Aus dem anfänglich geordneten Verkauf von US-Staatsanleihen ist plötzlich ein ungeordneter Ausverkauf geworden, woraufhin die Zinsen zehnjähriger US-Anleihen auf 52-Wochen-Hochs nach oben geschossen sind. Im Gegenzug sind der Goldpreis und zuletzt auch Aktien nach unten gerauscht.

Harte Zeiten für Gold-Fans wie Sie und mich: Ab Mitte der vergangenen Woche hat sich die Talfahrt beim Goldpreis kräftig beschleunigt, woraufhin er mit Kursen von knapp unter 1.720 US-Dollar je Unze auf Acht-Monats-Tiefs eingebrochen war, ehe er sich zum Start in die neue Handelswoche deutlich erholt. Verantwortlich für den Einbruch ist der massive US-Zinsanstieg, den ich in dem Ausmaß so absolut nicht erwartet hatte.

Ursache dafür sind die rasant steigenden US-Inflationssorgen, nachdem es derzeit die extremste Politik aller Zeiten gibt, sowohl bei der Fiskal- als auch bei der Geldpolitik. Dass das die Inflationsängste schürt, sollte niemanden überraschen oder? So will US-Präsident Joe Biden neben seinem geplanten 1,9 Billionen US-Dollar schweren Konjunkturprogramm – das zweitgrößte Konjunkturprogramm aller Zeiten nach dem CARES-Act von 2,2 Billionen US-Dollar vom April 2020 – auch ein Infrastrukturprogramm von wahrscheinlich mindestens einer Billion US-Dollar im Kongress durchsetzen. Hinzu kommt ein Programm zum Umbau der Energieversorgung von zwei Billionen US-Dollar.

Trotz dieser gigantischen Dollar-Schwemme will die Fed weiterhin massiv Geld drucken und für netto 120 Mrd. US-Dollar pro Monat Staats- und Hypothekenanleihen kaufen, womit pro Jahr horrende 1,44 Billionen US-Dollar ins Finanzsystem gepumpt werden. So waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen am vergangenen Donnerstag, den 25. Februar 2021, zwischenzeitlich bis auf 1,61 % explodiert, das war das höchste Niveau seit Anfang Februar 2020, womit sich die Zinsen gegenüber dem Rekordtief von Anfang August 2020 von 0,50 % auf Schlusskursbasis mehr als verdreifacht haben – eine gigantische Bewegung innerhalb von knapp sieben Monaten.

Lassen Sie sich bitte von dem niedrigen Niveau bei den Zinsen nicht täuschen. Das ist wie wenn die Zinsen von 2,0 % auf mehr als 6,0 % explodieren würden, das hat enorme Auswirkungen – weil die Schulden heute viel höher sind als jemals zuvor, nicht nur nominell, sondern auch im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung oder zu den Steuer- und Gebühreneinnahmen des Staates.

Gleichzeitig waren die Realzinsen auf Basis zehnjähriger inflationsgeschützter US-Anleihen – ein starker Einflussfaktor auf den Goldpreis – zwischenzeitlich bis auf minus 0,60 % nach oben geschossen. Das ist ein enormer Anstieg gegenüber dem Rekordtief von minus 1,08 % vom Jahresanfang.

Aktien- und Anleihen-Crash hätten dramatische Folgen

Ich möchte Ihnen kurz aufzeigen, wie es zu dem ungeordneten Ausverkauf am US-Anleihenmarkt gekommen wird und weshalb die Fed jetzt sehr schnell eingreifen muss, um die Zinsen wieder nach unten zu drücken, was den Goldpreis stützen müsste. Ansonsten würden die gigantischsten Blasen aller Zeiten am Anleihen- und Aktienmarkt gleichzeitig platzen, woraufhin Anleger Billionen von US-Dollar verlieren würden, womit die Wirtschaft schnell in eine Rezession abrutschen würde.

Zur Erinnerung: Die privaten US-Haushalte besitzen in- und ausländische Aktien, inklusive Aktienfonds und -ETFs, im Wert von rund 30 Billionen US-Dollar. Ein Kurseinbruch um lediglich 10 % würde einen Verlust allein im Aktienbereich von drei Billionen US-Dollar bedeutet – das ist mehr als das Doppelte des geplanten 1,9 Billionen US-Dollar schweren Konjunkturprogramms von US-Präsident Joe Biden.

Die Fed kann also unter keinen Umständen zulassen, dass es zu einem nachhaltigen Einbruch am Anleihen- und damit am Aktienmarkt kommt. Offenbar hat der Markt aber das Vertrauen in die Fed und deren Chef Jay Powell verloren. Obwohl er in der vergangenen Woche wiederholt gebetsmühlenartig betont hat, dass die Fed auf absehbare Zeit weiterhin netto 120 Mrd. US-Dollar pro Monat drucken werde, haben Investoren am Markt für Fed Funds-Futures, also Derivate auf die US-Leitzinsen, vier Zinserhöhungen für den Zeitraum Ende 2022 bis 2024 eingepreist.

Offensichtlich glauben Investoren, dass die Fed auf die kräftig steigende Inflation und Inflationssorgen mit Zinserhöhungen reagieren wird, und damit die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen noch weiter nach oben treiben würde. Das halte ich allerdings für ausgeschlossen. Die Fed dürfte vielmehr ihr QE-Programm aufstocken, um die Zinsen nach unten zu drücken.

US-Zinssprung lässt Aktien einbrechen

Was ist genau passiert? Am vergangenen Donnerstag waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen mit knapp 1,4 % in den Handelstag gestartet und anschließend immer weiter nach oben geklettert, woraufhin DAX und S&P 500, die jeweils in der Nähe des Rekordhochs gelegen waren, plötzlich kräftig nachgegeben haben. Denn durch die massiv steigenden Zinsen wird plötzlich etwas Luft aus der Aktienblase abgelassen, nachdem zuvor die jahrelang immer weiter sinkenden Zinsen die Aktienmärkte in die Stratosphäre getrieben hatten. Zusätzlich haben sich Investoren nun Sorge gemacht, dass der Zinsanstieg das Wachstum der hochverschuldeten US- und damit der ebenfalls hochverschuldeten Weltwirtschaft deutlich dämpfen könnte, womit sich die Perspektiven für die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks eintrüben würden.

Gegen Mittag New Yorker Zeit verschärfte sich die Lage zusätzlich, als eine Auktion siebenjähriger US-Anleihen im Volumen von 62 Mrd. US-Dollar völlig schiefgelaufen ist. Dabei war das bid-to-cover-Ratio auf 2,05 eingebrochen – Rekordtief. Für einen US-Dollar an Anleihen, die die USA emittieren wollten, gab es Nachfrage von lediglich 2,05 US-Dollar – ein katastrophaler Wert. Investoren, gerade auch ausländische Notenbanken, hatten kaum Interesse an den Papieren, würden doch die Kurse bei weiter steigenden Zinsen sinken, was den Investoren schnell deutliche Verluste bescheren würde.

Nach der katastrophalen Auktion siebenjähriger Anleihen waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen – wie oben geschildert – bis auf 1,61 % explodiert, womit sie plötzlich zum ersten Mal seit Januar 2020 oberhalb der Dividendenrendite des S&P 500 von 1,5 % lagen. Da hatten Investoren wegen des Zinssprungs plötzlich eine Alternative zu Aktien.

Risk Parity-Fonds müssen liquidieren

Am gleichen Tag, also am vergangenen Donnerstag, haben US-Privatanleger zudem wieder massiv mit Aktien angeschlagener US-Unternehmen, wie GameStop und AMC Entertainment, gezockt, wie es die Anleger bereits Ende Januar gemacht hatten. Das können Sie in dem Beitrag „Massive Spekulation mit US-Aktien – das Ergebnis des Gelddruckens der Fed“ nachlesen.

Nachdem die Privatanleger beim ersten Mal damit vor allem Hedgefonds in die Bredouille gebracht hatten, kamen diesmal auch sogenannte Risk Parity-Fonds und herkömmliche Mischfonds (üblicherweise 60 % Aktien, 40 % Anleihen) in die Bredouille, woraufhin sie jeweils Aktien liquidieren mussten – denn der VIX, der die Volatilität des S&P 500 abbildet, war zwischenzeitlich auf mehr als 30 Punkte nach oben geschossen, nachdem er Mitte Februar mit 20 Punkten noch am 52-Wochen-Tief gelegen hatte.

Risk Parity-Fonds sind eine Art Mischfonds. Wegen der lange Zeit sehr niedrigen Volatilität beim S&P 500 hatten sie in den vergangenen Jahren den Aktienanteil zulasten des Anleiheanteils kräftig aufgestockt. Weil während des jüngsten Kurseinbruchs des S&P 500 in den vergangenen Tagen der VIX aber nach oben geschossen ist, ist dieser Schuss kräftig nach hinten losgegangen und die Fonds mussten Aktien verkaufen. Erst als die US-Zinsen am Freitag, 26. Februar, eingebrochen sind, beruhigte sich die Lage etwas und S&P 500 und DAX drehten ein wenig nach oben und konnten ihre Verluste ein bisschen eingrenzen.

Fed muss einschreiten

Umso mehr wächst der Druck auf die Fed schnell einzuschreiten und die Lage unter Kontrolle zu bringen. In dem Zusammenhang können Sie die jüngsten Aussagen von Raphael Bostic, dem Chef der Fed von Atlanta, schnell abhaken. „Ich mache mir keine Sorgen wegen des Zinsanstiegs“, hat Bostic gesagt. „Die Fed muss auf den Zinsanstieg derzeit nicht reagieren. Die Zinsen sind aus historischer Sicht immer noch sehr niedrig“, so Bostic.

„Ich mache mir keine Sorgen wegen des Zinsanstiegs“ bedeutet aber genau das Gegenteil des Gesagten. „Ich mache mir sehr wohl Sorgen wegen des Zinsanstiegs, sogar große Sorgen.“ Das kann Bostic aber so nicht sagen, würden doch die Zinsen ansonsten noch weiter nach oben schießen, womit noch mehr Luft aus dem Anleihen- und damit dem Aktienmarkt entweichen würde.

Es würde mich daher überhaupt nicht wundern, wenn einige Fed-Mitglieder schon in den nächsten paar Tagen mit verbalen Äußerungen versuchen würden, die Zinsen nach unten zu reden. Ansonsten könnten die Investoren wieder beginnen auf steigende Zinsen zu spekulieren, womit ein erneuter Kurseinbruch bei S&P 500 und DAX drohen würde. Sollten einige Fed-Mietglieder allerdings einschreiten, woraufhin die Zinsen weiter nachgeben würden, sollte sich die zum Start in die neue Handelswoche begonnene Erholung des Goldpreises fortsetzen.

Australische Notenbank verdoppelt Kaufvolumen

Das Problem ist, dass der Zinsanstieg in den USA auch die Zinsen im Rest der Welt deutlich mit nach oben gezogen hat, wie in Australien, Japan oder der Eurozone, woraufhin die Notenbanken einschreiten müssen. So hat die australische Notenbank zuletzt für drei Mrd. kanadische Dollar zusätzlich dreijährige Anleihen gekauft, um die Zinsen auf das Ziel der Notenbank von 0,10 % zu drücken. Trotz der kräftigen Käufe sind die Zinsen allerdings bei 0,13 % geblieben und haben sich kaum bewegt.

Die australische Notenbank betreibt eine Steuerung der Zinsstrukturkurve, die Notenbank hat im vergangenen Jahr festgelegt, wo die Zinsen für dreijährige Anleihen liegen. Offenbar wissen ein paar Bürokraten der Notenbank besser, wo die Zinsen liegen sollten als die Tausenden und Abertausenden von Investoren und Anlegern, die die Papiere alltäglich handeln.

Nachdem der erste Eingriff der Notenbank nicht besonders gut funktionierte, hat sie zum Start in die neue Handelswoche noch einmal nachgelegt und für vier Mrd. US-Dollar langlaufende Anleihen gekauft – das ist das Doppelte des üblichen Kaufvolumens – woraufhin die Zinsen für zehnjährige australische Anleihen um bis zu 32 Basispunkte (0,32 Prozentpunkte) eingebrochen sind und zuletzt bei knapp 1,7 % lagen. Das zeigt einmal mehr, wie schnell die Notenbanken bei Turbulenzen am Anleihen- und Aktienmarkt reagieren.

Daraufhin sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen auf knapp über 1,4 % eingebrochen, woraufhin Investoren kräftig bei Aktien und Gold zugreifen. Der Preis des Edelmetalls klettert auf 1.755 US-Dollar je Unze.

Chef der griechischen Notenbank fordert EZB zum Handeln auf

Nachdem die Zinsen in der Eurozone, beispielsweise für Bundesanleihen, deutlich geklettert waren, hat der Chef der griechischen Notenbank, Yannis Stournaras, die EZB zum Handeln aufgefordert. „In meinen Augen gibt es einen unberechtigten Anstieg der Zinsen, weshalb es möglicherweise wünschenswert wäre, dass die EZB das Tempo der Käufe des PEPP-Notfallaufkaufprogramms beschleunigt, um günstige Finanzierungsbedingungen während der Pandemie sicherzustellen“, sagte Stournaras.

„Meiner Meinung nach gibt es keine fundamentale Begründung für die Anstieg der nominellen Zinsen am langen Ende“, so der Notenbanker. Offensichtlich sind Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen von knapp minus 0,3 % keine „günstigen Finanzierungsbedingungen“ oder von knapp 0,8 % für zehnjährige italienische Anleihen. Bei derartigen Aussagen von Notenbankern können normaldenkende Menschen nur noch mit dem Kopf schütteln. Aber die Notenbanker finden immer irgendeine Ausrede, weshalb künftig noch viel mehr Geld gedruckt werden müsse als vorher.

Nach dem jüngsten Eingriff der australischen Notenbank, werde ich in den nächsten Tagen die Aussagen einiger Fed-Mitglieder umso genauer beobachten, zumal auch Powell selbst am kommenden Donnerstag, 4. März, per Livestream an einer Diskussionsrunde des Wall Street Journal zur Lage der US-Wirtschaft teilnehmen wird. Schafft es Powell einmal mehr die Zinsen nach unten zu reden, sollte sich die Erholung des Goldpreises fortsetzen.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.