Viele Anleger sind der Überzeugung, dass die Ergebnisse der Fed-Sitzung für den US-Zinssprung verantwortlich sind. Ich bin hingegen völlig anderer Meinung. Allerdings könnte der Abwärtsdruck auf den Goldpreis kurzfristig anhalten.

Mit Kursen von rund 1.735 US-Dollar je Unze ist der Goldpreis in die Nähe des niedrigsten Niveaus seit Anfang April eingeknickt. Für Gegenwind sorgt vor allem der kräftige Anstieg der Zinsen für zehnjährige US-Anleihen, die mit 1,55 % nahe am Vier-Monats-Hoch notieren. Damit sind die Zinsen innerhalb einer Woche um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) nach oben geschossen – das ist eine enorme Bewegung. Das entspräche einem Sprung um 100 Basispunkte auf einen Monat hochgerechnet.

Der kräftige Zinsanstieg hat auch den US-Dollar mit nach oben gezogen, womit die Notierung des Edelmetalls von einer 2. Seite aus Gegenwind hat. So liegt der US-Dollar Index in der Nähe des 52-Wochen-Hochs. Der Index spiegelt die Veränderung des Greenbacks gegenüber sechs wichtigen Währungen, vor allem dem Euro wider.

Viele Investoren sind der Überzeugung, dass der kräftige US-Zinsanstieg auf die Fed-Sitzung vom 22. September zurückzuführen ist. Dabei hatte die US-Notenbank nicht nur signalisiert, dass sie bei der nächsten Sitzung am 3. November eine Ankündigung bezüglich der geplanten Drosselung („Tapering“) der QE-Anleihenkäufe machen wird. Vielmehr war die Zahl der Fed-Mitglieder, die mit einer 1. Zinserhöhung bereits für 2022 rechnen, von 7 auf 9 gestiegen, womit nun die Hälfte der Mitglieder einer Anhebung bereits für das nächste Jahr vorhersagen, während die anderen 9 davon ausgehen, dass die Zinsen auch im kommenden Jahr bei 0 bis 0,25 % bleiben werden. Das können Sie in dem Beitrag „Fed-Sitzung drückt den Goldpreis“ nachlesen.

Laut der Einschätzung vieler Experten hat die Aussicht auf eine möglicherweise früher als geplante Zinserhöhung für einen kräftigen Anstieg der US-Zinsen geführt. Denn eine Verringerung der Anleihekäufe würde für Aufwärtsdruck bei den Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sorgen. Ich bin hingegen völlig anderer Meinung. Wenn die Fed künftig sukzessive weniger Liquidität als bislang in den Finanzmarkt und damit teilweise in die Realwirtschaft pumpen würde, würden sich die Aussichten für die US-Wirtschaft eintrüben, woraufhin die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen sinken müssten.

Risikofaktor Evergrande

Meiner Meinung nach ist der kräftige US-Zinsanstieg nicht auf die Fed-Sitzung, sondern hauptsächlich auf die anhaltende Krise bei dem hochverschuldeten chinesischen Immobilienkonzern Evergrande zurückzuführen. Denn inzwischen infiziert sie auch Wettbewerber, weshalb die Aktie von Sunac zuletzt eingebrochen ist. Eine Immobilienkrise in China hätte massive Folgen für die chinesische Wirtschaft insgesamt, macht der Sektor doch rund 15 % der jährlichen Wirtschaftsleistung aus, während für viele Chinesen ihr Haus oder ihre Wohnung der mit weitem Abstand wichtigste Vermögenswert ist.

Eine Konjunkturflaute in China hätte massive Folgen für die Weltwirtschaft, hat das Wirtschaftswachstum Chinas zuletzt doch rund ein Drittel des Wachstums der Weltwirtschaft ausgemacht. In einem zunehmend unsicheren Konjunkturumfeld – zumal sich auch das US-Wirtschaftswachstum kräftig abgekühlt hat – sind Investoren bislang aber nicht in US-Staatsanleihen geflüchtet, woraufhin die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eingebrochen wären. Vielmehr haben Investoren kräftig US-Anleihen verkauft, um sich Liquidität zu beschaffen, woraufhin die Zinsen nach oben geschossen sind. Sollten die Zinsen für Staatsanleihen weiter steigen und damit auch die Zinsen für Kredite an Unternehmen und Verbraucher, die jeweils hoch verschuldet sind, nach oben ziehen, würde das die US-Wirtschaft enorm belasten.

Umso genauer werden sich Investoren am kommenden Freitag, 1. Oktober den Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie, die Bauausgaben und das Verbrauchervertrauen, das die Universität Michigan veröffentlicht, anschauen. Zwar hat Powell auf der Pressekonferenz nach der Fed-Sitzung betont, dass er im November eine Ankündigung zur Drosselung machen will, komme was wolle. Überraschend schwache Konjunkturdaten könnten bei etlichen Investoren aber dennoch Zweifel schüren, ob Powell die geplante Drosselung, die Mitte 2022 enden soll, schlussendlich auch so durchziehen wird, wie er es bald darlegen will.

Tapern hängt einzig und allein von der Entwicklung des Aktienmarktes ab

Behalten Sie daher bitte weiterhin die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen im Auge. Sollten sie trotz möglicherweise schwacher US-Konjunkturdaten weiter steigen – und damit eine sich verschärfende Krise im chinesischen Immobiliensektor widerspiegeln -, könnte es zwar kurzfristig noch etwas Druck auf den Goldpreis geben. Je schneller die Lage in China allerdings eskalieren sollte, und je stärker die US-Zinsen damit nach oben schießen sollten – womit sich der Kursrückgang beim S&P500 ausweiten würde -, umso stärker sollte plötzlich der Druck auf Powell wachsen, einen ungeordneten, starken Zinsanstieg zu verhindern und es sich mit dem Tapern vielleicht doch noch einmal zu überlegen.

Ich bin weiterhin der festen Überzeugung, dass die Fed bei einem Kurseinbruch um 10 % und mehr beim S&P500 das Drosseln der Anleihekäufe schnell auf Eis legen wird. Wieso? Das Aktienvermögen der Amerikaner ist im zweiten Quartal 2021 um 3,5 Billionen US-Dollar gegenüber dem Vorquartal auf 47,0 Billionen US-Dollar gestiegen. Ein Kursrückgang um lediglich 10 % würde also Vermögensverluste von 4,7 Billionen US-Dollar bedeuten. Das ist fast genauso viel wie jene 5,0 Billionen US-Dollar, die die US-Regierungen seit Frühjahr 2020 über 3 Konjunkturprogramme in die Wirtschaft gepumpt haben.

Vor dem Hintergrund sollten Sie sich vom jüngsten Kursrückgang bei Gold nicht verunsichern lassen. Irgendwann sollten viele Investoren feststellen, dass die Blasenwirtschaft USA auf nichts anderem beruht, als auf einem massiven Schuldenmachen der Regierung, das mit der Notenpresse der Fed finanziert wird, womit die Fiat-Währung US-Dollar immer schneller entwertet wird. Wenn das Gelddrucken für eine längere Zeit eingestellt werden würde, würde die US-Wirtschaft zwangsläufig in eine schwere Rezession abrutschen – das können Regierung und Fed unter keinen Umständen zulassen. Umso wichtiger ist es, mittel- und langfristig eine ordentliche Portion physisches Gold zu besitzen, zumal die Lage in der Euro-Zone mit dem Schuldenmachen und Gelddrucken ähnlich miserabel ist wie in den USA.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.