Regierung und die Notenbank stehen vor einem unlösbaren Problem: Wie soll der Immobilienmarkt eingebremst und damit der Preisanstieg deutlich gedämpft werden, ohne dass es zu einem Preisrückgang kommt? Eine Flaute am Immobilienmarkt würde gleichzeitig bedeuten, dass sich das Wirtschaftswachstum stark abkühlt. Das wären sehr schlechte Nachrichten für stark exportabhängige Volkswirtschaften, gerade Deutschland und damit die Weltwirtschaft.

US-Wirtschaftswachstum kühlt sich deutlich ab

Für zusätzlichen Aufwärtsdruck bei den US-Zinsen, und damit für Gegenwind beim Goldpreis, hat zuletzt der Einkaufsmanagerindex für den US-Dienstleistungssektor gesorgt, den das Institute for Supply Management (ISM) veröffentlicht. Entgegen der Vorhersage der Analysten hat das Barometer nicht nachgegeben, sondern hat im September sogar minimal zugelegt auf 61,9 Punkte. Allerdings ist das für mich einer der wenigen positiven Ausreißer, während viele andere Daten auf eine deutliche Konjunkturabkühlung hindeuten.

So hat die Fed von Atlanta anhand ihres Echtzeitmodells zuletzt die Prognose für das Wachstum der US-Wirtschaft für das dritte Quartal auf annualisiert 1,3 % eingedampft. Mitte August war die Schätzung noch bei rund 6,0 % gelegen, dann ist einmal mehr die Realität dazwischengekommen. Ich erwarte, dass sich das Wachstum im laufenden Quartal weiter deutlich abkühlt und damit die Sorgen vor einer Stagflation, also einer Kombination aus stagnierender Wirtschaft und hoher Inflation, schnell hochkochen.

Just in dem Moment will die Fed bei der nächsten Sitzung am 3. November eine Drosselung der QE-Anleihekäufe ankündigen. Wenn die Fed künftig allerdings von Monat zu Monat weniger Geld in das Finanzsystem und damit teilweise in die Realwirtschaft pumpen würde als zuvor, würden sich die Perspektiven für die US-Wirtschaft weiter eintrüben, was die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach unten drücken und im Gegenzug den Goldpreis stützen sollte.

Rally bei Rohstoffpreisen belastet

Keine gute Nachricht für die Konjunktur in den USA, China und vielen anderen Ländern sind zudem die stark steigenden Preise für Energierohstoffe. Der Preis für Erdgas ist in Europa auf Rekordhochs nach oben geschossen, Öl der Nordseesorte Brent ist auf Drei-Jahres-Hochs geklettert. Wenn in dem Umfeld die Verbraucher in vielen Ländern mit stark steigenden Energiepreisen konfrontiert sind, dürften die Konsumenten schnell auf die Ausgabenbremse treten, woraufhin sich die Konjunkturabkühlung in vielen Ländern beschleunigen sollte. Ob das ein gutes Umfeld für den Besitz von Aktien aus DAX oder S&P500 ist, wage ich sehr zu bezweifeln.

Umso gespannter werde ich die Entwicklung des Goldpreises beobachten. Ich kann nicht ausschließen, dass die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen kurzfristig weiter steigen, was auch den US-Dollar mit nach oben ziehen dürfte. Das würde den Goldpreis kurzfristig weiter belasten. Allerdings werden die stark steigenden US-Zinsen die hochverschuldete US-Wirtschaft sehr schnell in die Bredouille bringen. Dann schauen wir mal, wie lange die Fed noch vom Tapern reden wird, was laut deren Einschätzung den Zinsanstieg beschleunigen sollte. Vielmehr könnte die ersten Fed-Mitglieder schon sehr bald eingreifen und signalisieren, dass sie einen so schnellen Zinsanstieg eigentlich nicht wollen. Damit könnte sich das Umfeld für Gold schneller verbessern, als viele Experten derzeit erwarten.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.