Liebe Leserinnen und Leser,

auf dem Notenbanker-Treffen in Jackson Hole hat Fed-Chef Jay Powell einen historischen Strategiewechsel angekündigt, was für einen Sprung nach oben bei den US-Zinsen gesorgt hat. Das wird allerdings deren langfristigen Abwärtstrend nicht etwa umkehren, sondern vielmehr zementieren.

Zu einer Berg- und Talfahrt bei S&P 500, DAX, US-Zinsen, Euro und Dollar ist es am vergangenen Donnerstag, den 27. August 2020, nach der von Investoren mit Spannung erwarteten Rede von Fed-Chef Jay Powell gekommen. Dabei hat er das Ergebnis der Ende 2018 begonnenen Strategieüberprüfung der Geldpolitik dargelegt. Wegen der Corona-Pandemie fand das Treffen der weltweiten Notenbanker diesmal ausnahmsweise nicht in den Rocky Mountains, sondern per Videokonferenz statt.

Grund für die Börsenturbulenzen war Powells Ankündigung eines „Average Inflation Targeting“ (AIT), also der Einführung eines „Ziels für eine durchschnittliche Inflation“ von 2 %. Demnach strebt die Fed eine Inflationsrate an, die im Laufe der Zeit 2 % erreichen soll. Nachdem die Rate in den vergangenen Jahren wiederholt unter dieser Marke gelegen hatte, will die US-Notenbank für einen ungenannten Zeitraum eine Inflation von mehr als 2 % zulassen, sprich die Inflation durch die Geldpolitik entsprechend anheizen.

Die Märkte haben Powells Signal sehr gut verstanden, bedeutet es doch, dass die Fed selbst bei möglicherweise kräftig steigender Inflation wohl auf Jahre hinaus die Zinsen nicht anheben dürfte. Dabei hat Powell absichtlich nicht angekündigt, wann die Fed jemals wieder einen Zinsschritt nach oben machen könnte. Verständlicherweise, kann doch die hochverschuldete US-Wirtschaft selbst kleinste Zinserhöhungen nicht verkraften. „Unsere Entscheidungen über die angemessene Geldpolitik werden weiterhin von einer breiten Spanne von Überlegungen getragen und nicht von irgendeiner Formel diktiert“, versuchte Powell den wahren Grund zu verschleiern.

Die Schulden der Amerikaner – von Staat, privaten Haushalten, Unternehmen und Banken – belaufen sich auf mehr als 80 Billionen Dollar, das sind mehr als 400 % der jährlichen Wirtschaftsleistung. Das ist mit weitem Abstand Rekord. Das können Sie in dem Beitrag „Rekordfahrt des Goldpreises spiegelt rasante Entwertung von Dollar und Euro wider“ nachlesen. Dass es rapide in Richtung 100 Billionen Dollar geht, sollte niemanden überraschen.

US-Zinsen schießen auf Zwei-Monats-Hoch nach oben

Powell hat zudem angekündigt, dass die Fed die Strategie alle fünf Jahre überprüfen werde. Im Klartext: Es wird in den USA in den nächsten fünf Jahren keinerlei Zinserhöhung geben. Ketzerisch könnten man sagen, praktisch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag wird es keine Erhöhung geben.

Investoren erwarten, dass die nun beschlossene Lockerung der Geldpolitik die Wirtschaft ankurbeln wird, weshalb die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach dem anfänglichen Einbruch nach oben geschossen waren und am darauffolgenden Freitag, 28. August 2020, sogar 0,79 % erreicht hatten – das war das höchste Niveau seit 9. Juni – ehe sie etwas nachgegeben haben. Das hatte eine Aufhellung der langfristigen Perspektiven für die US-Wirtschaft signalisiert.

Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump mit etlichen Maßnahmen, wie der Unterzeichnung von Erlassen, die Zinsen nach oben getrieben. Das können Sie in dem Beitrag „Trump reagiert mit Erlassen auf verheerende Wirtschaftslage“ nachlesen.

Für zusätzlichen Aufwärtsdruck bei den Zinsen hatte gesorgt, dass die US-Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) auf Druck von US-Präsident Trump den Einsatz von Blutplasma bei der Behandlung von Erkrankungen an dem Coronavirus generell erlaubt hat. Dadurch hellen sich die Aussichten für die US-Wirtschaft auf. Außerdem erwägt Trump eine beschleunigte Zulassung eines sich noch im Versuchsstadium befindlichen Corona-Impfstoffes des britischen Pharmakonzerns AstraZeneca noch vor den US-Präsidentschaftswahlen.

Wegen der deutlich gestiegenen US-Zinsen hat der Goldpreis zwar am Donnerstag deutlich nachgegeben, allerdings hat die Notierung des Edelmetalls am darauffolgenden Freitag umso stärker nach oben gedreht und notiert aktuell mit rund 1.965 Dollar je Unze um lediglich 5 % unter dem Rekordhoch. Für Rückenwind sorgt die anhaltende Talfahrt des Dollar, so liegt der Euro mit 1,19 Dollar je Euro in der Nähe des höchsten Niveaus seit Mai 2018.

Fed will Schulden weginflationieren

Powell und seine Kollegen haben wiederholt so getan, als würde eine Inflationsrate von 2 % die Wirtschaft besonders gut ankurbeln. Einen Beweis dafür haben die Fed-Mitglieder aber nie geliefert und werden sie auch niemals liefern können, weil es für eine derartige Behauptung keinerlei Beleg geben kann. Seriöse Experten haben wiederholt betont, dass im Gegensatz zur offiziellen Inflationsrate die tatsächliche in den vergangenen Jahren regelmäßig zwischen 6 % und 8 % pro Jahr gelegen haben dürfte, wodurch die Kaufkraft vieler Amerikaner dramatisch gesunken ist, was die Wirtschaft enorm belastet hat.

Der einzige Grund für das neue Inflationsziel der Fed ist es, den gigantischen Schuldenberg wegzuinflationieren. Nun versucht Powell den Verbrauchern klar zu machen, dass eine höhere Inflationsrate für die Konsumenten besser sei als eine niedrigere – welcher Irrwitz! Wenn die Verbraucherpreise statt um 1 % um 2 % pro Jahr zulegen, soll das die Wirtschaft ankurbeln? Nein, das wird es in keinster Weise tun, eine höhere Inflation belastet die Wirtschaft – das war immer so und wird immer so bleiben – trotz aller gegenteiliger Beteuerungen der Fed und anderer Notenbanker, wie jenen der EZB.

Fed heizt Ungleichheit zwischen Arm und Reich immer weiter an

Durch die weitere Lockerung der Geldpolitik verschärft die Fed trotz gegenteiliger Beteuerungen die Ungleichheit zwischen Arm und Reich immer weiter. Während beispielsweise die Immobilienpreise trotz der schwersten Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren zuletzt auf ein Rekordhoch gestiegen sind – bestehende Häuser kosteten im Juli im Schnitt erstmals mehr als 300.000 Dollar, was potenzielle Immobilienkäufer schwer belastet, steigt das Vermögen von Milliardären, wie Amazon-Chef Jeff Bezos und Tesla-Chef Elon Musk, von einem Rekordhoch zum nächsten – welcher Wahnsinn!

Die Fed gibt offen zu, dass dies das Ziel ihrer Politik ist, denn laut dem sogenannten „Vermögenseffekt“ verbessern die steigenden Aktienkurse und Häuserpreise die Stimmung der Reichen, woraufhin sie mehr konsumieren, was die Wirtschaft ankurble, wovon auch die Amerikaner mit mittleren und unteren Einkommen profitieren würden. Wenn diese Politik funktionieren würde, dann hätte die US-Wirtschaft nach zehn Jahren Nullzinsen und dem massiven Gelddrucken in den vergangenen Jahren geboomt, waren doch Aktienmärkte und Immobilienpreise auf immer neue Rekordhochs geklettert.

Stattdessen war das durchschnittliche Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahrzehnt das schwächste aller Zeiten, weil die Wirtschaft von einem gigantischen Schuldenberg nach unten gedrückt wird, während das gesamte Wirtschaftswachstum seit Jahren und Jahrzehnten allein auf einer Schuldenexplosion beruht hat. Ohne sie hätte es keinerlei Wirtschaftswachstum gegeben.

Um es noch einmal klar zu sagen: Die Fed ist nicht Teil der Lösung vieler Probleme der US-Wirtschaft, die Fed ist vielmehr die Ursache vieler Probleme.

Fed verursacht langfristig immer niedrigere Zinsen

Umso gespannter warten Investoren auf die Fed-Sitzung am 16. September. Dabei wird die Forward Guidance, also der Zinsausblick, im Vordergrund stehen, wobei die Fed signalisieren könnte, dass sie für die nächsten fünf Jahre keinerlei Zinserhöhungen plane. Wahrscheinlich ist zudem eine Anpassung des QE-Gelddruckens geplant, also eine Aufstockung und Verlängerung des Anleihenkaufprogramms von aktuell 120 Mrd. Dollar pro Monat.

Unabhängig vom jüngsten Zinsanstieg ist es das klare Ziel der Fed, die Zinsen möglichst niedrig zu halten oder sogar auf neue Rekordtiefs zu drücken. So macht es die Notenbank möglich, dass Staat, private Haushalte, Unternehmen und Banken immer mehr Schulden machen und der ohnehin gigantische Schuldenberg noch viel größer wird. In der Folge müssen die Zinsen allerdings immer weiter sinken und es muss noch viel mehr Geld gedruckt werden, um ein Platzen der kolossalen Schuldenblase zu verhindern.

Die Politik der Fed führt also mittel- und langfristig zu immer niedrigeren US-Zinsen, gerade bei den Realzinsen, was den Goldpreis weiterhin erheblich beflügeln sollte. Der Realzins wird berechnet, indem man vom Nominalzins die Inflationsrate abzieht.

Wenn die Fed die Zinsen also niedrig hält, beziehungsweise weiter in den Keller drückt, während gleichzeitig die offizielle Inflationsrate angeheizt wird und steigen sollte, werden die Realzinsen immer weiter in den Minus-Bereich gedrückt, was dem Goldpreis enormen Auftrieb geben sollte. Zuletzt lag der Realzins auf der Basis zehnjähriger inflationsgeschützter US-Anleihen mit minus 1,04 % in der Nähe des Rekordtiefs. Der Abwärtstrend sollte sich beschleunigen.

Mit dieser Niedrigzinspolitik schwächt die Fed zudem den Dollar immer mehr, weshalb sich dessen Talfahrt beschleunigen sollte, was den Goldpreis zusätzlich beflügeln dürfte. In den vergangenen Jahren hat der deutliche Zinsaufschlag für US-Anleihen beispielsweise gegenüber Bundesanleihen den Dollar merklich gestützt. Da dieser Effekt immer geringer wird, sollte der Greenback gegenüber dem Euro und anderen Währungen, wie dem Yen, im Rückwärtsgang bleiben, was für merklichen Auftrieb bei der Notierung des Edelmetalls sorgen dürfte.

Folgt EZB der Fed?

Das Risiko ist groß, dass die EZB dem „Vorbild“ der Fed folgt und ebenfalls ihr Inflationsziel anpasst. Das hat zuletzt der frühere Chefvolkswirt der EZB, Vitor Constancio, angedeutet. „Die Inflation kann über dem durchschnittlichen Zielwert liegen, wenn sie für einige Jahre niedriger gewesen ist”, twitterte Constancio. „Mit dem neuen Handlungsrahmen kann die Fed ihre Politik expansiv lassen – das ist ein wichtiges Merkmal des neuen Regimes, das andere Zentralbanken wahrscheinlich übernehmen werden”, so der ehemalige Chefvolkswirt.

Das kann ich nur als Drohung auffassen. Für viele Deutsche ist es schon schlimm genug, dass wegen der Strafzinsen der EZB die Häuserpreise und damit die Mieten explodieren. Viele Bürger haben keinerlei Interesse daran, dass die EZB ihre ohnehin irrwitzige Geldpolitik noch weiter lockert und damit die Mieten im Speziellen und die Inflation im Allgemeinen noch weiter anheizt.

Die jüngsten Maßnahmen der Fed sollten auch dem letzten Anleger klarmachen, dass der Besitz von physischem Gold von Tag zu Tag wichtiger wird. Durch ihre Politik bläst die Fed die ohnehin gigantische Schuldenblase immer weiter auf, weshalb die Zinsen immer weiter sinken müssen. Gleichzeitig heizt die Fed die Inflation immer stärker an, während die EZB diesen Wahnsinn kopiert. Dagegen können Sie sich hervorragend schützen, indem Sie Ihre Bestände an physischem Gold weiter aufstocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.