Zwölf Jahre nach der Ratingagentur Standard & Poor’s reagiert auch der Wettbewerber Fitch auf die Verschlechterung der Schuldensituation der USA. Gleichzeitig zeigen die jüngsten Konjunkturdaten aus Deutschland, dass das Land in einer Stagflation steckt.

Nachdem der DAX noch vor wenigen Tagen auf Rekordhochs geklettert war, ist er zuletzt in die Nähe der Marke von 16.000 Punkten eingebrochen. Grund ist, dass die Ratingagentur Fitch das Rating für die USA vom Top-Wert AAA um eine Stufe auf AA+ abgestuft hat.

Wie kaum anders zu erwarten, hat US-Finanzministerin Janet Yellen diesen Schritt scharf kritisiert. Dabei sind die Argumente von Fitch für die Abstufung mehr als berechtigt, vielmehr frage ich mich, warum die Ratingagentur so lange mit dieser Reaktion gewartet hat!

Denn jeder konnte doch schon seit Jahren und Jahrzehnten die anhaltende Verschlechterung der fiskalischen Lage der USA sehen. So steigen die Schulden der USA von einem Rekordhoch zum nächsten und lagen zuletzt bei herben 32,6 Billionen Dollar – das sind horrende 121,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Zum Vergleich: die Schuldenquote Deutschlands lag zuletzt bei „nur“ 65,9 Prozent und jene der Eurozone bei 91,2 Prozent!

Dabei waren die Staatsschulden der USA in den ersten drei Quartalen des Haushaltsjahres 2022/23, also zwischen Oktober 2022 und Juni 2023, um herbe 1,4 Billionen Dollar nach oben geschossen. Und das in einem Umfeld, in dem die Wirtschaft lauf offiziellen Zahlen solide wächst!

Zwar ist der Schuldenstand im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung in den vergangenen Quartalen gegenüber dem Rekordhoch von 134,8 Prozent für das zweite Quartal 2020 gesunken. Das lag allerdings einzig und allein an der hohen Inflation, wodurch das nominelle Bruttoinlandsprodukt nach oben geschossen ist. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Schuldenquote in den nächsten Jahren deutlich steigen dürfte.

Zinszahlungen für US-Schulden steigen kräftig

Gleichzeitig führen die kräftigen Zinsanhebungen der Fed dazu, dass die Zinszahlungen des Staates spürbar steigen. Im zweiten Quartal sind sie auf eine Jahresrate von 970,0 Mrd. Dollar nach oben geschossen. Im ersten Quartal 2022 waren es noch annualisiert knapp über 600 Mrd. Dollar.

Und was machen die Politiker, also die Regierung von Joe Biden und den oppositionellen Demokraten? Sie führen jedes Mal ein Schauspiel vor, erhöhen aber schlussendlich doch die Schuldenobergrenze, oder setzen sie aus – diesmal ist sie bis Januar 2025 ausgesetzt – womit die Schuldensause weitergehen kann.

Und wie haben die Finanzmärkte auf die Abstufung des Ratings durch Fitch reagiert? Die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sind etwas gesunken, während gleichzeitig der Dollar ein wenig gestiegen ist.

Allerdings ist der anfängliche Kursrückgang beim DAX etwas stärker als bei S&P 500 und Nasdaq Composite. Offensichtlich verkaufen einige Investoren deutsche Aktien wegen der Sorge, dass in dem plötzlich etwas unsicher gewordenen Börsenumfeld US-Investoren ihr Kapital aus deutschen Unternehmen abziehen könnten.

Hingegen hat in dem Umfeld der Goldpreis etwas zugelegt und liegt damit bei rund 1.950 Dollar je Unze. In den Vortagen war die Notierung des Edelmetalls gleich von zwei Seiten unter Druck, einerseits von den steigenden Zinsen für zehnjährige US-Anleihen und andererseits vom steigenden Dollar.

Deutschland steckt in der Stagflation fest

Während die USA das AAA-Rating von Fitch verloren hat, geht es der deutschen Wirtschaft auch nicht gerade rosig. Vielmehr herrscht in Deutschland klar Stagflation, also eine Kombination aus stagnierender Wirtschaft und hoher Inflation.

Diese Kombination halten viele Experten für eine denkbar schlechte, denn würden Staat und die EZB die Konjunktur über Fiskalprogramme bzw. Zinssenkungen ankurbeln, würde das zwangsläufig die ohnehin hohe Inflation weiter anheizen, was wiederum die Konjunktur belasten würde.

So stagnierte das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im zweiten Quartal real, also nach Abzug der Inflation, auf dem Niveau des Vorquartals. Zudem ist die Inflationsrate im Juli von 6,4 auf 6,2 Prozent gesunken und liegt damit weiterhin auf einem hohen Niveau. Wenig überraschend, dass der Ruf nach einem reduzierten Industriestrompreis, oder gar einem Konjunkturprogramm laut wird.

Beides wird die strukturellen Probleme des Landes allerdings keineswegs lösen, vielmehr dürfte es bei letzterem einmal mehr zu einem Strohfeuer kommen und wenn es abgebrannt ist, wird außer den Schulden nicht viel anderes übrig bleiben.

Eurozone schwächelt ebenfalls

Manche Experten verweisen auf die Wirtschaft der Eurozone, die im zweiten Quartal immerhin um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen war. Allerdings sollte man sich von diesen Zahlen nicht täuschen lassen, wurde das Wachstum in der Eurozone doch durch ein Wachstum von 3,3 Prozent für Irland verzerrt.

In dem Land verbuchen viele multinationalen Konzerne aus steuerlichen Gründen Umsätze, die dort gar nicht generiert worden sind. Laut der Berechnung eines Volkswirtes wäre das Wirtschaftswachstum der Eurozone ohne jenes von Irland nur halb so hoch ausgefallen.

Im Klartext: auch die Wirtschaft der Eurozone schwächelt erheblich.

Und, dass die Inflationsrate im Juli von 5,5 auf 5,3 Prozent gesunken, ist ebenfalls alles andere als ein Grund zum Feiern. Zumal die sogenannte Kernrate, also die um Nahrungsmittel und Energie bereinigte Inflationsrate, stabil geblieben ist bei hohen 5,5 Prozent. Das zeigt, dass es weiterhin enormen Inflationsdruck in der Eurozone gibt.

Und was hat EZB-Chefin Christine Lagarde nach der EZB-Sitzung vom 27. Juli trotz der hohen Inflation gesagt? Sie wisse nicht, ob die Notenbank bei der nächsten Sitzung am 14. September den Leitzins von zuletzt 4,25 Prozent weiter anheben werde.

Aktuell gehe ich davon aus, dass bei den Leitzinsen der Höhepunkt erreicht ist, denn in den nächsten Wochen und Monaten dürften die Konjunkturdaten aus der Eurozone immer schlechter werden, weil die stark gestiegenen Zinsen in den USA zusehends die US-Wirtschaft und damit die Exportwirtschaft der Eurozone belasten dürften, während gleichzeitig die Konjunktur in der Eurozone verstärkt unter den hohen Zinsen in der Region selbst leiden dürfte. Das ist eine denkbar schlechte Kombination.

Im Klartext: ich bin weiterhin der festen Überzeugung, dass die Eurozone schnell in eine Rezession abrutschen dürfte. Dabei würde die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge jeweils gegenüber dem Vorquartal zurückgehen. Dass das wiederum die deutsche Wirtschaft, die stark abhängig ist vom Export, belasten sollte, sollte jedermann klar sein.

Dann schauen wir mal, wie lange die EZB den Leitzins auf dem erhöhten Niveau belassen wird, oder ob die Notenbank – entgegen ihren Beteuerungen – nicht schnell zu kräftigen Zinssenkungen zurückkehren wird, um die schwache Konjunktur der Eurozone anzukurbeln. Sollte die EZB schneller als die Fed reagieren und vorher, sowie schneller bzw. kräftiger die Zinsen senken, dürfte das den Euro gegenüber dem Dollar nach unten drücken, was wiederum die Inflation anheizen würde.

In dem Umfeld sollte sich Gold auf Euro-Basis gut entwickeln.

Anhaltende Schuldensause in USA und Eurozone spricht für steigende Goldpreise

Kurzfristig dürfte die Entwicklung des Goldpreises davon abhängen, zu welchen Entwicklungen bei US-Zinsen und Dollar der Verlust des AAA-Ratings der USA führt. Sollte es zudem möglicherweise zu einem größeren Kursrückgang an den Aktienmärkten kommen, könnte Gold als sicherer Hafen plötzlich gefragt sein und der Kurs steigen.

Die mittel- und langfristigen Aussichten für das Edelmetall bleiben ohnehin hervorragend. Denn die Schulden in den USA und der Eurozone dürften in den nächsten Jahren weiter deutlich steigen, nicht nur auf staatlicher Ebene, sondern auch bei Verbrauchern und Unternehmen. Umso mehr werden Fed und EZB in die Versuchung kommen, mit hoher Inflation – und meiner Meinung nach auch der drohenden Erhöhung des derzeitigen Zwei-Prozent-Inflationsziels auf drei oder vier Prozent – die Schuldenlast erträglich zu halten. Unter einer derartigen Geldpolitik würden viele Verbraucher aber stark leiden, gerade jene mit niedrigen und mittlerem Einkommen.

Und umso wichtiger wird es meiner Meinung nach sein, sich mit physischem Gold gegen den anhaltenden Kaufkraftverlust zu schützen.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.