Monatelang hatten viele Experten gebetsmühlenartig behauptet, dass das Ende des Gelddruckens der Fed und der daraus resultierende kräftige US-Zinsanstieg an den Aktienmärkten eingepreist sei. Die jüngsten Kurseinbrüche bei S&P500 und DAX sprechen allerdings eine ganz andere Sprache. Umso nervöser warten Investoren auf die Fed-Sitzung am kommenden Mittwoch.

Viele Aktienbesitzer werden zusehends nervöser: Grund ist der kräftige US-Zinsanstieg, der zuletzt für einen Einbruch bei S&P500 und DAX gesorgt hat. So sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen innerhalb von nur dreieinhalb Wochen um rund 40 Basispunkte (0,4 Prozentpunkte) nach oben geschossen und liegen bei knapp 1,9 % – das ist eine enorme Bewegung!

Nachdem die aufgrund des massiven Gelddruckens der Fed jahrelang sinkenden Zinsen S&P500 und DAX in die Stratosphäre getrieben hatten, dreht sich mit den nun kräftig steigenden US-Zinsen die Spirale am Aktienmarkt diesseits und jenseits des Atlantiks plötzlich in die andere Richtung. Unter die Räder kommen dabei vor allem die hochbewerteten Growth-Aktien, also Papiere von Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade beim Umsatz, wie die US-Technologieaktien. In dem Umfeld ist der Nasdaq Composite auf Drei-Monats-Tiefs eingebrochen und zieht damit den S&P500 mit nach unten.

Trotz der kräftig steigenden US-Zinsen hält sich der Goldpreis bemerkenswert gut, zumal der Dollar nach dem zwischenzeitlichen Rückgang wieder nach oben gedreht ist. Damit hat die Notierung des Edelmetalls von zwei Seiten Gegenwind. Umso beeindruckender ist es, dass sich der Goldpreis bei rund 1.815 US-Dollar je Unze hält.

Finanzprofis überbieten sich mit Prognosen zu US-Zinserhöhungen

Für den kräftigen US-Zinsanstieg ist einzig und allein die Sorge der Investoren vor dem Ende des Gelddruckens der Fed Mitte März verantwortlich. Zudem gehen Experten davon aus, dass die Fed bei der übernächsten Sitzung am 16. März die Zinsen zum ersten Mal in diesem Zyklus anheben dürfte. Zudem sind für das Gesamtjahr 2022 vier Zinserhöhungen um insgesamt 100 Basispunkte (1,0 Prozentpunkte) gegenüber dem aktuellen Niveau von 0 bis 0,25 % eingepreist.

Bei der Vorlage der Quartalszahlen hat zuletzt JPMorgan-Chef Jamie Dimon gesagt, dass es in diesem Jahr möglicherweise nicht nur vier, sondern sogar „sechs bis sieben“ Zinserhöhungen geben könnte. Und der Hedgefonds Manager Bill Ackman hat gesagt, dass die Fed bei der Sitzung im März die Zinsen nicht nur um 25 Basispunkte, sondern um 50 Basispunkte anheben sollte, um „ihre Glaubwürdigkeit wieder herzustellen.“

Von welcher „Glaubwürdigkeit“ spricht Ackman denn? Die Fed hat schon längst keinerlei Glaubwürdigkeit mehr, schließlich hat die Fed in den vergangenen 13 Jahren nichts anderes getan, als mit massivem Gelddrucken die Schuldensause der US-Regierungen zu finanzieren und dabei kräftig die Inflation anzuheizen. Nur so kann die Fed verhindern, dass das gigantische Schuldengebäude schnell zusammenbricht. Die Fed hat für mich absolut keinerlei Glaubwürdigkeit!

Wann hat die Fed das letzte Mal die Zinsen um 50 Basispunkte angehoben? Das war bei der Sitzung im Mai 2000, als die Zinsen von 6,0 auf 6,5 % nach oben geschraubt worden waren. Das war wenige Wochen, nachdem die damalige Blase bei Technologie-, Medien- und Telekomaktien geplatzt war. Zwar ist der S&P500 anschließend noch ein paar Monate seitwärts gelaufen, anschließend ist der Index aber vor, während und nach der Rezession zwischen März 2001 und November 2001 umso stärker eingebrochen. Beim Tief im Oktober 2002 lag der S&P500 um knapp 50 Prozent unter dem damaligen Rekordhoch vom März 2000.

US-Wirtschaftskrise zieht herauf

Sollte die Fed die Zinsen in den nächsten Monaten tatsächlich kräftig erhöhen, dürfte sie die hochverschuldete US-Wirtschaft damit schnell in eine Rezession schicken. In dem vergangenen Wochen hat es bereits eine Serie schwacher US-Konjunkturdaten gegeben. Zuletzt war der Einkaufsmanagerindex der Notenbank von New York für die dortige Industrie im Januar von 31,9 Punkte auf minus 0,7 Punkte kollabiert. Die allzeit optimistischen Volkswirte hatten einen Rückgang auf lediglich 26,0 Punkte vorhergesagt, dann ist aber einmal mehr die unschöne Realität dazwischen gekommen.

Neben dem Materialmangel leidet die US-Wirtschaft hauptsächlich darunter, dass für 2022 bislang kein neues Konjunkturprogramm geplant ist. Damit dürfte die Wirtschaft 2022 von der Klippe herunterfallen, nachdem die Wirtschaft 2021 durch zwei Konjunkturprogramme im Volumen von insgesamt 2,8 Billionen US-Dollar angekurbelt worden war. Gleichzeitig ist Ende Dezember der Steuerfreibetrag für Kinder ausgelaufen, demnach Kinder im Alter von bis zu 5 Jahren 300 US-Dollar pro Monat per Scheck vom Staat bekommen haben, zwischen 6 und 17 Jahren waren es 250 US-Dollar. Bei zwei Kindern fehlen also ab sofort 500 bis 600 US-Dollar pro Monat in der Haushaltskasse – eine Menge Holz für viele einkommensschwache Amerikaner.

Gleichzeitig tritt am 22. Januar die Impflicht für US-Lkw-Fahrer in Kraft, nachdem sie zuletzt bereits für kanadische in Kraft getreten war. Wenn sich 15 bis 20 % der Lkw-Fahrer diesseits und jenseits der Grenze nicht impfen lassen sollten, und damit nicht arbeiten können, würde das die stark von Einfuhren abhängige US-Wirtschaft enorm belasten. Dann dürften die Regale, gerade bei etlichen Lebensmitteln, innerhalb weniger Wochen leer sein, woraufhin die Preise für die Nahrungsmittel noch weiter nach oben schießen würde. Die Fastfood-Kette Dominos Pizza prognostiziert für 2022 einen Anstieg der Kosten für Lebensmittel um acht bis zehn Prozent. Eine noch höhere Inflation würde viele Amerikaner noch stärker belasten, als es die Inflationsrate von 7,0 % für Dezember – die höchste seit 1982! – ohnehin bereits tut.

Wie sehr sich die Aussichten für die US-Wirtschaft bereits eingetrübt haben, zeigt der Zinsaufschlag für zehnjährige US-Anleihen gegenüber zweijährigen unmissverständlich. Er ist auf nurmehr 83 Basispunkte gesunken – die Zinsstrukturkurve ist also deutlich flacher geworden – und liegt damit in der Nähe des niedrigsten Niveaus seit Dezember 2020. Sollte die Kurve in den nächsten Monaten noch deutlich flacher werden, beispielsweise in Richtung 60 Basispunkte, oder sogar 50 Basispunkte, müssen alle Warnlampen bezüglich der Konjunktur angehen.

Rally beim Ölpreis heizt Inflation an

Gleichzeitig ist beim Anstieg des Ölpreises scheinbar kein Ende in Sicht, was die Inflation zusätzlich anheizt. Dabei ist die Notierung des Energieträgers zuletzt auf Sieben-Jahres-Hochs gestiegen. Ich gehe davon aus, dass der Ölpreis in den nächsten Monaten zügig in Richtung 100 US-Dollar je Barrel und darüber hinaus laufen sollte, was die Inflation weiter anheizen und damit die US-Zinsen weiter nach oben treiben würde. Dass sich in einem derartigen Umfeld der Abwärtstrend beim S&P500 – und damit beim DAX – beschleunigen dürfte, sollte jedermann klar sein.

Wenn das nicht schon genug schlechte Nachrichten wären, will der französische Finanzminister Bruno Le Maire die Schuldenregeln in der Euro-Zone lockern. „Die Schuldenregeln müssen sich an der Realität orientieren, nicht an Träumen“, sagte Le Maire. Er will es künftig den Schuldenstaaten selbst überlassen, wie sie ihre Schulden etwas abbauen. Damit ist natürlich nicht die Reduktion der Schulden gemeint, sondern nur deren Verringerung im Verhältnis zur jährlichen Wirtschaftsleistung.

Im Klartext: Frankreich will ebenso wenig die hohen Staatsschulden abbauen, wie viele der anderen hochverschuldeten Südländer, wie Italien, Spanien, Griechenland oder Portugal es tun wollen. Dabei sind die Schulden Frankreichs auf den Rekord von 2,7 Billionen Euro gestiegen – das sind horrende 115 % der jährlichen Wirtschaftsleistung! Kein Schuldenabbau und stattdessen vielmehr das Machen immer neuer Schulden, um die Konjunktur anzukurbeln, bedeutet, dass die EZB bis zum Sankt Nimmerleinstag die Staatsschulden vieler Euro-Länder mit der Notenpresse finanzieren muss, während es soweit das Auge reicht Strafzinsen geben wird. Wenn das keine guten Aussichten sind, was dann?

Warten auf Fed-Sitzung

Nun warten viele Investoren gespannt auf die Fed-Sitzung am kommenden Mittwoch, 26. Januar. Sollte die Fed unter ihrem Chef Jerome Powell dann erneut so tun, als könnte sie die Geldpolitik noch schneller und stärker verschärfen als bislang angekündigt, könnte sich der US-Zinsanstieg beschleunigen, was für einen erneuten Kursrutsch beim S&P500 sorgen würde. Dann werde ich schauen, ob Investoren eventuell allmählich in den sicheren Hafen Gold flüchten.

Wie gesagt finde ich es mehr als beachtlich, wie gut sich der Goldpreis bislang gehalten hat. Offenbar gehen viele Investoren davon aus, dass die Fed bei einem kräftigen Kurseinbruch beim S&P500 innerhalb weniger Monate umschwenken und eine neue Runde QE-Gelddruckens auflegen dürfte. Dann sollte auch dem allerletzten Anleger endgültig klarwerden, dass die US-Wirtschaft ohne anhaltendes Gelddrucken der Fed nicht auskommen kann. In dem Umfeld sollte der Goldpreis in Richtung seines Rekordhochs vom August 2020 durchstarten. Dann sollte sich herausstellen, dass die aktuellen Preise ein gute Gelegenheit sind, um die eigenen Bestände an physischem Gold aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.