Die Rally bei S&P 500 und DAX hat zuletzt eine Verschnaufpause eingelegt. Umso gespannter warten Investoren auf die Rede von Fed-Chef Jay Powell am Mittwochabend sowie den US-Arbeitsmarktbericht am Freitag.

Geht der kräftige Kursanstieg der vergangenen Wochen, gerade beim DAX, nahtlos in eine Jahresendrally über? Das fragen sich viele Anleger. Für etwas Unsicherheit haben zuletzt die Nachrichten über die Unruhen in China wegen der Corona-Lockdowns der Regierung gesorgt. Zwar behaupten etliche Experten, dass die Unruhen dafür sorgen könnten, dass die Regierung die Maßnahmen eventuell schneller lockern könnte, was die dortige Wirtschaft ankurbeln würde.

Woher die Zuversicht der Experten kommt, ist mir allerdings völlig schleierhaft. Vielmehr dürfte die Regierung meiner Meinung nach die Maßnahmen weiter konsequent durchsetzen, nachdem die Zahl der Infizierten auf Rekordhochs gestiegen ist. Damit würden sich die Aussichten für die chinesische Wirtschaft und damit die Weltwirtschaft weiter eintrüben, was den DAX mit seinen zahlreichen Firmen, die stark vom Chinageschäft abhängen, belasten könnte.

Gleichzeitig hat sich der Goldpreis zuletzt etwas weiter erholt. Mit Kursen von rund 1.760 Dollar je Unze notiert er in der Nähe des Drei-Monats-Hochs. Für Rückenwind haben die deutlich gesunkenen Zinsen für zehnjährige US-Anleihen, sowie der Rückgang des Dollar gesorgt (dazu gleich mehr).

Trotz starker Rezessionssignale ist US-Aktienmarkt in Partylaune

Gleichzeitig werden die Aussichten für die US-Wirtschaft immer schlechter, wie die Einkaufsmanagerindizes von S&P Global klar zeigen. So ist jener für die Industrie im November von 50,4 auf nur mehr 47,5 Punkte kollabiert, das ist ein 30-Monats-Tiefs. Werte unterhalb der 50er-Marke signalisieren ein Schrumpfen des Sektors.

Zudem ist der Einkaufsmanagerindex von S&P Global für den Dienstleistungssektor, der rund 70 Prozent der US-Wirtschaftsleistung ausmacht, von 47,8 auf 46,1 Punkte eingebrochen, das ist der zweitniedrigste Wert seit Mitte 2020 und deutet damit ebenfalls einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in dem Bereich an. Besonders besorgniserregend ist, dass der Index für den Dienstleistungsbereich noch unterhalb jenem für die Industrie liegt. „Selbstverständlich“ wird das in den Massenmedien kaum thematisiert.

Wie katastrophal die Aussichten für die US-Wirtschaft sind, zeigt auch die US-Zinsstrukturkurve an. So ist der Zinsaufschlag für zehnjährige US-Anleihen gegenüber zweijährigen auf minus 0,77 Prozent kollabiert – damit ist die Zinsstrukturkurve so invers wie seit 41 Jahren nicht. Im Klartext: Der US-Anleihenmarkt schätzt die Aussichten für die US-Wirtschaft als so schlecht ein wie seit 41 Jahren nicht mehr!

Und was macht der S&P5 00? Na Party, weil je schlechter die Perspektiven für die US-Wirtschaft sind, umso mehr setzen Investoren auf eine „Zinspause“ der Fed. Dabei verbessern sich durch eine „Zinspause“ die Aussichten für die US-Wirtschaft überhaupt nicht, vielmehr fressen sich die – im Vergleich zu den vergangenen 20 Jahren – relativ hohen US-Zinsen immer weiter in die hochverschuldete US-Wirtschaft ein.

Warten auf Powell-Rede…

Dennoch warten Investoren ganz entspannt auf die Rede zum Thema „Konjunkturausblick, Inflation und Arbeitsmarkt“ von Fed-Chef Jay Powell am Mittwoch, 30. November in Washington. Der Vortrag beginnt um 19.30 Uhr. Sollte Powell – wie die Daueroptimisten hoffen – signalisieren, dass die Fed schon bald eine „Zinspause“ einlegen könnte, dürften die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen einbrechen und den Dollar weiter nach unten ziehen. In dem Umfeld würde die Party bei S&P 500 und DAX noch mehr Fahrt aufnehmen.

Sollte Powell allerdings einmal mehr betonen, dass die Fed die Leitzinsen auf ein höheres Niveau anheben könnte als bislang erwartet und damit der Höhepunkt bei den Leitzinsen weiter ungewiss ist, könnten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen deutlich nach oben drehen und auch den Dollar mit nach oben ziehen. Schließlich sind die Finanzbedingungen in den vergangenen Wochen erheblich lockerer geworden, nachdem die US-Zinsen und der Dollar deutlich gesunken sind, während der Aktienmarkt nach oben geschossen ist.

Laut der Überzeugung der Fed heizen lockere Finanzbedingungen aber die Inflation an, weil in dem Umfeld die Stimmung der Anleger bzw. privaten Haushalte besser ist und sie deswegen mehr konsumieren. In einem Szenario steigender US-Zinsen und eines steigenden Dollar würden allerdings die Aktienmärkte und leider auch der Goldpreis Gegenwind bekommen. Umso genauer werde ich Powells Aussagen verfolgen.

… und US-Arbeitsmarktbericht

Am Freitag, 2. Dezember wird dann um 14.30 Uhr der sehr wichtige US-Arbeitsmarktbericht veröffentlicht. Je nachdem wie er ausfällt, könnte das für kräftige Ausschläge an den Aktienmärkten, bei Euro-Dollar, Öl und Gold sorgen. Laut den Schätzungen der Volkswirte sollen im November 200.000 Jobs geschaffen worden sein, nach 261.000 für Oktober. Zudem soll die Arbeitslosenquote mit 3,7 Prozent auf sehr niedrigem Niveau stabil bleiben.

Sollten die Zahlen überraschend besser ausfallen als erwartet, könnte die Börse völlig unterschiedlich darauf reagieren. Einerseits könnten sich Investoren denken, dass eine US-Rezession weiter auf sich warten lässt – obwohl diese Arbeitsmarktzahlen ein nachlaufender Indikator sind -, und greifen bei Aktien zu, woraufhin sie steigen. Andererseits könnten überraschend gute Daten die US-Zinsen nach oben treiben, was für Gegenwind am Aktienmarkt sorgen könnte.

Mich würde es allerdings nicht überraschen, wenn nach einer Serie schwacher US-Konjunkturdaten, gerade vom Immobilienmarkt, die Arbeitsmarktzahlen deutlich schlechter ausfallen sollten als erwartet. Umso interessanter wird es dann sein zu sehen, wie der Aktienmarkt darauf reagiert.

Entweder „feiern“ Investoren die möglicherweise schwachen Zahlen, weil umso schneller eine „Zinspause“ der Fed kommen sollte, gefolgt von kräftigen Zinssenkungen – das ist der eigentliche Grund für die Party an den Aktienmärkten! Dabei dürften die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen die Talfahrt beschleunigen und im Gegenzug S&P500, Nasdaq und DAX nach oben schießen.

Oder aber die Rezessionssorgen kehren plötzlich auf die Agenda zurück, woraufhin Investoren bei Aktien deutlich den Verkaufen-Knopf drücken könnten. Umso mehr könnte in dem Umfeld dann der sichere Hafen Gold nach oben schießen.

Inflationsrate in Deutschland sinkt etwas

Hierzulande leiden Verbraucher und Sparer weiterhin enorm unter der sehr hohen Inflation. Zwar ist die Inflationsrate im November auf 10,0 Prozent zurückgegangen, nach 10,4 Prozent für Oktober, was der höchste Wert seit Jahrzehnten war. Grund für Entspannung gibt es dennoch nicht. Denn einerseits dürften viele Unternehmen ihre stark gestiegenen Kosten in den nächsten Monaten zusehends an die Konsumenten weitergeben, was für anhaltend hohen Aufwärtsdruck auf die Inflation sorgt. Andererseits könnten die Energiepreise jederzeit wieder steigen, was die Inflation zusätzlich anheizen würde.

Etliche Experten sagen für 2023 eine Rate von herben 6,5 Prozent vorher. Entsprechend wird unser aller Fiat-Geld immer weiter entwertet. Das sind leider die bitteren Aussichten. Und die EZB tut weiterhin nichts, um die Inflation zu bekämpfen. Selbst wenn die EZB bei der nächsten Sitzung am 15. Dezember die Leitzinsen um 50 Basispunkte (0,5 Prozentpunkte) auf 2,5 Prozent anheben sollte, wären die Leitzinsen vor dem Hintergrund einer Inflationsrate von herben 10,0 Prozent für die Euro-Zone für November noch immer viel, viel zu niedrig, um die Inflation zu bekämpfen.

Ehrgestanden weiß ich nicht, was Powell bei seiner Rede sagen wird und wie Investoren darauf und auf den US-Arbeitsmarktbericht reagieren werden. Sollten allerdings die Rezessionssorgen der Investoren in den nächsten Monaten zurückkehren, wovon ich weiterhin fest ausgehe, könnten die Aktienmärkte spätestens Anfang nächsten Jahres wieder deutlich nach unten drehen und im ersten Quartal sogar auf neue Mehr-Jahres-Tiefs einbrechen. In einem Umfeld erneuter Turbulenzen am Aktienmarkt sollte Gold als sicherer Hafen umso gefragter sein. Von daher macht es meiner Meinung nach großen Sinn, die Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.