Der DAX hat sich weiter kräftig erholt. Und das, obwohl zwei Chefs großer US-Unternehmen sich sehr skeptisch zur Wirtschaftslage geäußert haben. Umso genauer werden Investoren die EZB-Sitzung am Donnerstag und die wichtigen US-Inflationsdaten am Freitag analysieren.

Die Stimmung bei vielen Besitzern von DAX-Aktien wird immer besser. Gegenüber dem Tief vom 9. Mai ist der Index um 8,6 % nach oben geschossen und hat damit doppelt so stark zugelegt wie der S&P500. Während viele Investoren weiterhin Sorge vor einer möglicherweise schnell heraufziehenden Rezession in den USA haben, hat zuletzt die Lockerung des Corona-Lockdowns in Peking den DAX beflügelt. Bei einer Belebung der chinesischen Wirtschaft würden sich die Perspektiven für viele exportabhängige DAX-Unternehmen aufhellen, zumal wenn die chinesische Wirtschaft die Weltwirtschaft ankurbeln würde.

Hingegen hat der Goldpreis zuletzt weiter seitwärts tendiert. Dabei hatte er zwischenzeitlich von den gestiegenen Zinsen für zehnjährige US-Anleihen, sowie vom steigenden US-Dollar Gegenwind. Umso beeindruckender ist es, wie sich der Goldpreis gehalten hat.

Zwei Chefs großer US-Unternehmen warnen

Der DAX-Anstieg ist umso bemerkenswerter, haben sich doch in der vergangenen Woche zwei Chefs führender US-Unternehmen sehr skeptisch bezüglich der Konjunkturlage geäußert. „Es ist ein Hurrikan“ hatte der Chef der größten US-Bank JP Morgan, Jamie Dimon am Mittwoch, 1. Juni gesagt. „Sie stellen sich besser darauf ein“, warnte er. Eine klarere Warnung vor einer heraufziehenden US-Rezession kann es meiner Meinung nach kaum geben. Dass das ein sehr schlechtes Umfeld für viele DAX-Unternehmen mit einem großen US-Geschäft, wie Daimler, BMW, Siemens und Deutsche Telekom wäre, sollte jedermann klar sein.

Einen Tag später schrieb Tesla-Chef Elon Musk laut der Nachrichtenagentur Reuters an sein Führungsteam, dass er „ein superschlechtes Gefühl“ bezüglich der Wirtschaftslage habe. Es gäbe einen weltweiten Einstellungsstopp, zudem müssten zehn Prozent der Mitarbeiter abgebaut werden. Wenn der Branchenführer im Boom-Segment Elektroautos vor derartigen Herausforderungen steht, dann will ich mir lieber nicht vorstellen, was viele US-Unternehmen in zahlreichen Branchen machen müssen, die enorm unter der hohen Inflation und der deswegen drohenden Rezession leiden.

Die Aussagen von Dimon und Musk betrachte ich als starke Warnsignale.

US-Einzelhändler Target gibt erneut Gewinnwarnung ab

Da beeindruckt es mich nicht, dass der US-Arbeitsmarktbericht etwas besser ausgefallen ist als erwartet. So waren im Mai 390.000 neue Jobs geschaffen worden, statt der von Analysten vorhergesagten 325.000. Allerdings beruhen diese Zahlen in wichtigen Teilen auf Umfragen und Schätzungen. Mich würde es daher nicht wundern, wenn die Daten spätestens nach der Halbzeitwahl am 8. November deutlich nach unten korrigiert würden.

Viel besser ins Bild passt, dass der US-Einzelhändler Target nur zwei Wochen nach der ersten Gewinnwarnung eine zweite abgegeben hat und damit zumindest kurzfristig für Verunsicherung am Aktienmarkt gesorgt hat. Target will die hohen Lagervorräte zügig abbauen, weshalb die operative Marge im laufenden Quartal auf rund 2,0 % kollabieren soll, nach 5,3 % im Vorquartal. Die Nachrichten von Target hatten zwischenzeitlich für einen Rutsch nach unten bei den Zinsen für zehnjährige US-Anleihen gesorgt, was den Goldpreis gestützt hat.

Um es noch einmal klar zu sagen: Meiner Meinung nach steht der Beginn einer Rezession in den USA unmittelbar bevor, die Wirtschaftsleistung sollte also im dritten Quartal gegenüber dem zweiten Quartal schrumpfen, falls die Rezession nicht bereits begonnen haben sollte. Darauf deutet beispielsweise hin, dass die Zahl der offenen Stellen im April um herbe 455.000 gegenüber dem Vormonat auf 11,4 Mio. eingebrochen ist. Ich gehe davon aus, dass die Zahl in den nächsten Monaten schnell nach unten rauschen wird, weil viele US-Unternehmen in einem Rezessionsumfeld bei Einstellungen schnell und stark auf die Bremse treten werden, wie es viele US-Technologiefirmen in den vergangenen Wochen bereits getan haben.

Wie stark sich die US-Wirtschaft bereits abgeschwächt hat, zeigt, dass die Fed von Atlanta auf Basis ihres Echtzeitmodells die Prognose für das Wachstum der US-Wirtschaft für das zweite Quartal auf annualisiert 0,9 % eingedampft hat. Der annualisierte Wert wird errechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit vier multipliziert. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Monaten schnell in Richtung null gehen wird. Das wäre ein schlechtes Zeichen für die US-Konjunktur, nachdem die Wirtschaftsleistung bereits im ersten Quartal um annualisiert 1,5 % geschrumpft war.

Gespanntes Warten auf EZB-Sitzung

Umso gespannter warten viele Investoren auf die EZB-Sitzung am Donnerstag. Zumal die Zinsen für zehnjährige italienische Anleihen zuletzt auf 3,44 % nach oben geschossen sind, womit sie sich seit Jahresanfang (knapp 1,2 %) fast verdreifacht haben. Das bringt die EZB enorm in die Bredouille, muss die Notenbank doch sicherstellen, dass die Zinsen in den hochverschuldeten Ländern, wie Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Portugal eben nicht stark steigen, weil ansonsten die Wirtschaft kollabiert.

Daher dürfte die EZB weiterhin extrem langsam vom Gaspedal heruntergehen. Nach der Sitzung dürfte die EZB ankündigen, dass die Anleihekäufe im Rahmen des APP-Programms Anfang Juli auslaufen werden. Zudem dürfte die EZB signalisieren, dass die Zinsen bei der darauffolgenden Sitzung am 27. Juli um mickrige 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) angehoben werden sollen, bei der Sitzung am 8. September soll dann ein weiterer Schritt um 25 Basispunkte nach oben folgen.

Damit würde die EZB den Einlagenzins für die Banken von aktuell minus 0,5 % – Strafzinsen waren die mit weitem Abstand dümmste Idee, die eine Notenbank jemals hatte – bis September auf null Prozent anheben. Wenn das die Inflation von 8,1 % für die Euro-Zone nicht bekämpft, was dann? Selbstverständlich kann man mit Nullzinsen die horrende Inflation nicht bekämpfen.

EZB-Chefin Christine Lagarde hat schon hunderte Male klar gemacht, dass es nicht um die Bekämpfung der Inflation geht, sondern nur darum, dass sich die hochverschuldeten Länder weiter zu extrem niedrigen Zinsen finanzieren können. Umso wichtiger ist es Gold zu besitzen, weil der Euro in dem Umfeld wieder schnell den Rückwärtsgang gegenüber den Dollar einlegen dürfte, was die Inflation in der Euro-Zone weiter anheizt.

US-Inflationsdaten im Fokus

Von großer Bedeutung sind zudem die US-Inflationsdaten, die am Freitag, 10. Juni um 14.30 Uhr veröffentlicht werden. Laut den Schätzungen der Volkswirte sollen die Verbraucherpreise im Mai um 0,7 % gegenüber dem Vormonat gestiegen sein, nach 0,3 % für April. Demnach beschleunigt sich die Inflation. Gleichzeitig sollen die Verbraucherpreise im Mai um 8,2 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sein, nach 8,3 % für April. Das wäre zwar der zweite Monat in Folge mit einem leichten Rückgang nach 8,5 % für März, allerdings läge die Inflationsrate immer noch in der Nähe des 40-Jahres-Hochs.

Von Entspannung an der Inflationsfront kann also trotz der Beteuerungen vieler „Experten“ über den Rückgang der Inflationsrate keine Rede sein. Denn wie Sie oben lesen, steigen die Verbraucherpreise immer weiter. Allerdings ist der Anstieg gegenüber dem Vorjahr nicht mehr ganz so groß wie zuvor. Dennoch löst sich die Kaufkraft der Amerikaner immer mehr in Luft auf.

Dass die Fed die Inflation schon lange nicht mehr bekämpft, ist offensichtlich. Bis zum Jahre 2000 lagen die US-Leitzinsen von kurzen Ausnahmen abgesehen praktisch immer oberhalb der Inflationsrate, um die Inflation zu bekämpfen. Seit 2000 ist es genau umgekehrt, seitdem lagen die Leitzinsen fast immer unterhalb der Inflationsrate, wobei die Lücke seit dem Beginn der Corona-Pandemie immer größer geworden ist und aktuell so groß ist wie nie zuvor.

Wenn man von den Leitzinsen von aktuell 1,0 % die Inflationsrate von zuletzt 8,3 % abzieht, liegt der Realzins bei minus 7,3 %. Das ist ein extrem niedriges Niveau, mit dem die Fed die Wirtschaft ankurbelt und damit zwangsläufig die Inflation anheizt.

US-Konjunkturschwäche erinnert stark an Rezessionsjahr 2008

Ich werde die Nachrichten der US-Unternehmen und die US-Konjunkturdaten weiter genau beobachten. Sollten viele weitere US-Unternehmen Gewinnwarnungen abgeben, wovon ich ausgehe, und die Konjunkturdaten zusehends schlechter werden – der Einbruch der vergangenen Monate bei den Verkäufen neuer Häuser ebenso wie beim Pkw-Absatz erinnert mich stark an die Rezession im Jahr 2008 – dürften die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach unten rauschen.

Je aggressiver die Fed in dem schwachen Konjunkturumfeld die Geldpolitik verschärfen sollte, umso stärker sollten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen einbrechen und damit die heraufziehende Rezession widerspiegeln. Das sollte dem Goldpreis deutlichen Rückenwind geben. Daher ist jetzt die Zeit, um die eigenen Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken, um in einem Umfeld anhaltend hoher Inflation seine Kaufkraft zu erhalten.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.