Obwohl sich die Talfahrt beim S&P500 zuletzt beschleunigt hat, ist der Goldpreis kaum vom Fleck gekommen. Er hatte von einem einzigen Faktor Gegenwind. Von umso größer Bedeutung ist es, wie er sich in den nächsten Monaten entwickeln wird.
Der Kurseinbruch am US-Aktienmarkt macht Investoren zusehends nervös: Zuletzt ist der Index in die Nähe des Sieben-Monats-Tiefs abgerutscht. Viele Experten sagen, der Kursrückgang sei übertrieben, weil die US-Wirtschaft floriere. Ich bin allerdings völlig anderer Meinung. Die Aktienkurse spiegeln die Zukunft wider und signalisieren damit unmissverständlich, dass sich die Perspektiven für die Weltwirtschaft und damit die US-Unternehmen erheblich eintrüben.
Handelskrieg eskaliert immer weiter
Gründe für das zusehends schlechter werdende Konjunkturumfeld gibt es mehr als genug. Der größte Belastungsfaktor ist weiterhin der Handelskrieg zwischen den USA und China, womit sich nicht nur die Perspektiven für die chinesische Wirtschaft, sondern auch für die US-Wirtschaft deutlich verschlechtern, weil chinesische Produkte in den USA zusehends teurer werden, was die Nachfrage der US-Verbraucher und -Unternehmen weiter dämpft.
US-Präsident Donald Trump hat keinerlei Interesse an einer Deeskalation des Handelskriegs, will er doch unter allen Umständen den möglichen Aufstieg Chinas zur führenden Wirtschaftsnation der Welt verhindern. Ich gehe daher davon aus, dass es auf dem G20-Gipfel am 30. November/ 1. Dezember zu keiner Einigung zwischen Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping kommen wird.
Vielmehr könnte Trump bereits wenig Tage später die Einführung zusätzlicher Strafzölle auf chinesische Produkte ankündigen, die im Februar 2019 in Kraft treten könnten. Diesmal dürften vor allem Smartphones und Laptops betroffen sein, die bislang von den Strafzöllen ausgenommen sind. Damit würden die Geräte in den USA deutlich teurer werden, woraufhin mancher Amerikaner auf die Idee kommen könnte, dass ein Handelskrieg vielleicht doch nicht so toll ist, wie Trump immer behauptet. Damit bekäme die chinesische Wirtschaft noch mehr Gegenwind, was sehr schlecht ist für die Weltwirtschaft, war doch China in den vergangenen Jahren der mit weitem Abstand wichtigste Wachstumsmotor. Die Lage verschlechtert sich ohnehin, schießen doch am 1. Januar 2019 die Strafzölle auf chinesische Güter im Wert von knapp 200 Mrd. Dollar von 10 auf 25 Prozent nach oben.
Zinsen für Ramschanleihen schießen nach oben
Trotz des schwieriger werdenden Konjunkturumfelds in den USA will die US-Notenbank die Zinsen immer weiter erhöhen, was der zweite große Belastungsfaktor für den S&P500 ist. Ebenso wie für viele Investoren ist für mich eine Anhebung bei der nächsten Sitzung am 19. Dezember ausgemachte Sache. Gleichzeitig will die Fed im kommenden Jahr die Zinsen drei Mal anheben, während die Fed ihre Bilanzsumme durch den Verkauf von Staats- und Hypothekenanleihen um 50 Mrd. Dollar pro Monat abbaut – das sind horrende 600 Mrd. Dollar pro Jahr. So viel Geld entzieht die Fed dem Finanzkreislauf und damit der Wirtschaft.
Inzwischen steigt allerdings bei Investoren die Sorge, dass die Zinserhöhungen für eine starke Abkühlung des Wirtschaftswachstums sorgen werden, oder die Wirtschaft sogar in eine Rezession abgleitet. Wegen dieser Sorge sind zuletzt die Zinsen für US-Unternehmensanleihen kräftig gestiegen, womit ein neuer, wichtiger Belastungsfaktor für die Aktienmärkte hinzukommt. So sind die Zinsen für High Yield-Anleihen (kurz HY, Ramschanleihen), seit Anfang Oktober um 100 Basispunkte (1 Prozentpunkt) auf 7,15 Prozent nach oben geschossen – das ist eine enorme Bewegung. Grund: Bei einem schwierigeren Konjunkturumfeld kommen die hochverschuldeten Unternehmen am stärksten unter Druck.
Der Zinsanstieg bei den HY-Anleihen hat auch die Zinsen bei Investment Grade-Anleihen (IG) mit nach oben gezogen, deren Zinsen sind im gleichen Zeitraum um 30 Basispunkte auf 4,7 Prozent geklettert. Wenn die Unternehmen insgesamt allerdings mit höheren Zinsbelastungen konfrontiert werden, treten sie auf die Investitionsbremse, womit die Wirtschaft schnell auf die Rezession zusteuert. Ich gehe davon aus, dass die Zinsen sowohl für IG- als auch für HY-Anleihen in den nächsten Monaten deutlich steigen werden, was den S&P500 erheblich belasten sollte, weshalb sich die Korrektur bei dem Index spürbar ausweiten sollte. Das sollte den Goldpreis deutlich beflügeln. Viele Experten werden später behaupten, die Krise sei nicht vorhersehbar gewesen. Genau das Gegenteil ist der Fall: jeder der die heraufziehende Krise sehen möchte, kann sie sehr gut sehen.
Was hat bislang einen deutlichen Anstieg des Goldpreises verhindert?
Verantwortlich dafür ist ausschließlich der Anstieg des Dollars. Weil Investoren davon ausgehen, dass die US-Wirtschaft den Handelskrieg besser überstehen wird als exportabhängige Volkswirtschaften wie China oder Deutschland, kaufen die Investoren Dollar, weshalb er gegenüber vielen Währungen, wie dem chinesischen Renminbi oder dem Euro steigt.
Der Euro wird zudem von zwei weiteren Faktoren nach unten gezogen: der schwelenden Italien-Krise und dem Brexit, wobei immer noch nicht absehbar ist, ob es zu einem Vertrag zwischen der EU und Großbritannien über den Ausstieg des Landes aus der EU kommen wird. Von umso größerer Bedeutung wäre es, dass es bei diesen zwei Themen eine Lösung gibt. Da Italien gegenüber der EU-Kommission nicht einlenken dürfte, ist es wahrscheinlich, dass die Italien-Krise weiter schwelt. Da bleibt nur die Hoffnung, dass es eine Einigung beim Brexit geben wird. Vielleicht dämmert Investoren zudem irgendwann, dass es sich bei dem Anstieg des Dollars keineswegs um eine Dollar-Stärke, sondern um eine Euro-Schwäche handelt. Immerhin macht Trump pro Jahr mehr als eine Billion Dollar neue Schulden. Das spricht mittel- und langfristig nicht gerade für einen steigenden Dollar.
Der Anstieg des Dollars hat in den vergangenen Wochen einen kräftigen Anstieg des Goldpreises verhindert. Wenn sich allerdings der Kursrückgang beim S&P500 deutlich ausweiten sollte, könnte dieser Effekt einen möglicherweise weiter steigenden Dollar überkompensieren. In dem Umfeld sollte der Goldpreis allmählich spürbar nach oben drehen. Weil gleichzeitig der Euro weiter fallen könnte, dürfte der Goldpreis auf Euro-Basis allmählich zulegen.