Nach der Rekordfahrt des Goldpreises haben Gold und Silber zuletzt jeweils den größten Kursrutsch seit etlichen Jahren verbucht. Anleger sollten sich davon allerdings nicht verunsichern lassen, denn die mittel- und langfristigen Aussichten für Gold sind besser als je zuvor.

So schnell kann es gehen: Nachdem der Goldpreis am 4. August 2020 erstmals über der Marke von 2.000 Dollar je Unze geschlossen hatte und anschließend von einem Spitzenwert zum nächsten gestiegen war, ist die Notierung am Dienstag, den 11. August, um knapp 6 % eingeknickt – das war der größte Tagesverlust seit April 2013. Am gleichen Tag ist der Silberpreis sogar um rund 15 % eingebrochen, das war das größte Minus seit Oktober 2008, also wenige Wochen nach der Pleite von Lehman Brothers.

Grund für den aktuellen Kursrutsch bei Gold und dessen kleinen Bruder Silber war der kräftige Zinsanstieg in den USA. Nachdem die Verhandlungen zwischen dem Weißen Haus und den Republikanern auf der einen Seite, sowie den oppositionellen Demokraten auf der anderen Seite sehr zäh verlaufen waren, hat das Weiße Haus ab Dienstag mögliche Erlasse von US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebracht, die er schlussendlich am Samstag unterzeichnet hat.

Mit ihnen will Trump am Kongress vorbei neue Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur durchsetzen, was die Zinsen nach oben treibt. So wird das Arbeitslosengeld zwar von 600 auf 400 Dollar pro Woche gekürzt, etliche Experten und Investoren hatten allerdings eine drastischere Reduktion befürchtet. Das können Sie in dem Beitrag „Trump reagiert mit Erlassen auf verheerende Wirtschaftslage“ nachlesen.

Zuletzt hat der US-Präsident noch einmal nachgelegt und die Senkung der Kapitalertragssteuer gefordert, weil das angeblich Jobs schaffen würde. Das ist allerdings eine reine Erfindung: Vielmehr würde das einmal mehr eine massive Umverteilung von unten nach oben bedeuten, weil die reichsten 10 % der Amerikaner −die rund 85 % sämtlicher Aktien besitzen, die die Amerikaner insgesamt besitzen − weniger Steuern auf ihre Dividendeneinnahmen zahlen müssten.

Deutlicher US-Zinsanstieg sorgt für Kursrutsch bei Goldpreis

Die Folge von Trumps Politik: Nachdem die Zinsen am 4. August mit 0,51 % um lediglich 1 Basispunkt (0,01 %) über dem Rekordtief vom 9. März von 0,50 % auf Schlusskursbasis gelegen waren, womit der Anleihenmarkt die langfristigen Perspektiven der US-Wirtschaft als schlechter eingeschätzt hat als praktisch je zuvor , sind die Zinsen anschließend kräftig nach oben gedreht und inzwischen auf 0,66 % geklettert. Das ist ein Anstieg um rund 30 % in etwas mehr als einer Woche und damit eine heftige Bewegung nach oben.

Im Gegenzug hatte der Goldpreis deutlichen Gegenwind, zumal der US-Realzins gemessen an 10-jährigen inflationsgeschützten US-Anleihen vom Rekordtief vom 6. August bei minus 1,11 % zuletzt auf minus 1 % gestiegen ist. Zwischen dem Realzins und dem Goldpreis hat es in den vergangenen Jahren eine sehr negative Korrelation gegeben, das heißt je tiefer der US-Realzins gesunken ist, umso höher ist der Goldpreis gestiegen. Der Realzins wird errechnet, indem man vom Nominalzins die Inflationsrate abzieht.

Mittelfristigen Aussichten für Gold bleiben blendend

Nach dem Kurseinbruch notiert der Goldpreis mit rund 1.930 Dollar je Unze um rund 7 % unter dem Rekordhoch. Anleger sollten sich davon allerdings keineswegs verunsichern lassen, hat sich doch an den hervorragenden mittel- und langfristigen Perspektiven für Gold absolut nichts geändert. Entweder Trump erhöht mit seinen Erlassen die Staatsverschuldung kräftig oder er einigt sich mit den Demokraten auf ein weiteres Billionen Dollar schweres Konjunkturprogramm, woraufhin die Verschuldung noch stärker steigen dürfte als durch die Erlasse.

Damit werden die Notenpressen der Fed weiter auf Hochtouren laufen und gegebenenfalls die Geschwindigkeit sogar noch erhöht werden. Zuletzt hat der Chef der Notenbank von Richmond, Thomas Barkin, betont, wie wichtig ein weiteres Fiskalpaket sei. Ansonsten drohe sich das durch die Pandemie ausgelöste Schlagloch in ein Senkloch zu verwandeln.

Nachdem es zu keiner Einigung zwischen Trump und den Demokraten gekommen war, hat die Fed zuletzt einmal mehr reagiert und die Zinsen für das Kreditprogramm für angeschlagene Städte und Gemeinden um 50 Basispunkte gesenkt. Sollte die Konjunkturerholung wie von mir prognostiziert bald auslaufen, dürfte dieser Reduktion noch etliche weitere nach unten folgen.

Dass in dem Umfeld die Bilanzsumme der Fed von zuletzt 7,0 Billionen zügig in Richtung von 10 Billionen Dollar laufen dürfte, sollte niemanden überraschen. Das massive Gelddrucken entwertet allerdings den Dollar rapide, was dem Goldpreis weiterhin kräftigen Rückenwind geben sollte.

Fed will gigantischen US-Schuldenberg „weginflationieren“

Zudem dürfte die Fed bei der nächsten Sitzung am 16. September die Ergebnisse der Strategieüberprüfung der Geldpolitik vorlegen. Dabei dürfte die Fed ihr symmetrisches Inflationsziel in den Vordergrund rücken. Nachdem die Inflationsrate in den vergangenen Jahren häufig unter dem Zwei-Prozent-Ziel der Fed lag, dürfte die Fed künftig ein deutliches Überschießen über diese Marke zulassen ohne die Zinsen anzuheben, um so eine durchschnittliche Inflation von 2 % zu erreichen.

Wenngleich viele Amerikaner und Experten wissen, dass die tatsächliche Inflation viel höher ist als die offiziell ausgewiesene, sollte ein derartiges Signal der Fed, einer auf Jahre hinaus extrem lockeren Geldpolitik, den Goldpreis weiter erheblich beflügeln.

Dabei hatte die Fed früher gar kein Inflationsziel von 2 %, das hat sie erst im Januar offiziell 2012 eingeführt, weil das angeblich mit Preisstabilität gleichzusetzen sei und die Wirtschaft ankurble. Eine Inflation von 2 % bedeutet, dass der Dollar innerhalb von 10 Jahr um rund 18 % an Wert verliert, woraufhin die Preise im gleichen Zeitraum um 21,9 % steigen.

Dass das US-Wirtschaftswachstum in den vergangenen 10 Jahren, also zwischen 2010 und 2019, das niedrigste war seit dem Zweiten Weltkrieg, sei nur am Rande erwähnt – und das trotz Trumps kräftiger Steuersenkung aus dem Jahr 2018. Die extrem lockere Geldpolitik ist nur dafür da, damit der astronomische Schuldenberg „weginflationiert“ wird.

US-Realzins wird immer negativer werden bis das Finanzsystem irgendwann kollabiert

Umso mehr gilt es gerade den US-Realzins im Auge zu behalten. Sollte die sehr hohe inverse Korrelation zwischen ihm und dem Goldpreis anhalten, wovon ich klar ausgehe, entspräche einem Realzins von minus 2,0 % – was verheerende langfristige Perspektiven für die US-Wirtschaft widerspiegeln würde – rechnerisch ein Goldpreis von rund 2.250 Dollar je Unze.

Mich würde es allerdings nicht wundern, wenn bei einem derartig niedrigen Realzins der Goldpreis noch auf viel höhere Niveaus steigen würde, weil damit quasi das US-Finanzsystem und damit das weltweite Finanzsystem immer mehr auf den Kopf gestellt würden. Früher gab es keine negativen Realzinsen in den USA, weil Investoren an die guten Aussichten der US-Wirtschaft geglaubt hatten. Dabei hatten sich Anleger von dem deutlichen Wirtschaftswachstum blenden lassen und dabei ignoriert, dass es allein auf einer Schuldenexplosion beruht hat.

Inzwischen ist allerdings die harte Realität eingekehrt und immer mehr Investoren wissen, dass bei dem gigantischen US-Schuldenberg und anhaltend massiven neuen Schulden die Realzinsen immer weiter in den Keller gedrückt werden müssen, um einen Kollaps des Schuldenhauses zu verhindern.

EZB entwertet den Euro immer stärker

Die EZB folgt dem „Vorbild“ der Fed und druckt ebenfalls massiv Geld, wodurch der Euro rasant entwertet wird. Während die Bilanzsumme der Fed zuletzt um mehr als 80 % gegenüber dem Vorjahr auf 7,0 Billionen Dollar explodiert ist, ist jene der EZB um 36,5 % auf den Rekord von 6,4 Billionen Euro nach oben geschossen.

Damit beläuft sich die Bilanzsumme der EZB auf horrende 62,2 % der jährlichen Wirtschaftsleistung der Eurozone, gegenüber „nur“ 36 % für die Fed. Damit hat die EZB in den vergangenen Jahren noch massiver Geld gedruckt als die Fed – und damit den Euro noch stärker entwertet als die Fed den Dollar.

Aus dieser Politik gibt es keine Umkehr, weil sich kaum ein Politiker trauen wird, nach der aktuellen Schuldensause das Wort „Sparen“ in den Mund zu nehmen. Viele hochverschuldete Länder der Eurozone, wie Italien, Spanien, oder Frankreich, haben in den vergangenen Jahren trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht etwa „gespart“, sondern die massiven Zinsentlastungen durch die Strafzinsen der EZB genutzt, um das Geld weiter hinauszublasen und so die Konjunktur anzukurbeln.

Zwar könnte sich der Kursrückgang bei Gold kurzfristig noch ein wenig ausweiten, gerade wenn die US-Zinsen noch etwas steigen sollten. Dennoch will ich es noch einmal klar sagen: Trotz des jüngsten Kurseinbruchs bei Gold sind die mittel- und langfristigen Aussichten besser als je zuvor. Umso mehr Sinn macht es, die eigenen Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.