Die Aktienmärkte diesseits und jenseits des Atlantiks sind in die Nähe der Mehr-Monats-Tiefs abgerutscht. Umso mehr rückt die EZB-Sitzung stark in den Fokus der Investoren.

Die Verunsicherung vieler Investoren hat zuletzt weiter deutlich zugenommen. Schließlich war der DAX zuletzt auf rund 14.650 Punkte eingebrochen und lag damit in der Nähe des Neuneinhalb-Monats-Tiefs, ehe er sich etwas erholt hat. Zudem sind S&P 500 und Nasdaq Composite in die Nähe der Mehr-Monats-Tiefs eingeknickt.

Während der Israel-Krieg zuletzt nicht weiter eskaliert ist, und damit die Börsen nicht zusätzlich belastet hat, bekamen die Aktienmärkte von den stark gestiegenen US-Zinsen noch kräftigeren Gegenwind. So waren die Zinsen für 10-jährige US-Anleihen am vergangenen Montag, 23. Oktober zum ersten Mal seit Mitte 2007 auf mehr als 5,0 Prozent nach oben geschossen.

Umso größer werden die Risiken für die US-Wirtschaft und damit für etliche Aktien aus dem DAX mit einem bedeutenden US-Geschäft, woraufhin Investoren bei DAX-Aktien kräftig den Verkaufen-Knopf gedrückt hatten. Am Montagnachmittag hatte dann ein Tweet des US-Hedgefondsmanagers Bill Ackmann für einen Einbruch bei den US-Zinsen gesorgt, woraufhin sich S&P 500, Nasdaq und DAX allerdings nur kurz erholt hatten und anschließend wieder nach unten gedreht sind.

Hingegen bleibt Gold als sicher Hafen weiter gefragt, während gleichzeitig der jüngste Einbruch der US-Zinsen – die Zinsen für 10-jährige US-Anleihen lagen zuletzt knapp über 4,8 Prozent – die Notierung des Edelmetalls gestützt hat. Damit liegt der Goldpreis mit rund 1.975 Dollar je Unze in der Nähe der Fünf-Monats-Hochs.

Konjunkturdaten aus Eurozone senden Rezessionssignale

Umso gespannter warten vieler Investoren auf die EZB-Sitzung am Donnerstagnachmittag, 26. Oktober. Zuletzt ist bei vielen Investoren die Sorge gewachsen, dass die deutsche Wirtschaft und jene der Eurozone zügig in eine Rezession abrutschen dürften.

Während sich der von S&P Global veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für die deutsche Industrie zuletzt weiter erholt hat, ist jener für den Dienstleistungssektor für viele Experten „überraschend“ eingebrochen.

Daher ist der Einkaufsmanagerindex für die deutsche Wirtschaft insgesamt, also Industrie plus Dienstleistungssektor, von 46,4 Punkte auf 45,8 Punkte gesunken. Damit notiert das Barometer noch tiefer unterhalb der 50er-Marke und signalisiert damit ein noch stärkeres Schrumpfen der deutschen Wirtschaft als bislang ohnehin schon.

Die Zahlen für die Wirtschaft der Eurozone sehen kaum besser aus. So ist der Einkaufsmanagerindex von S&P Global für die Gesamtwirtschaft der Eurozone von September auf Oktober von 47,2 auf 46,5 Punkte gesunken – das ist ein 35-Monats-Tiefs. Auch dieser Indikator liegt weit unterhalb der 50er-Marke und schreit damit laut „Rezession“!

Was sagt Lagarde?

Die EZB hat auf die starke Konjunkturabschwächung reagiert und bereits bei der Sitzung am 14. September angekündigt, dass erst einmal keine weitere Erhöhung der Zinsen geplant sei. Damit liegt der Leitzins bei 4,5 Prozent und der Einlagenzins für die Banken bei 4,0 Prozent.

Gespannt warten viele Investoren auf die Pressekonferenz mit EZB-Chefin Christine Lagarde, die um Donnerstag wie üblich um 14.45 Uhr beginnt. Sollte Lagarde einräumen, dass sich die Konjunktur in der Eurozone zuletzt stärker abgeschwächt hat, als die EZB offiziell erwartet hatte, könnte das erneut für Abwärtsdruck auf den Euro gegenüber dem Dollar sorgen, womit die leichte Erholung des Euro seit Anfang Oktober schnell auslaufen würde. Dann werde ich schauen, wie der DAX auf einen möglichen Rückgang des Euro reagieren könnte.

Die Betonung liegt auf „offiziell erwartet“, denn die Volkswirte der EZB und etliche der Notenbanker wissen natürlich ganz genau, dass die hohe Inflation und die weltweit stark gestiegenen Zinsen eine exportabhängige Volkswirtschaft wie die der Eurozone enorm belasten. Allerdings geben das die Notenbanker üblicherweise erst dann zu, wenn man es nicht mehr schönreden kann.

Allerdings darf Lagarde mit ihren Aussagen den Euro nicht zu stark nach unten reden, denn ein sinkender Euro würde die Inflation wieder anheizen. Im September war die Inflationsrate in der Eurozone auf 4,3 Prozent eingebrochen, nach 5,2 Prozent für August. Das lag hauptsächlich an Sondereffekten.

Allerdings möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass trotz des Einbruchs der Inflationsrate die Verbraucherpreise in der Eurozone von einem Rekordhoch zum nächsten steigen. Das können Sie in dem Beitrag „Trotz Einbruch der Inflationsrate steigen Verbraucherpreise in Deutschland auf Rekordhoch“ nachlesen.

Kehrt Staatsschuldenkrise zurück?

Für Oktober sagen etliche Volkswirte einen Rückgang der Inflationsrate in der Eurozone auf 3,1 Prozent vorher. Damit gäbe es plötzlich einen positiven Realzins in der Eurozone. In diesem Beispiel wird er berechnet, wenn man vom Leitzins (4,5 Prozent) die erwartete Inflationsrate (3,1 Prozent) abzieht.

Einen positiven Realzins gab es schon seit Jahren nicht mehr in der Eurozone, hatte die EZB doch mit einem negativen Realzins die Konjunktur angekurbelt und damit die Inflation andauernd angeheizt. Vielen Dank dafür, Frau Lagarde!

Gleichzeitig muss die EZB die Entwicklung der Zinsen für Staatsanleihen genau im Auge behalten, könnte doch bei einem weiteren Anstieg plötzlich das Thema Staatsschuldenkrise wieder hochkochen. So hat der kräftige Anstieg der US-Zinsen die Zinsen für 10-jährige italienische Anleihen bis auf knapp 5,0 Prozent nach oben gezogen, ehe die Zinsen etwas gesunken sind und bei 4,85 Prozent liegen.

Das sind für Italien alles andere als gute Nachrichten, nachdem die Staatsschulden zur Jahresmitte auf horrende 2,85 Billionen Euro gestiegen waren – das waren herbe 142,4 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Kein Wunder, dass sich die italienischen Politiker andauernd über die hohen Zinsen beschweren. Dabei sind sie vor dem Hintergrund des massiven Schuldenbergs noch immer viel zu niedrig, viel zu niedrig!

Wenn viele Investoren nicht der Überzeugung wären, dass die EZB in der nächsten Krise wieder Billionen von Euro drucken würde und damit erneut italienische Staatsanleihen im Volumen von hunderten Mrd. Euro kaufen würde, wäre das gigantische Kartenhaus schon längst zusammengebrochen.

Goldpreis auf Euro-Basis nahe Rekordhoch

Umso wichtiger ist es meiner Meinung nach, sich gegen diese seit Jahren absolut verheerende Politik der EZB durch den Besitz von physischem Gold zu schützen.

Zugegeben, der Goldpreis ist seit dem Rekordhoch vom August 2020 zwischen rund 1.600 Dollar und 2.000 Dollar seitwärts tendiert. Es fehlt allerdings nur noch die Initialzündung, dann könnte die Notierung meiner Meinung nach schnell auf neue Rekordhochs nach oben schießen.

Ich hoffe allerdings sehr, dass das nicht an der Eskalation des Israel-Kriegs liegen wird, sondern dass es möglicherweise einen anderen Grund geben wird – allen voran die Schuldensause in den USA, die zwangsläufig die Inflation anheizt -, die den Goldpreis auf neue Spitzenwerte treiben wird.

Auf Euro-Basis ist der Goldpreis zuletzt ohnehin in die Nähe des Rekordhochs gestiegen, was natürlich an der jahrelangen Talfahrt des Euro gegenüber dem Dollar liegt. Das Risiko ist, dass bei einer Eskalation des Israel-Kriegs Investoren in den sicheren Hafen Dollar flüchten, woraufhin der Euro schnell auf Elf-Monats-Tiefs gegenüber dem Dollar einbrechen könnte.

Die mittel- und langfristigen Aussichten für Gold sind meiner Meinung nach weiterhin glänzend, denn je stärker die Schulden in den nächsten Jahren in den USA und der Eurozone steigen sollten, umso mehr wird das die Fiat-Währungen belasten. Umso mehr habe ich Sorge, dass die Weichwährung Euro gegenüber der anderen Weichwährung Dollar weiter an Wert verlieren wird. Und umso mehr Sinn macht es, die aktuellen Preise zu nutzen, um den Bestand an physischem Gold weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.