Obwohl viele Investoren davon ausgegingen, dass US-Präsident Joe Biden Fed-Chef Jay Powell für eine zweite Amtszeit vorschlagen würde, ist es nach Bidens Ankündigung zu kräftigen Turbulenzen am Anleihenmarkt gekommen. Wie weit kann der Goldpreis noch nachgeben?

Mit Kursen von knapp unter 1.800 US-Dollar je Unze ist der Goldpreis in die Nähe des Ein-Monats-Tiefs eingebrochen. Grund war, dass US-Präsident Joe Biden Fed-Chef Jay Powell für eine zweite Amtszeit nominierte. Daraufhin waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen bis auf 1,68 % nach oben geschossen, womit die Zinsen in der Nähe des Acht-Monats-Tiefs notierten, ehe sie auf 1,63 % nachgegeben haben.

Die kräftig gestiegenen Zinsen haben auch den US-Dollar mit nach oben gezogen, der US-Dollar Index liegt auf dem höchsten Niveau seit Juli 2020. Dieser bildet die Entwicklung des Greenback gegenüber sechs wichtigen Währungen, vor allem dem Euro, ab. Damit hatte der Goldpreis gleich von zwei Seiten deutlichen Gegenwind.

Zudem setzen Investoren nach Powells Nominierung plötzlich darauf, dass die Fed die erste Zinserhöhung nicht erst im Juli 2022, sondern bereits im Juni und damit unmittelbar nach dem Ende der QE-Anleihekäufe durchführen dürfte. Die zweite Erhöhung soll im September folgen, während die Wahrscheinlichkeit für eine dritte im Dezember 2022 rapide zunimmt.

Kräftiger US-Zinsanstieg drückt S&P 500 nach unten

Was die Investoren plötzlich so in Panik versetzt hat, ist mir allerdings völlig unklar. Schließlich hatte die große Mehrheit ohnehin erwartet, dass Biden Powell eine zweite Runde gewähren würde. Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass unter Powells Führung die Drosselung der Anleihekäufe um jeweils 15 Mrd. US-Dollar netto für November und Dezember ab Januar 2022 kräftig beschleunigt werden dürfte? Wenn die Fed das tun würde, dann würde die Liquiditätsflut schneller abnehmen als bislang geplant, woraufhin sich der Anstieg der Zinsen für zehnjährige US-Anleihen beschleunigen könnte.

Dabei haben viele Anleger gesehen, dass der kräftige Zinsanstieg der vergangenen Tage zu deutlichen Turbulenzen am US-Aktienmarkt geführt hat. Denn bei stark steigenden Zinsen verkaufen Investoren Growth-Aktien, gerade die US-Technologiewerte, woraufhin sie und damit der NASDAQ Index einknicken. Das zieht wiederum den S&P 500 mit nach unten. Sollte sich der Zinsanstieg beschleunigen, würde der Abwärtsdruck auf den S&P 500 rapide zunehmen. Das kann die Fed unter keinen Umständen wollen.

Die wichtigste Aufgabe der Fed ist, meiner Meinung nach, nicht für eine niedrige Inflation und eine hohe Beschäftigung zu sorgen, sondern die Stabilität am Finanzmarkt, gerade am Aktienmarkt und damit das Vertrauen in den Dollar aufrecht zu halten. Bei einem möglichen Crash am Aktienmarkt wäre schnell vielen Investoren klar, dass die hochverschuldete US-Wirtschaft selbst die kleinsten Zinserhöhungen nicht verkraften kann. Daher werden Powell und seine Kollegen die Entwicklung beim S&P 500 genau im Auge behalten. Sollte es zu einem Kursrutsch um 10 % kommen, dürften Powell und seine Kollegen schnell verbal intervenieren, um die Lage zu stabilisieren.

Powell sträubt sich vor Zinserhöhungen

Umso bemerkenswerter war, was Biden zur Nominierung Powells für eine zweite Amtszeit und zur Nominierung von Lael Brainard als Vizechefin der Fed sagte. Biden ist „zuversichtlich, dass sich Powell und Brainard darauf fokussieren (werden), die Inflation weiter niedrig und die Preise stabil zu halten.“ Das ist Realsatire!

Die Inflation ist vor allem aufgrund der Geldpolitik der Fed im Oktober mit 6,2 % auf das höchste Niveau seit November 1990, also ein 31-Jahres-Hoch, nach oben geschossen und dürfte in den nächsten Monaten zügig in Richtung 7,0 % und darüber hinaussteigen. Von welcher „niedrigen Inflation“ und „stabilen Preisen“ faselt Biden?

Meiner Meinung nach ist Powell der mit Abstand schlechteste Fed-Chef aller Zeiten. Seit dem Start der Pandemie im März 2020 haben Powell und seine Kollegen massiv Geld gedruckt, um die Schuldenexplosion des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und seines Nachfolgers Biden mit der Notenpresse zu finanzieren, wodurch die Bilanzsumme der Fed um horrende 4,5 Billionen US-Dollar explodiert ist. Die Folge: die Fed hat damit die schon vor der Pandemie mit weitem Abstand größte Blase aller Zeiten am US-Aktienmarkt weiter aufgeblasen und gleichzeitig die größten Blasen aller Zeiten am Anleihen- und am Immobilienmarkt weiter aufgepumpt. Powell ist also der Brandstifter und nicht etwa der Feuerwehrmann, der die Inflation bekämpft.

Mit ihrer Politik hat die Fed die Ungleichheit zwischen Arm und Reich dramatisch vergrößert. Während sich die Reichen über die Kursexplosion am Aktienmarkt freuen, bekommen die Armen die stark steigenden Nahrungsmittelpreise, Mieten und Preise für neue und gebrauchte Autos zu spüren.

Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass Powell in den nächsten Monaten energisch gegen die hohen und weiter steigenden Inflationsraten einschreiten und damit die Gefahr eingehen wird, möglicherweise das Platzen der gigantischen Blasen am Aktien-, Anleihen- und Immobilienmarkt auszulösen? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Fed ist Erfüllungsgehilfe des Finanzministeriums

Vielmehr spricht Powells Statement nach seiner Nominierung Bände. „Falls ich durch den Senat bestätigt werden sollte, werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um der Verantwortung gerecht zu werden, die der Kongress der Fed übertragen hat“, schrieb Powell. Der Fed-Chef verspricht also nicht alles für das Wohl des amerikanischen Volkes zu tun, nein! Im Klartext: Powell dürfte meiner Meinung nach Biden zugesichert haben, dass es während Powells zweiter Amtszeit keinerlei Zinserhöhungen geben wird. Das ist meine feste Überzeugung.

Die Fed ist praktisch nichts anderes als eine Abteilung des Finanzministeriums. Das Gerede von der „Unabhängigkeit der Fed“ können wir vergessen, die Fed war noch nie unabhängig und wird es auch künftig nicht werden. Die Fed ist hauptsächlich dazu da, um die Schuldensause der Regierung mit der Notenpresse zu finanzieren. Das sollte die Fed auch in den nächsten Jahren weiter kräftig tun. Nachdem das Repräsentantenhaus zuletzt das 1,75 Billionen US-Dollar schwere Stimulationsprogramm der Regierung von Joe Biden verabschiedet hat, kommt es nun darauf an, ob auch der Senat dem Programm zustimmt, woraufhin Biden es unterzeichnen und es in Kraft treten könnte.

Zwar soll es laut der Schätzung des Congressional Budget Office, also des Finanzausschuss des Kongresses, das Haushaltsdefizit in den kommenden fünf Jahren um „nur“ 791,6 Mrd. US-Dollar erhöhen – das wären im Schnitt nur rund 160 Mrd. US-Dollar pro Jahr – Peanuts! Dennoch dürfte das Programm bei Investoren die Sorge schüren, dass es die Inflation weiter anheizt, weil es zusätzliches Geld für viele Sektoren bedeutet, die ohnehin massiv unter dem Materialmangel leiden, wobei durch das frische Geld die Inflation zusätzlich angeheizt würde.

Wie könnte es beim Goldpreis weitergehen?

Zwar könnte sich der Kursrückgang beim Goldpreis kurzfristig noch etwas ausweiten, zumal wenn die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen weiter kräftig steigen sollten und der US-Dollar den Höhenflug fortsetzen sollte. Allerdings dürfte sich meiner Meinung nach die Lage am Anleihenmarkt viel schneller beruhigen als viele Investoren derzeit erwarten. Denn je schneller und kräftiger die US-Zinsen steigen sollten, umso schneller würde das die hochverschuldete US-Wirtschaft belasten, wodurch sich die Konjunkturaussichten rapide eintrüben würden. Daraufhin sollten die Zinsen bald nach unten drehen.

Dann dürfte die Fed bei der nächsten Sitzung am 15. Dezember von einer möglichen Beschleunigung der Drosselung der Anleihekäufe ab Januar 2022 wenig wissen wollen. Spätestens dann sollte sich die Lage am Anleihenmarkt und damit bei Gold beruhigen. Gleichzeitig dürfte die Inflationsrate weiter nach oben schießen, womit der Realzins von zuletzt minus 4,57 % – damit lag er in der Nähe des 70-Jahres-Tiefs – immer weiter in den Keller rauschen sollte, was dem Goldpreis Auftrieb geben dürfte. Der Realzins wird berechnet, indem man vom Zins für zehnjährige US-Anleihen (1,63 %) die Inflationsrate (6,2 %) abzieht. Damit sollte sich der jüngste Rückgang beim Goldpreis einmal mehr als hervorragende Gelegenheit herausstellen, um die Bestände an physischem Gold aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.