In den vergangenen Wochen haben Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen so getan, als ob sie die höchste Inflationsrate seit 40 Jahren energisch bekämpfen wollten. Die Ergebnisse der Fed-Sitzung vom 4. Mai lassen aber plötzlich starke Zweifel an diesen Signalen aufkommen.

Euphorie bei Investoren nach der Fed-Sitzung am Mittwoch, 4. Mai: S&P500, Nasdaq, DAX und Gold waren kurz nach oben geschossen, hingegen waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eingebrochen. Der Grund: auf der Pressekonferenz nach der Veröffentlichung der Ergebnisse hat Fed-Chef Jay Powell Investoren die Angst genommen, dass die Fed die Geldpolitik in den nächsten Monaten stärker verschärfen könnte als die Fed bislang signalisiert hatte und Investoren erwarten hatten.

Daraufhin ist der S&P500 am Tag der Fed-Sitzung um 3,0 % nach oben geschossen, das war der stärkste Anstieg am Tag einer Zinserhöhung der Fed seit November 1978. Offensichtlich haben Powells Signale die Investoren völlig auf dem falschen Fuß erwischt. Zudem hat der Goldpreis einen Sprung nach oben gemacht und notiert knapp unter 1.900 US-Dollar je Unze, zumal der Einbruch der US-Zinsen den US-Dollar nach dem vorherigen Höhenflug kurz mit nach unten gezogen hat, beispielsweise gegenüber dem Euro, woraufhin der Goldpreis von einer zweiten Seite her Rückenwind hatte.

Nach der Sitzung hat die Fed angekündigt, dass die Leitzinsen – wie vom Markt erwartet – um 50 Basispunkte (0,50 Prozentpunkte) auf 0,75 bis 1,0 % angehoben werden. Das war die erste Erhöhung um 50 Basispunkte seit Mai 2000. Auf der Pressekonferenz hat Powell gesagt, dass bei den nächsten Sitzungen weitere Erhöhungen um 50 Basispunkte „auf dem Tisch liegen“ würden. Erhöhungen um 75 Basispunkte würden „nicht aktiv erwogen“, beruhigte Powell Investoren.

Bilanzsumme wird nur langsam abgebaut

Zudem hat die Fed angekündigt, dass sie nicht schon im Mai, sondern erst im Juni mit dem Abbau der Bilanzsumme beginnen werde, indem alte, auslaufende Staats- und Hypothekenanleihen nicht mehr in neue reinvestiert würden. Dabei werden zwischen Juni und August jeweils 30 Mrd. US-Dollar an Staats- und jeweils 17,5 Mrd. US-Dollar an Hypothekenanleihen abgebaut. Im September wird das Abbauvolumen, sprich die Anleihenverkäufe, auf 60 Mrd. US-Dollar bei Staats- und auf 35 Mrd. US-Dollar bei Hypothekenanleihen verdoppelt.

Auch diese Ankündigung ist sehr taubenhaft, hatten doch etliche Investoren erwartet, dass die Fed vor dem Hintergrund einer Inflationsrate von herben 8,5 % für März – das ist das höchste Niveau seit 40 Jahren – die Verkäufe in den Folgemonaten zügig aufstocken könnte, damit die bei der Sitzung im März angekündigten Maximalverkäufe von 60 Mrd. US-Dollar bei Staats- und von 35 Mrd. US-Dollar bei Hypothekenanleihen schnell erreicht würden. Das haben Powell und seine Kollegen nun aber nicht vor.

Fed bekommt kalte Füße

Was kann der Grund für das Zögern und Zaudern der Fed sein? Meiner Meinung nach kann es dafür nur ein oder zwei Gründe geben. Einerseits dürfte sich die Fed Sorgen wegen des Einbruchs des US-Aktienmarkts im April machen. Andererseits könnte die Fed Sorge haben, dass die US-Wirtschaft bei einer schnelleren Verschärfung der Geldpolitik zügig in eine Rezession abrutschen könnte, woraufhin sich der Einbruch am US-Aktienmarkt deutlich ausweiten würde.

Etwas Derartiges können Fed und die US-Regierung aber keineswegs wollen, schließlich rücken die Halbzeitwahlen im November zügig näher, während die Umfragewerte für US-Präsident Joe Biden aufgrund der stark gestiegenen Inflation, gerade der stark gestiegenen Benzinpreise, in der Nähe des Rekordtiefs liegen. Wie reagiert also die Fed? Sie versucht die Bilanzsumme nur sehr langsam abzubauen und so den zusätzlichen Aufwärtsdruck auf die Zinsen zu dämpfen.

Im Klartext: Die Fed tut nur so, als ob sie die Inflation bekämpfen will.

Tatsächlich tut die Fed aber praktisch kaum etwas gegen die galoppierende Inflation. Um sie energisch zu bekämpfen, müssten die Leitzinsen oberhalb der Inflationsrate von 8,5 % liegen. Mit Leitzinsen von aktuell knapp 1,0 % veranstaltet die Fed hingegen nur eine Show. Das ist eine Show und sonst gar nichts. Daran ändert sich auch kaum etwas, wenn die Fed bei der Sitzung im Juni die Leitzinsen auf knapp 1,5 % erhöhen sollte. Damit lägen sie immer noch um herbe 7,0 % unter der Inflationsrate. Die Daten für April werden am 11. Mai veröffentlicht.

Euphorie verfliegt schnell

Allerdings ist die Euphorie der Investoren bei S&P500, Nasdaq und DAX schnell verflogen, inzwischen sind die Indizes schon wieder nach unten gedreht. Wieso? Weil die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen wieder nach oben gedreht sind, woraufhin die hochverschuldete US-Wirtschaft und damit der Aktienmarkt wieder Gegenwind bekommen. Nach einer kurzen Pause haben Investoren mit dem Verkauf von US-Anleihen weitergemacht, woraufhin die Anleihenkurse sinken und im Gegenzug die Zinsen steigen.

Zwar können Investoren nun davon ausgehen, dass die Fed in den nächsten Monaten nicht so aggressiv vorgehen könnte, wie Investoren zwischenzeitlich befürchtet hatten. Allerdings nimmt die Börse üblicherweise das Umfeld vorweg, dass in sechs bis neun Monaten herrschen wird. Wenn die Fed ihren Plan umsetzen sollte, würde sie ab September für netto insgesamt 95 Mrd. US-Dollar pro Monat Anleihen verkaufen und damit dem Finanzsystem und damit teilweise der Realwirtschaft kräftig Liquidität entziehen. Das wären netto 1,14 Billionen US-Dollar aufs Jahr hochgerechnet.

Das kann meiner Meinung nach die hochverschuldete US-Wirtschaft in keinster Weise verkraften, weshalb ich weiterhin davon ausgehe, dass die Fed im Sommer umschwenken und Zinserhöhungen und den Abbau der Bilanzsumme auf Eis legen dürfte. Die an den Märkten eingepreisten Zinserhöhungen um rund 175 Basispunkte bis Ende 2022, woraufhin die Leitzinsen bei knapp 2,75 % liegen würden, halte ich für völligen Blödsinn. Für völligen Blödsinn!

Allerdings könnten die Erwartungen der Investoren in den nächsten Wochen und Monaten erst einmal für weiter steigende US-Zinsen sorgen, was den S&P500 erheblich belasten würde, weshalb sich der vorherige Kurseinbruch in den nächsten Monaten deutlich ausweiten sollte. In dem Umfeld müsste meiner Meinung nach der sichere Hafen Gold stark gefragt sein.

Nun warte ich gespannt auf den US-Arbeitsmarktbericht für April, der am Freitag, 6. Mai veröffentlicht wird. Schauen wir mal, ob er das Bild eines boomenden US-Arbeitsmarktes zeigt, wie Powell und seine Kollegen bei jeder Gelegenheit betonen. Meiner Meinung nach ist der US-Arbeitsmarkt auch nicht annähernd so stark, wie die Fed andauernd behauptet.

Gold bleibt aussichtsreich

Anleger sollten sich von den kurzfristigen Schwankungen bei Gold nicht verunsichern lassen. Zwar könnten auf kurze Sicht kräftig steigende US-Zinsen den US-Dollar noch weiter nach oben ziehen, womit Gold aus zwei Richtungen Gegenwind hätte. Je stärker und schneller die US-Zinsen aber steigen sollten, umso schneller dürfte die US-Wirtschaft in einer Rezession sein und sich der Einbruch an den Aktienmärkten deutlich ausweiten.

Das müsste die Fed zu einer Kehrtwende zwingen. Danach sollte auch dem letzten Anleger klar sein, dass die hochverschuldete und damit stark zinssensitive US-Wirtschaft ohne anhaltendes, massives Gelddrucken und extrem niedrige Zinsen nicht auskommen kann. In dem Umfeld sollte der Goldpreis den Höhenflug in Richtung des Rekordhochs vom August 2020 zügig fortsetzen. Damit sollte sich der vorherige Kursrückgang einmal mehr als hervorragende Gelegenheit herausstellen, um die eigenen Bestände an physischem Gold weiter deutlich aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.