Seit Jahresanfang haben die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen einen deutlichen Sprung nach oben gemacht. Die Veröffentlichung des Fed-Protokolls hat für zusätzlichen Aufwärtsdruck bei den Zinsen gesorgt. Das dürfte allerdings die hochverschuldete US-Privatwirtschaft sehr schnell belasten.

Offenbar will die Fed die Geldpolitik in den nächsten Monaten schneller verschärfen, als die Fed-Mitglieder um deren Chef Jay Powell bislang angekündigt hatten. Das signalisiert das Fed-Protokoll zur Sitzung vom 15. Dezember 2021, das die US-Notenbank am Mittwochabend, 5. Januar 2022 veröffentlicht hat.

Daraufhin hat sich der Anstieg der Zinsen für zehnjährige US-Anleihen beschleunigt. Mit 1,73 % liegen die Zinsen damit in der Nähe des höchsten Niveaus seit Mitte Januar 2020, also des Zwei-Jahres-Hochs. Im Gegenzug ist der Goldpreis unter 1.800 US-Dollar eingebrochen und notiert damit in der Nähe des Drei-Wochen-Tiefs.

So signalisierten die Fed-Mitglieder, dass es angemessen sein könnte, die Leitzinsen früher und in einem schnelleren Tempo anzuheben, als die Mitglieder zuvor erwartet hatten. Bei der Sitzung im Dezember hatten die Fed-Mitglieder angekündigt, dass die Drosselung der Anleihekäufe beschleunigt werden soll und sie Mitte März 2022 auslaufen werden.

Inzwischen ist mit einer Wahrscheinlich von 80 % die erste Zinserhöhung bereits für März eingepreist, oder anders ausgedrückt: Es ist eine Zinserhöhung um 20 Basispunkte (0,20 Prozentpunkte) für die Sitzung am 16. März eingepreist. Üblicherweise erhöht die Fed die Leitzinsen in Schritten von 25 Basispunkten. Insgesamt erwarten viele Experten, dass die erste Zinserhöhung schlussendlich im Mai oder Juni erfolgen wird, während im Laufe des zweiten Halbjahres zwei weitere Erhöhungen folgen sollen.

Fed-Mitglieder wollen bald Anleihen verkaufen

Für zusätzliche Verunsicherung bei Investoren hat gesorgt, dass die Fed-Mitglieder über einen möglichen Abbau der Bilanzsumme, sprich den Verkauf von Staats- und Hypothekenanleihen aus dem Billionenschweren Bestand der Fed, diskutiert haben. Das würde allerdings dem Bankensystem und damit teilweise der Realwirtschaft Liquidität entziehen, was die Konjunktur zwangsläufig belasten würde.

Laut dem Fed-Protokoll seien einige Fed-Mitglieder der Überzeugung, dass der Abbau der Bilanzsumme schon ziemlich bald nach der ersten Zinserhöhung beginnen könnte und damit viel früher als beim letzten Zyklus. Damals hatte die Fed nach der ersten Zinserhöhung im Dezember 2015 noch fast zwei Jahre lang gewartet, um im Oktober 2017 mit dem Verkauf von Anleihen zu beginnen, wobei anfangs Anleihen von lediglich zehn Mrd. US-Dollar pro Monat verkauft worden waren, woraufhin die Verkäufe in den folgenden Monaten und Quartalen deutlich aufgestockt worden waren. Laut dem neuesten Fed-Protokoll könnte diesmal zudem der Abbau der Bilanzsumme schneller vorangetrieben werden als damals, sprich die Fed könnte mit höheren Verkaufsvolumen beginnen, was einen stärkeren Liquiditätsentzug bedeuten würde.

Fed steuert schnell auf den Abgrund zu

Während die Fed fantasiert, wie stark die US-Wirtschaft sei und dass es am Arbeitsmarkt fast schon Vollbeschäftigung gäbe, geht die Fed mit ihren Signalen und möglichen Plänen ein enormes Risiko ein. Schließlich ist die Fed bereits mit dem damaligen Abbau der Bilanzsumme gescheitert, nachdem Powell nach dem zwischenzeitlichen Kurseinbruch beim S&P500 im vierten Quartal 2018, im September 2019 mit dem Kauf von Anleihen und damit dem Aufstocken der Bilanzsumme begonnen hatte – damals lag die Bilanzsumme noch bei „nur“ 3,8 Billionen US-Dollar, inzwischen sind es horrende 8,8 Billionen US-Dollar.

Meiner Meinung nach wird es auch diesmal genau so laufen: je schneller und stärker die Fed die Zinsen erhöhen und später die Bilanzsumme abbauen sollte, umso schneller und stärker wird die Fed über die möglicherweise weiter steigenden Zinsen die hochverschuldete US-Privatwirtschaft belasten, woraufhin die Wirtschaft schnell auf eine Rezession zusteuern würde. Dann müsste die Fed umso schneller umschwenken, die Zinsen schnell senken, und ein neues QE-Gelddruckprogramm auflegen.

US-Privatwirtschaft ist verschuldet bis Unterkante Oberlippe

Zur Erinnerung: Obwohl die US-Regierung wegen der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 über drei Konjunkturprogramme insgesamt 5,0 Billionen US-Dollar in die Wirtschaft gepumpt hat, und die Fed seit Februar 2020 horrende 4,6 Billionen US-Dollar gedruckt hat, sind die Schulden der privaten Haushalte zwischen dem vierten Quartal 2018 und dem dritten Quartal 2021 um zwei Billionen US-Dollar auf den Rekord von 17,6 Billionen US-Dollar gestiegen.

Im gleichen Zeitraum sind die Schulden der Unternehmen um 1,8 Billionen auf den Rekord von 11,4 Billionen US-Dollar geklettert. Damit belaufen sich die Schulden der Unternehmen auf herbe 49,2 % der jährlichen Wirtschaftsleistung, ebenfalls ein „Spitzenwert.“ Vor dem Hintergrund dieser Zahlen für Verbraucher und Firmen sollte jedermann klar sein, dass jeder noch so kleine Zinsanstieg das gigantische Schuldenhaus zum Wackeln bringen dürfte.

Wenn die Zinsen für Hypotheken- und Autokredite, oder Firmenkredite weiter steigen sollten – die Zinsen für 30jährige Hypothekenkredite liegen mit 3,25 % in der Nähe des höchsten Niveaus seit Mai 2020 -, sollte das die Privatwirtschaft – zusätzlich zu der galoppierenden Inflation – weiter belasten, woraufhin die Wirtschaft schnell auf eine Rezession zusteuern dürfte. Zumal die jüngsten US-Konjunkturdaten, wie zu den Verkäufen neuer Häuser, oder dem wichtigen Einkaufsmanagerindex für die Industrie, den das Institute for Supply Management (ISM) veröffentlicht, nicht gerade gut waren.

So war der Einkaufsmanagerindex im Dezember 2021 von 61,1 Punkte auf 58,7 Punkten eingebrochen, das war das niedrigste Niveau seit Januar 2021 und lag damit unter den Schätzungen der allzeit optimistischen Volkswirte von 60 Punkten. Das deutet unmissverständlich auf eine klare Eintrübung der Aussichten für die Industrie hin – und meiner Meinung nach auch für die Gesamtwirtschaft. Denn üblicherweise springt die Schwäche in der Industrie innerhalb weniger Monate auf den Dienstleistungssektor über. Der einzige Grund für den kräftigen Zinsanstieg ist die Sorge vor dem Auslaufen des Gelddruckens im März und möglichen baldigen Zinserhöhungen. Hingegen liefern die Konjunkturdaten absolut keinen Grund für Zinserhöhungen.

Wann wird die Fed umschwenken?

Während viele Investoren spekulieren, wann die erste Zinserhöhung kommen könnte, werde ich vielmehr schauen, wann die Fed umschwenken müsste, um die Lage zu stabilisieren. Mich würde es nicht wundern, wenn das spätestens zur Jahresmitte der Fall sein sollte, die Betonung liegt auf „spätestens.“ Zudem bin ich weiterhin der Überzeugung, dass die Fed bei einem möglichen Kurseinbruch um 20 bis 25 % beim S&P500, was Vermögensverluste von horrenden 8,1 bis 10,2 Billionen US-Dollar bedeuten würde, das Thema Zinserhöhungen sofort auf Eis legen würde. Schließlich dürften die Amerikaner bei derartigen Vermögenseinbußen schnell auf die Ausgabenbremse treten, was die Konjunktur zusätzlich belasten würde.

Kurzfristig könnten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen weiter steigen, zumal wenn der US-Arbeitsmarktbericht am 7. Januar noch stärker als erwartet ausfallen sollte. In dem Umfeld könnte der Goldpreis noch etwas nachgeben, gerade wenn der US-Dollar weiter zulegen sollte. Meiner Meinung nach sollte sich die Notierung des Edelmetalls aber bald stabilisieren, denn viele Investoren wissen, dass die Fed die Zinsen nicht viel weiter nach oben treiben kann, ohne für erhebliche Turbulenzen am Aktien- und Immobilienmarkt zu sorgen. Umso mehr könnte die Fed in den nächsten Monaten vor den US-Halbzeitwahlen am 8. November unter Druck kommen, nicht zu stark auf die Bremse zu treten und anschließend in Richtung einer Lockerung der Geldpolitik umzuschwenken. Umso stärker dürfte dann der Goldpreis nach oben drehen.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.