Monate- und jahrelang hatte Fed-Chef Jay Powell beteuert, dass im Gegensatz zu 2013 Zinserhöhungen diesmal nicht zu Turbulenzen am US-Aktienmarkt führen würden. Alles sei ausführlich kommuniziert und damit eingepreist worden. Der Kursrutsch der vergangenen Wochen zeigt aber, dass Powell einmal mehr Fake News verbreitet hat.

Nach dem Kurseinbruch der vergangenen Wochen bei S&P500, Nasdaq und DAX nimmt die Nervosität bei vielen Anlegern stark zu. Praktisch alltäglich leuchten die Kurse auf dem Bildschirm tiefrot auf, da möchte man fast nicht mehr hinschauen. Dass es leider genau so kommen würde, davor habe ich in den vergangenen Monaten wiederholt gewarnt, wie in den Beiträgen „Fed will mit Einbruch am US-Aktienmarkt galoppierende Inflation bekämpfen“, oder „Sorge vor Rezession in USA und Deutschland nimmt schnell zu“ und „Anleger spielen ein riskantes Spiel am Aktienmarkt.“

Der Nasdaq Composite mit den US-Technologieaktien ist in die Nähe des Zwölf-Monats-Tiefs eingebrochen, der S&P500 notiert nur noch knapp darüber. Zudem hat der DAX gegenüber dem Rekordhoch von Anfang Januar um 15 Prozent nachgegeben. Weil viele Investoren in dem Umfeld Liquidität gebraucht haben, haben die Investoren Gold verkauft, womit der Preis auf knapp unter 1.900 US-Dollar je Unze gesunken ist. Damit liegt er in der Nähe des Zwei-Monats-Tiefs. Ich gehe allerdings davon aus, dass der Kursrückgang nur von kurzer Dauer sein wird, dazu gleich mehr.

Sorgen vor weltweiter Rezession kochen hoch

Verantwortlich für den Einbruch an den Aktienmärkten ist die plötzlich stark zunehmende Sorge der Investoren, dass die Fed mit der Verschärfung der Geldpolitik die wegen der galoppierenden Inflation ohnehin schwächelnde US-Wirtschaft zügig in eine Rezession treiben könnte. Laut der allmonatlichen Fondsmanagerumfrage der Bank of America war im April plötzlich sogar eine weltweite Rezession der größte Risikofaktor für die Märkte.

So haben Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen zuletzt einmal mehr signalisiert, dass sie bei der nächsten Sitzung am 4. Mai die Leitzinsen um 50 Basispunkte (0,50 Prozentpunkte) auf 0,75 bis 1,0 % anheben wollen. Die Fed sei bereit die Zinsen „zügig“ anzuheben, zuerst auf ein „neutrales“ Niveau und anschließend auf ein noch höheres, wenn das nötig sein sollte, um die Inflation zu bekämpfen. Im März war sie mit 8,5 % auf das höchste Niveau seit 40 Jahren gestiegen. Ein neutrales Leitzinsniveau ist jenes, bei dem die Wirtschaft weder angekurbelt noch gebremst wird.

Laut der Einschätzung vieler Experten kann die US-Wirtschaft in einem „normalen“ Jahr – also wenn die Schuldensause bei Staat, privaten Haushalten und Unternehmen auf Hochtouren läuft – real, also nach Abzug der Inflation, um 2,5 bis 3,0 Prozent pro Jahr wachsen – das wäre somit das neutrale Zinsniveau. Nach Powells Aussagen haben Investoren weitere Zinserhöhungen um horrende 250 Basispunkte bis zum Jahresende eingepreist, womit die Leitzinsen dann bei 2,75 bis 3,0 % liegen würden. Das wäre der schnellste Zinserhöhungszyklus seit dem Jahr 1994 – das kann meiner Meinung nach die hochverschuldete US-Wirtschaft in keinster Weise verkraften, weshalb die Signale von Powell und seinen Kollegen zwangsläufig Rezessionssorgen schüren.

Stark steigende US-Zinsen belasten Growth-Aktien überproportional

Wie schwach meiner Meinung nach die US-Wirtschaft aufgrund der galoppierenden Inflation ist, zeigt, dass der Streamingdienst Netflix im ersten Quartal in der Region USA/ Kanada 640.000 zahlende Kunden verloren hat. Und dass bei dem Paketdienst United Parcel Service im gleichen Zeitraum das transportierte Volumen in den USA um 3,0 Prozent gesunken ist, deutet auch nicht gerade auf einen florierende US-Wirtschaft hin, oder?

Nach Powells Aussagen waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen anfangs bis auf 2,95 % nach oben geschossen – das war das höchste Niveau seit Dezember 2018. Die stark gestiegenen Zinsen belasten gerade die hochbewerteten Growth-Aktien, also die Technologieaktien von der Nasdaq überdurchschnittlich stark, weil die erwarteten stark steigenden Gewinne bei deutlich steigenden Zinsen umso stärker abdiskontiert werden. Daher rauscht die Nasdaq noch viel schneller nach unten als der S&P500. Nachdem aber plötzlich die Rezessionssorgen hochgekocht waren, sind Investoren in zehnjährige US-Anleihen geflüchtet, woraufhin die Zinsen eingebrochen sind.

Konjunktur in China wird immer schwächer

Neben den Sorgen um die Konjunktur in den USA haben zuletzt auch jene um die chinesische deutlich zugenommen. Nachdem China die Corona-Tests auf ganz Peking ausgeweitet hat, befürchten Investoren, dass es nach Shanghai und etlichen anderen Städten und Regionen, auch in Peking zu einem längeren Lockdown kommen könnte, womit sich die Aussichten für die ohnehin schwächelnde Wirtschaft weiter eintrüben würden. Diese Angst hatte zwischenzeitlich auch zu einem Einbruch beim Ölpreis geführt. Wenn in vielen Regionen Chinas nur noch wenig produziert wird, und die Schiffe in den großen Häfen weder be- noch entladen werden, dann schwächt das zwangsläufig die chinesische und damit die Weltwirtschaft.

Nun kommt noch ein weiterer Belastungsfaktor für die Börsen hinzu: weil die japanische Notenbank im Gegensatz zur Fed von einer Verschärfung der Geldpolitik nichts wissen will, ist der Yen gegenüber dem Dollar kollabiert. Das belastet viele japanische Unternehmen, die für Güter aus dem Ausland, die auf Dollar-Basis gekauft werden, deutlich mehr bezahlen müssen.

Umso mehr kommt die japanische Notenbank unter Zugzwang: Entweder sie kauft weiterhin massiv Anleihen, um die Zinsen für zehnjährige Papiere bei höchstens 0,25 % zu halten. Durch das massive Gelddrucken bleibt der Yen auf Talfahrt gegenüber dem Dollar. Oder die japanische Notenbank beendet dieses irrwitzige geldpolitische Experiment, woraufhin die Zinsen nach oben schießen und so die Konjunktur abwürgen würden.

Zudem ist der Yen auch gegenüber dem chinesischen Renminbi eingebrochen, was das Exportgeschäft der chinesischen Unternehmen belastet. Die chinesische Notenbank kann eigentlich nicht zulassen, dass der Renminbi weiter gegenüber dem Yen steigt, weshalb zuletzt bei Investoren Sorgen hochgekocht sind, dass China versuchen könnte den Renminbi abzuwerten, wie bereits im August 2015 (damals gegenüber dem Dollar), als es daraufhin deutliche Turbulenzen an den weltweiten Aktienbörsen gegeben hatte.

EZB unternimmt nichts gegen hohen Inflation

Und was tut die EZB in dem Umfeld? Sie zögert und zaudert weiterhin, womit der Euro auf Talfahrt gegenüber dem US-Dollar bleibt. Damit ist der Euro auf 1,06 US-Dollar je Euro gesunken, womit der Euro in der Nähe des 19-Jahres-Tiefs liegt! Die EZB schwächt also jeden Tag Ihre und meine Kaufkraft und heizt vielmehr die Inflation weiter an! Das ist der Preis dafür, dass sich die hochverschuldeten Länder, wie Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Portugal, weiterhin zu lächerlich niedrigen Zinsen finanzieren können.

Nun warte ich auf die Inflationsdaten für die Euro-Zone, die am Freitag, 29. April um 11 Uhr veröffentlicht werden. Laut den Schätzungen der Volkswirte soll die Inflationsrate im April mit 7,5 % auf dem Rekordhoch vom März bleiben. Das würde einmal mehr das völlige Versagen der EZB klar widerspiegeln!

Gold bleibt unverzichtbar

In diesem Umfeld zunehmender Sorgen um die Weltwirtschaft und damit die weltweiten Aktienmärkte flüchten Investoren in den US-Dollar, woraufhin er gegenüber vielen Währungen deutlich steigt. Das belastet zwar etwas den Goldpreis, sollte aber dennoch nicht verhindern können, dass er schon bald nach oben dreht. Denn der steigende US-Dollar ist diesmal eben kein Signal für eine Belebung der US-Wirtschaft, sondern vielmehr ein Spiegelbild für die rapide zunehmenden Ängste der Investoren.

In dem Szenario sollte auch Gold als sicherer Hafen bald wieder gefragt sein, zumal da die Turbulenzen an den Aktienmärkten weitergehen dürften. Dann haben Investoren die Wahl, ob sie mit Anleihen, oder mit Aktien kräftig Geld verlieren wollen. Oder ob die Anleger stattdessen einen Teil ihres Geld in Gold investieren, um ihre Kaufkraft zu erhalten.

Meiner Meinung nach dürfte die Fed nach einem deutlich größeren Einbruch am US-Aktienmarkt im Sommer umschwenken, die Zinserhöhungen auf Eis legen und bald darauf eine neue Runde QE-Gelddruckens ankündigen. Da das der Goldpreis bereits einige Monate vorwegnehmen dürfte, sollte er meiner Meinung nach schon bald nach oben drehen. Umso mehr sollte es sich lohnen, den jüngsten Kursrückgang jetzt zu nutzen, um die Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.