Wenn ich die Entwicklung an der Börse beobachte, kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln: Da stehen DAX und S&P500 nur ein paar Prozentpunkte unter ihren Rekordhochs, während der Goldpreis mit rund 1.300 Dollar je Unze in der Nähe der Mehr-Monats-Tiefs notiert. Beides macht keinerlei Sinn, denn es gibt enorme Risiken für die Weltwirtschaft und damit den Aktienmarkt, wohingegen es gute Gründe für steigende Goldpreise gibt.

Zur Überraschung vieler Experten hat US-Präsident Donald Trump seine Zustimmung zu der erzielten Erklärung des G7-Gipfels zurückgezogen. Damit verschärft sich der Handelskrieg weiter. Dass Trump im Handelskrieg keineswegs nachgeben wird, sondern vielmehr das Thema mindestens bei zu den Halbzeitwahlen am 6. November am Köcheln halten wird, hatte ich wiederholt geschrieben. Mit der Verschärfung des Handelskriegs trüben sich die Perspektiven für die Weltwirtschaft weiter ein, zumal Trump einmal mehr mit Strafzöllen auf importierte Autos gedroht hat. „Ich bin über die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen sehr besorgt”, sagte Bernhard Mattes, Präsident des Autoverbands VDA. Ein Umfeld, in dem die Aussichten für die Weltwirtschaft zusehends schlechter werden, verheißt nichts Gutes für den Aktienmarkt, für den DAX noch viel weniger als für den S&P500, weil im DAX viele exportabhängige Unternehmen sind.

Das mit weitem Abstand größte Risiko für die Weltwirtschaft und damit den DAX ist allerdings das Thema Italien. Zwar sind die Zinsen für zweijährige italienische Anleihen zuletzt eingebrochen, nachdem Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria gesagt hatte „ein Austritt aus dem Euro steht nicht zur Debatte.“ Was allerdings weiterhin zur Debatte steht ist die geplante Schuldenexplosion, die im völligen Gegensatz zu den Regeln der Euro-Zone steht. Zur Erinnerung: Laut den Schätzungen von Experten würde die Neuverschuldung Italiens um mehr als 120 Mrd. Euro pro Jahr explodieren. Damit würde sie sich gegenüber dem 2017er-Wert von 43,5 Mrd. annähernd vervierfachen. Und das für ein Land, das bereits 2,3 Billionen Euro Schulden hat, das sind horrende 131,8 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Zuletzt haben viele deutsche Finanzprofis offen eingeräumt, dass die Italiener wegen des immensen Schuldenbergs eine viel größere Verhandlungsmacht – spricht ein viel größeres Erpressungspotenzial – gerade gegenüber Deutschland haben als die Griechen.

Vergemeinschaft der Schulden droht

„Es ist absurd: Je höher die Schulden, desto mächtiger ist Rom und umso schwächer seine Geldgeber, vor allem also die EZB. In vorauseilendem Gehorsam werden EU und EZB daher bereit sein, weitere römische Schulden-Kröten zu schlucken und auch noch als Delikatesse zu preisen. Warum nicht gleich Helikoptergeld abwerfen? Hauptsache Italien bleibt Europa treu, wenn auch nicht aus Liebe, sondern aus eigennützigen Vernunftgründen“, schrieb Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. „Damit hat Italien eine Blaupause, einen Fluchtplan auch für andere Euro-Südländer geliefert, um aus dem europäischen Spargefängnis auszubrechen. So wird auch die neue sozialistische Regierung in Spanien die Gunst der italienischen Stunde nutzen, um mit weniger schmerzhaften Reformen, dafür aber mehr sozialen Wohltaten ihr Ansehen bei den Wählern zu erhöhen. Überhaupt, mit Emmanuel Macron wird die einstige Stabilitätsunion charmant weichgespült. Seine Forderungen nach Vergemeinschaftung von Euro-Schulden, einer Bankenunion und einem Währungsfonds zur Stützung notleidender Euro-Staaten verkauft er als ultimativ, damit Europa zusammengehalten werden kann“, so Halver. Auf die Dauer dürften eine Schuldenexplosion Italiens und ein Verbleib im Euro wohl kaum zusammengehen, oder?

Konjunkturerwartungen für die Euro-Zone brechen ein

Vor dem Hintergrund haben viele Konjunkturdaten für die Euro-Zone den Rückwärtsgang eingelegt. „Die sentix Konjunkturerwartungen (für die Euro-Zone) brechen im Juni regelrecht ein. Mit einem Stand von minus 13,3 Punkten notieren die Erwartungen auf dem niedrigsten Stand seit August 2012! Auch die bisherige Konjunkturlokomotive in Europa, die deutsche Wirtschaft, steht unter Druck. Der Gesamtindex für Deutschland sinkt zum fünften Mal in Folge auf den tiefsten Stand seit Juli 2016“, schrieb Manfred Hübner, Geschäftsführer bei sentix. sentix ist eine Investmentboutique, die darauf spezialisiert ist, Muster im Anlegerverhalten am Kapitalmarkt zu analysieren und die Ergebnisse für das Investieren zu nutzen. Was dürfte aber mit dem DAX passieren, wenn sich die Perspektiven für den wichtigsten Absatzmarkt der deutschen Unternehmen rapide verschlechtern? Hingegen sollte das ein hervorragendes Umfeld für Gold sein, zumindest auf Euro-Basis. Physisches Gold ist einer der ganz wenigen Vermögenswerte, bei dem es kein Gegenpartei- und damit kein Ausfallrisiko gibt.

Währungskrise in den Emerging Markets

Der dritte Risikofaktor für den DAX und den weltweiten Aktienmarkt ist die Krise in den Emerging Markets. Die türkische Lira und der argentinische Peso markieren täglich neue Rekordtiefs gegenüber Euro und Dollar. Zuletzt ist zudem der brasilianische Real rapide in Richtung vier Real je Dollar gefallen, ehe sich der Real erholt hat. Was passiert aber wohl beispielsweise mit den Geschäften der deutschen Autohersteller in Argentinien, oder Brasilien, wenn die dortige Währung um 20 Prozent gegenüber dem Euro einbricht? Anschließend droht der Absatz von Daimler, BMW und Volkswagen in den jeweiligen Ländern einzubrechen, oder? Trotz all dieser enormen Risiken notiert der DAX in luftigen Höhen, während der Goldpreis auf Dollar-Basis schwächelt, während er auf Euro-Basis allmählich steigt. Sollte sich aber die Lage in der Italien-Krise, beim Handelskrieg oder den Turbulenzen in den Emerging Markets verschärfen, könnte das eher als viele Experten erwarten den weltweiten Aktienmarkt und damit den DAX infizieren. In dem Umfeld könnten Investoren Geld aus Aktien in Gold umschichten. Von großer Bedeutung dürfte allerdings sein, wie sich der Dollar weiterentwickelt. Sollte er trotz der Eskalation der Italien-Krise nach unten drehen, weil die EZB ihr Anleihenkaufprogramm endlich auslaufen lassen könnte, dürfte das den Goldpreis deutlich beflügeln.

Anleger sollten die Entwicklung in Italien weiter genau im Auge haben. Sie dürfte schon bald wieder eskalieren. Damit könnte bei Investoren die Sorge vor einem Kollaps des Euro hochkochen. Das wäre das dicke Ende des Billionenschweren Gelddruckens der EZB. Hingegen sollte Gold in solch unsicheren Zeiten als sicherer Hafen gefragt sein. Ich kann Ihnen daher weiterhin nur empfehlen, Ihre Bestände aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.