Zwar will die EZB ab Frühjahr 2022 die Anleihekäufe kräftig drosseln. Allerdings hat die Notenbank trotz der hohen Inflation weiterhin kein Ende des Gelddruckens ins Aussicht gestellt. Vielmehr will die EZB die Inflation ein weiteres Jahr lang anheizen.

Welch Unterschied doch ein Tag ausmachen kann: Nachdem Investoren am 15. Dezember, dem Tag der Fed-Sitzung, deren Ergebnisse noch mit kräftigen Gewinnen bei S&P500 und DAX gefeiert hatten, begann schon am darauffolgenden Tag ein Kursrutsch, der sich an den folgenden Tagen fortgesetzt hat, ehe die Indizes auf Berg- und Talfahrt waren. Offenbar dämmert es vielen Investoren, dass die Aussicht auf ein baldiges Ende der Anleihekäufe der Fed im März kein gutes Umfeld für Aktien mehr sein dürfte. Das können Sie in dem Beitrag „Fed-Sitzung sorgt für Erholung beim Goldpreis“ nachlesen.

Für zusätzliche Verunsicherung bei Investoren hat zuletzt gesorgt, dass der US-Senator Joe Manchin das geplante 1,75 Billionen US-Dollar schwere „Build Back Better“-Stimulusprogramm von US-Präsident Joe Biden einmal mehr abgelehnt hat. Damit trüben sich die Aussichten für die US-Wirtschaft weiter rapide ein, schließlich gäbe es in dem Szenario im neuen Jahr keinen Stimulus in den USA, wohingegen die Wirtschaft 2021 durch zwei Konjunkturprogramme im Volumen von insgesamt 2,8 Billionen US-Dollar angekurbelt worden war. Umso schneller wäre die US-Wirtschaft auf dem Weg in eine Rezession.

Vor dem Hintergrund macht es absolut keinen Sinn, dass die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen zuletzt bis auf 1,47 % nach oben geschossen sind. Allerdings kann man die Zinsen in Zeiten vor dem Jahresende, in denen viele institutionelle Investoren ihre Bücher geschlossen haben und die Liquidität damit entsprechend niedrig ist, schnell in die eine oder andere Richtung bewegen, ohne irgendwelche fundamentalen Gründe.

Die gestiegenen US-Zinsen haben den Goldpreis etwas belastet, woraufhin er bei rund 1.790 US-Dollar je Unze notiert. Damit liegt er um 7,5 % unter dem Niveau von Ende 2021, obwohl die US-Geldmenge zwischen Jahresanfang und Ende Oktober um horrende 2,1 Billionen US-Dollar explodiert ist – Wahnsinn.

Lagarde schließt Zinserhöhungen für 2022 aus

Während Fed-Chef Jay Powell zumindest so tut, als ob die Fed etwas gegen die galoppierende Inflation tun wolle, hat die EZB geleitet von ihrer Chefin Christine Lagarde nichts Derartiges vor. Zwar hat die EZB angekündigt, dass die Anleihenkäufe im Rahmen des PEPP-Programms im ersten Quartal 2022 gedrosselt werden soll gegenüber dem aktuellen Niveau von netto 70 Mrd. Euro pro Monat. Gleichzeitig soll das PEPP im März 2022 enden, während sich die Käufe im Rahmen des „alten“ APP-Programms auf netto 20 Mrd. Euro im ersten Quartal belaufen sollen. Damit würden sich die Käufe im Rahmen von PEPP und APP möglicherweise auf insgesamt rund 80 Mrd. Euro pro Monat im ersten Quartal belaufen.

Im zweiten Quartal soll das APP auf 40 Mrd. Euro pro Monat aufgestockt werden. Im dritten sollen die Käufe auf 30 Mrd. und im vierten auf 20 Mrd. pro Monat gedrosselt werden. Allerdings hat die EZB kein Datum angekündigt, wann das APP auslaufen soll. Kein Wunder, schließlich soll es laut der Ankündigung der EZB „kurz“ nach dem Ende des APP eine erste Zinserhöhung geben. „Eine Zinserhöhung 2022 ist sehr unwahrscheinlich“, sagte Lagarde und zerstörte damit einmal mehr die Träume all jener, die trotz der jahrelangen Strafzinspolitik der EZB und der hohen Inflation immer noch von einer möglichen Zinserhöhung geträumt hatten.

Gleichzeitig hat die EZB angekündigt, dass das PEPP jederzeit wieder aufgenommen werden könnte – sprich wenn die extrem niedrigen Zinsen für hochverschuldete Länder, wie Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich und Portugal deutlich steigen sollten. Zudem will die EZB die Anleihekäufe bei Bedarf verstärkt in Richtung griechische Anleihen umleiten, um dort die Lage unter Kontrolle zu halten.

Kleine Rechnung: Wenn alles nach Plan läuft, dürfte die EZB im Jahr 2022 für mehr als 500 Mrd. Euro Anleihen kaufen, also erneut mehr als 500 Mrd. Euro drucken – eine verheerende Politik!

EZB heizt Inflation weiter an

Obwohl die Inflation in der Euro-Zone im November auf 4,9 % nach oben geschossen ist – das ist das höchste Niveau seit Juli 1991 -, will die EZB die Inflation weiter anheizen, weil sie laut Lagardes Einschätzung zu niedrig ist. Dabei prognostiziert die EZB, dass die Inflation von erwarteten 2,6 % für 2021 auf 3,2 % für 2022 steigen soll und damit weiterhin klar über dem durchschnittlichen Zwei-Prozent-Ziel der EZB liegen würde. Gleichzeitig bleibt der Einlagenzins für die Banken weiterhin bei minus 0,5 %, die Banken zahlen also Strafzinsen für das bei der EZB geparkte Geld und verlangen daher immer mehr Strafzinsen von ihren Kunden. Strafzinsen sind die absolute Pervertierung unseres Wirtschaftssystems.

Das Problem dabei: Inflation bekämpft man, indem die Zinsen höher sind als die Inflationsrate. Wenn hingegen die Zinsen niedriger sind als die Inflation, wird die Konjunktur und damit die Inflation weiter angeheizt. Genau das will die EZB auch im kommenden Jahr tun.

Wie extrem die Sache ist, zeigt der stark negative Realzins für Deutschland. Wenn man vom Nominalzins von knapp minus 0,3 % für zehnjährige Bundesanleihen die Inflationsrate (5,2 %) abzieht, liegt der Realzins bei minus 5,5 % – der reine Irrwitz! Je niedriger der Realzins ist, und je weiter er im negativen Bereich ist, umso mehr wird die Inflation angeheizt.

Für die EZB steht über allem, dass sich die hochverschuldeten Länder weiter zu absoluten Mini-Zinsen finanzieren können, damit diese Länder weiter kräftig Schulden machen können und keine Reformen durchführen müssen. Den Preis dafür zahlen die Sparer in der Euro-Zone, denen jährlich hunderte Milliarden an Zinseinnahmen entgehen. Selbstverständlich haben Lagarde und viele ihrer Kollegen auch nicht vor, die Zinsen 2023 oder in den Folgejahren zu erhöhen, denn in der Zwischenzeit steigen die Schulden der Länder um jeweils mehrere Hundert Milliarden Euro pro Jahr. Wie soll es in dem Umfeld jemals Zinserhöhungen geben, wie?

Die Aussichten für Gold sind hervorragend. Sollte sich der Kursrückgang bei S&P500 und DAX nach der üblichen Euphorie zum Jahresauftakt wahrscheinlich schon ab Mitte beziehungsweise Ende Januar 2022 deutlich ausweiten, wovon ich ausgehe, sollte Gold als sicherer Hafen zunehmend gefragt sein. Gleichzeitig dürfte die Talfahrt des Euro gegenüber dem US-Dollar weitergehen. Dann werden endlich jene Goldbesitzer Grund zur Freude haben, die die niedrigen Kurse zum Aufstocken ihrer Bestände an physischem Gold genutzt haben. Auf Euro-Basis ist der Goldpreis seit Jahresanfang um drei Prozent gestiegen. Im Vergleich zu den Strafzinsen von der Bank ist das gar nicht so schlecht.

Ich wünsche Ihnen Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in ein glückliches und gesundes neues Jahr 2022!

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.