Wegen der Aussicht auf weitere deutliche Zinserhöhungen der Fed waren die Aktienmärkte in den vergangenen Monaten auf Crash-Kurs. Am Montag ist die Stimmung aber plötzlich umgeschlagen, was nicht nur die Aktienmärkte, sondern auch Gold und Silber deutlich nach oben getrieben hat.

Welchen Unterschied doch ein paar Tage ausmachen: Ende September waren viele Anleger in Panikstimmung, nachdem S&P500 und DAX auf 22-Monats-Tiefs eingebrochen waren. Am Montag, 3. Oktober kam dann aber plötzlich die Kehrtwende nach oben. Sie begann, nachdem der britische Finanzminister Kwasi Kwarteng überraschend angekündigt hatte, dass die Regierung auf die geplante Senkung des Spitzensteuersatzes verzichten werde.

Da sah der Markt darüber hinweg, dass der Staat dadurch lediglich 2,3 Mrd. britische Pfund spart und die Haushaltsdefizite für das laufende und die nächsten Fiskaljahre hoch bleiben werden. Die Märkte haben Kwartengs Ankündigung positiv aufgenommen, weil sie der Überzeugung sind, dass die britische Regierung durch die Turbulenzen an den Anleihemärkten, sprich kräftig steigende Zinsen, zum Umschwenken bewegt werden könne.

Daraufhin waren die Zinsen für zehnjährige englische Anleihen ebenso eingebrochen wie jene für US-Anleihen, weil Investoren nun plötzlich gehofft hatten, dass auch die Fed eine überraschende Kehrtwende einleiten könnte und in den nächsten Monaten die Leitzinsen möglicherweise nicht so kräftig anheben könnte wie von Investoren befürchtet. Die sinkenden US-Zinsen haben auch den Dollar mit nach unten gezogen, woraufhin im Gegenzug S&P500 und DAX, sowie der Goldpreis nach oben geschossen sind. Mit Kursen von rund 1.720 Dollar je Unze liegt er damit um lediglich knapp 5 Prozent unter dem Stand von Ende 2021 und steht damit viel besser da als S&P500 und DAX, die jeweils um mehr als 20 Prozent nach unten gerauscht sind.

Analyst sorgt für Euphorie

Wenige Stunden später beschleunigte sich die Erholung an den Märkten, nachdem der Stratege für Staatsanleihen bei der Bank of America, Mark Cabana, geschrieben hatte, dass die Fed der englischen Notenbank nachfolgen könne – und quasi eine Kehrtwende einleiten könne – falls der US-Anleihenmarkt einbrechen sollte. Nachdem die Zinsen für englische Anleihen am 23. September nach der Ankündigung kräftiger Steuersenkungen und einer hohen Neuverschuldung für dieses und die nächsten Jahre noch oben geschossen waren, hatte die Notenbank am 28. September angekündigt, dass sie kurzfristig massiv Staatsanleihen kaufen werde, um die Lage zu stabilisieren – sprich die Zinsen nach unten zu drücken. Seitdem kauft die Notenbank bis zum 14. Oktober täglich für 5 Mrd. Pfund Staatsanleihen, was sich bis dahin auf 65 Mrd. Pfund summieren wird.

Gleichzeitig wurde der Start des eigentlich geplanten Verkaufs von Staatsanleihen von insgesamt mickrigen 80 Mrd. Pfund auf Sicht von 12 Monaten auf den 31. Oktober verschoben. Im Klartext: Die englische Notenbank kehrt zum QE-Gelddrucken zurück, noch ehe sie mit QT (Quantitative Tightening, sprich den Verkauf von Staatsanleihen) begonnen hat – Wahnsinn!

Meiner Meinung nach kann die Notenbank aus QE nicht mehr aussteigen, weil ansonsten die Zinsen zwangsläufig nach oben schießen würden. Nochmals: Seitdem die Notenbank in den Markt zurückgekehrt ist, kauft sie für 5 Mrd. Pfund pro Tag Staatsanleihen – das ist das 15-Fache dessen was an täglichen Verkäufen geplant ist! Wenn die Notenbank kauft, sind die Käufe so groß als gäbe es kein Morgen, wohingegen die Verkäufe nur sehr sporadisch sind, um die Zinsen eben nicht zu stark nach oben zu drücken.

Der Gedanke der Investoren in dem Umfeld: Die Fed könne jetzt ebenfalls schnell eine Kehrtwende einleiten und die Zinsen bei den nächsten Sitzungen im November und Dezember möglicherweise nicht so stark anheben wie befürchtet. Das was Cabana geschrieben hat, war absolut nichts Überraschendes. Allerdings hat sein Wort großes Gewicht in der Finanzbranche, nachdem er in den vergangenen Jahren etliche spätere Maßnahmen der Fed rechtzeitig und trefflich vorhergesagt hatte. Daher hoffen Investoren, dass die Fed diesmal bald eine Kehrtwende einleiten könnte – und schon greifen Investoren kräftig bei Aktien zu.

Miserable US-Konjunkturdaten

Verstärkt wurden die Hoffnungen der Investoren auf eine Kehrtwende der Fed durch etliche schlechte US-Konjunkturdaten. So war der Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie, den das Institute for Supply Management (ISM) veröffentlicht, von 52,8 auf 50,9 Punkte eingebrochen und lag damit deutlich unter den Schätzungen der Volkswirte von 52,4 Punkten. Gleichzeitig nähert sich das Barometer immer mehr der 50er-Marke, die die Schwelle zwischen Wachstum und Schrumpfen in dem Sektor ist.

Besonders besorgniserregend finde ich, dass die Komponente mit den Auftragseingängen auf nurmehr 47,1 Punkte eingebrochen ist, während die Beschäftigungskomponente auf 48,7 Punkte kollabiert ist. Das signalisiert sowohl einen Rückgang der Orders, als auch einen Beschäftigungsabbau. Die Investoren haben diese Zahlen aber umso euphorischer gefeiert, deuten sie doch auf eine Schwäche im Beschäftigungsbereich hin, was die Fed zu einer Kehrtwende ermutigen soll.

Wie dramatisch sich die Lage am Arbeitsmarkt abschwächt zeigt auch, dass die Zahl der offenen Stellen im August um 1,1 Mio. auf 10,05 Mio. kollabiert ist und damit meilenweit unter den Erwartungen von 11,15 Mio. lag. Bereinigt um den Corona-Crash im April 2020 ist das der größte Rückgang aller Zeiten! Offensichtlich ist der US-Arbeitsmarkt doch nicht so stark, wie die Fed und viele „Experten“ andauernd behaupten.

US-Arbeitsmarktbericht ganz oben auf Agenda

Umso gespannter warten Investoren auf den US-Arbeitsmarktbericht am Freitag, 7. Oktober. Je schwächer die Zahlen ausfallen sollten, umso mehr dürften die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen einbrechen, was Aktienmärkte und den Goldpreis beflügeln sollte. Volkswirte sagen vorher, dass im September 250.000 Jobs geschaffen worden sein sollen, nach 315.000 für August. Gleichzeitig soll die Arbeitslosenquote stabil geblieben sein bei 3,7 Prozent.

Das Problem für die Fed dabei: Je stärker die US-Zinsen und der Dollar sinken, während der S&P500 steigt, umso mehr werden die Finanzbedingungen gelockert und damit die Inflation angeheizt. Und umso weniger Sinn macht es für die Fed in dem Umfeld, eine Kehrtwende einzuleiten. Daher könnte die laufende Erholung an den Aktienmärkten und auch bei Gold bald wieder auslaufen. Niemand weiß aber, ob und wann das passieren könnte. Umso genauer gilt es weiterhin, die Entwicklung bei US-Zinsen und Dollar zu beobachten, denn von ihnen hängt es ab, ob die Erholung bei Aktien und Gold weitergeht, oder nicht.

Hierzulande schauen Verbraucher mit bangem Blick auf die stark steigende Inflation, sie ist im September auf horrende 10 Prozent gestiegen. Die Inflation dürfte in den nächsten Monaten immer schneller galoppieren, die Analysten der ING sagen für Frühjahr einen möglichen Höhepunkt bei rund 13 Prozent vorher. Umso wichtiger ist es die Zeit weiterhin zu nutzen, um die Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken und sich damit gegen den massiven Kaufkraftverlust zu schützen. Schließlich notiert der Goldpreis auf Euro-Basis aktuell um 13,6 Prozent über dem Stand von vor einem Jahr und schützt damit Besitzer von physischem Gold gegen die horrende Inflation und den von der EZB verursachten Kollaps des Euro, der die Inflation zusätzlich anheizt.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.