Während sich das US-Wirtschaftswachstum rapide abschwächt, nehmen die Inflationssorgen der Investoren gerade wegen der Rally bei den Öl- und Gaspreisen weiter zu. Die deutlich steigenden Zinsen bedeuten zunehmenden Gegenwind für S&P500 und DAX, hingegen hält sich der Goldpreis gut.
Die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen kennen nur eine Richtung: nach oben. Zuletzt sind die Zinsen auf 1,61 % geklettert, damit haben sie innerhalb von 3 Wochen um rund 30 Basispunkte (0,3 Prozentpunkte) zugelegt. Das ist eine enorme Bewegung – auf Monatssicht bedeutet das einen Anstieg am herbe 40 Basispunkte. Das sorgt für Gegenwind beim Goldpreis, zumal die steigenden US-Zinsen den US-Dollar mit nach oben ziehen. So ist der Euro mit 1,1550 US-Dollar je Euro auf ein 14-Monats-Tief gegenüber dem Greenback gesunken. Umso bemerkenswerter ist, dass sich der Goldpreis bei rund 1.760 US-Dollar je Unze hält.
Bemerkenswert ist zudem, dass der deutliche US-Zinsanstieg nach dem schwachen US-Arbeitsmarktbericht für September, der am Freitag 8. Oktober veröffentlicht worden ist, weitergegangen ist. So waren im September mit 194.000 neu geschaffenen Jobs viel weniger entstanden, als Volkswirte vorhergesagt hatten (500.000). Das war der zweite Monat in Folge mit einem miserablen Bericht. Allerdings sind viele Investoren der Überzeugung, dass die schwachen Zahlen die Fed dennoch nicht davon abhalten dürften, bei der nächsten Sitzung am 3. November eine Ankündigung zur Drosselung der QE-Anleihekäufe („Tapering“) zu machen. Daher verkaufen Investoren US-Anleihen, was für deutlichen Aufwärtsdruck bei den Zinsen sorgt.
Rally bei Ölpreis treibt Inflationserwartungen nach oben
Zudem gibt es noch zwei weitere Faktoren, die die US-Zinsen spürbar nach oben treiben: Einerseits die sich verschärfende Krise bei dem chinesischen Immobilienkonzern Evergrande. Sollte er auch in den nächsten Wochen die Zinsen für etliche US-Dollar-Anleihen nicht zahlen können, dürfte sich die Lage nicht nur bei Evergrande, sondern im gesamten Immobiliensektor und damit in der gesamten chinesischen Volkswirtschaft, die stark vom Immobilienmarkt abhängig ist, deutlich verschlechtern. Wegen dieser Sorge verkaufen Investoren meiner Meinung nach US-Anleihen, um sich schnell Liquidität zu beschaffen, was die Zinsen nach oben treibt.
Andererseits heizt die Rally bei den Öl- und Gaspreisen die US-Inflation und damit die Inflationserwartungen an, was bei Investoren die Sorge schürt, dass die Fed möglicherweise schneller und aggressiver zur Tat schreiten könnte als bislang erwartet. Derzeit gehen viele Investoren davon aus, dass die Fed Anfang November ankündigen wird, dass das „Tapern“ schon im November oder im Dezember starten wird, wobei die monatlichen Anleihekäufe von netto 120 Mrd. US-Dollar pro Monat künftig um jeweils 15 Mrd. US-Dollar pro Monat gesenkt werden sollen. In dem Umfeld waren die Inflationserwartungen für die kommenden fünf Jahre zuletzt auf 2,64 % gestiegen, womit sich die Erwartungen schnell dem Mehr-Jahres-Hoch vom Mai 2021 bei knapp über 2,7 % nähern.
Ein weiterer Anstieg der US-Zinsen sollte für zunehmenden Abwärtsdruck auf die sogenannten US-Growth-Aktien, wie die Technologiewerte Apple, Amazon und Facebook sorgen, womit sich der Kursrückgang beim S&P500 ausweiten dürfte. Schließlich hatten in den vergangenen Jahren Investoren in einem Umfeld immer weiter sinkender US-Zinsen, die eine Eintrübung der Aussichten für die US-Wirtschaft widergespiegelt hatten, immer stärker in Growth-Aktien investiert, nach dem Motto: Je schwächer die Wirtschaft ist, umso mehr muss man in Aktien von Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade beim Umsatz investieren. Allerdings hat diese Spirale begonnen, sich plötzlich nach unten zu drehen.
US-Zinsen im Auge behalten
Umso genauer werden Investoren die Daten zu den Einzelhandelsumsätzen am Freitag anschauen. Volkswirte sagen für September einen Rückgang um 0,1 % gegenüber dem Vormonat vorher, nach einem Plus von 0,7 % für August. Es würde mich nicht überraschen, wenn die Zahlen für September deutlich schwächer ausfallen sollten als erwartet, weil viele Amerikaner nach dem rasanten Inflationsanstieg der vergangenen Monate auf die Ausgabenbremse treten dürften. Überraschend schwache Zahlen müssten eigentlich für Abwärtsdruck auf die US-Zinsen sorgen. Wenn es dennoch mit ihnen weiter nach oben gehen sollte, wäre das nicht gut für den Aktienmarkt.
Ebenfalls am Freitag gibt die Universität Michigan das Verbrauchervertrauen bekannt. Investoren werden es genau analysieren, zumal zuletzt der ehemalige Notenbanker bei der englischen Notenbank, David Blanchflower gewarnt hat, dass in den USA nach dem Einbruch des Verbrauchervertrauens der vergangenen Monate eine Rezession bereits begonnen haben dürfte. Blanchflower ist derzeit Professor am Dartmouth College, der neuntältesten Universität der USA.
Ich bin mal gespannt, wie lange die Fed in einem Umfeld, in dem sich der Kursrückgang beim S&P500 deutlich ausweiten könnte, mit einer Drosselung der Anleihekäufe weitermachen kann. Ich gehe davon aus, dass die Fed das nicht lange durchhalten wird. Meiner Meinung nach dürfte die Fed spätestens bei einem Kursrutsch um 15 % gegenüber dem Rekordhoch von Anfang September bei knapp unter 4.540 Punkten das Tapern auf Eis legen.
Damit würde ein Faktor für den US-Zinsanstieg wegfallen, womit die Aufwärtsdynamik etwas nachlassen sollte. Dann werde ich genau schauen, wie der Goldpreis darauf reagiert. Allerdings dürften die Risiken Evergrande und die Rally bei Rohstoffpreisen erst einmal bleiben.
Es wäre beeindruckend, wenn sich der Goldpreis trotz der möglicherweise weiter steigenden US-Zinsen und dem steigenden US-Dollar in der Nähe der Marke von 1.760 US-Dollar halten könnte. Das würde ich als sehr positives Zeichen betrachten. Zudem werde ich beobachten, ob es einen Auslöser geben könnte, der für eine mögliche Trendwende nach oben bei der Notierung des Edelmetalls sorgt.