Während die US-Staatsschulden auf den Rekord von 32 Billionen Dollar gestiegen sind, hat die EZB nach ihrer Sitzung mit dem Ausblick zu Inflation und Wirtschaftswachstum für Aufsehen gesorgt. Nun warten Investoren auf die Sitzung der englischen Notenbank.

Nach der Rekordfahrt beim DAX haben Investoren zuletzt bei dem Index ebenso wie beim S&P 500 und beim Nasdaq Composite Index ein paar Gewinne mitgenommen. Am fundamentalen Umfeld hat sich weiterhin nichts geändert, während der S&P 500 mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von herben 18,8 weiterhin sehr hoch bewertet ist. Das KGV wird berechnet, indem man den Börsenwert der Unternehmen durch deren Gewinne dividiert.

Hingegen ist der Goldpreis zuletzt mit Kursen von rund 1.935 Dollar je Unze auf Drei-Monats-Tiefs gesunken. So waren die am Dienstag, 20. Juni veröffentlichten Daten zu den US-Neubaubeginnen und Baugenehmigungen für Mai deutlich besser als erwartet. Komischerweise waren die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen daraufhin aber nicht etwa nach oben geschossen, sondern vielmehr eingeknickt.

Trotz der sinkenden US-Zinsen haben Investoren Gold verkauft. Das hat zwar keinen Sinn gemacht, aber dennoch stand ein Rückgang bei der Notierung des Edelmetalls zu Buche.

Prognosen zum Wirtschaftswachstum stehen auf sehr wackeligen Beinen

Und damit weiter zur EZB-Sitzung vom vergangenen Donnerstag, 15. Juni. Ich fand die Ergebnisse durchaus bemerkenswert, gerade die Anpassung der Prognosen. So hat die EZB jene für das Wirtschaftswachstum der Eurozone leicht gesenkt, für 2023 von 1,0 auf 0,9 Prozent, und für 2024 von 1,6 auf 1,5 Prozent.

Dieser Ausblick steht aber auf sehr, sehr wackeligen Beinen. Nachdem die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal nämlich um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken war, müsste das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den Quartalen zwei, drei und vier um jeweils 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal wachsen, um ein Wachstum von 0,9 Prozent für das Gesamtjahr zu erreichen.

Ich halte es aber für sehr unwahrscheinlich, dass die Wirtschaft der Eurozone auf Quartalsbasis jeweils ein Wachstum von 0,5 Prozent erreichen wird, denn das entspricht der Rate, mit der die Wirtschaft üblicherweise in einem normalen Umfeld expandiert, wenn also die Inflation relativ niedrig ist und die Weltwirtschaft brummt, also die weltweite Schuldensause auf Hochtouren läuft.

Von einem derartigen Szenario sind wir aber meilenweit entfernt. Meinen Berechnungen nach dürfte das BIP der Eurozone im laufenden Jahr bestenfalls um 0,5 Prozent wachsen, vorausgesetzt die schwache Konjunktur in den USA belastet die exportabhängige Wirtschaft der Eurozone nicht noch mehr als ohnehin schon.

Gleichzeitig dürfte das BIP-Wachstum der Eurozone im kommenden Jahr viel schwächer sein als die EZB prognostiziert hat. Etliche Experten gehen statt von 1,5 nur von 0,5 Prozent aus. Ich schließe mich völlig der Meinung der Skeptiker an.

Inflationsprognose angehoben

Zumal die EZB ihre Inflationsprognosen mehr oder minder stark nach oben geschraubt hat – und je höher die Inflation, sprich der Kaufkraftverlust, ist, umso mehr belastet das zwangsläufig die Konjunktur.

So hat die EZB die Inflationsprognose leicht angehoben, für 2023 von 5,3 auf 5,4 Prozent und für 2024 von 2,9 auf 3,0 Prozent. Umso kräftiger hat die Notenbank allerdings den Ausblick für die Kernrate, also die um Nahrungsmittel und Energie bereinigte Inflationsrate, nach oben geschraubt: für 2023 von 4,6 auf herbe 5,1 Prozent und für 2024 von 2,5 auf 3,0 Prozent. Die Prognose der EZB zeigt, dass der unterliegende Inflationsdruck weiterhin hoch ist und es absolut keinen Grund zur Entwarnung gibt.

Vor dem Hintergrund hat die EZB für die nächste Sitzung am 27. Juli eine weitere Zinserhöhung angekündigt. Laut der Einschätzung vieler Experten wird die EZB den Einlagenzins um weitere 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) auf dann 3,75 Prozent anheben und den Leitzins um 25 Basispunkte auf dann 4,25 Prozent.

Sollte die Inflationsrate von 6,1 Prozent für Mai auf 5,6 Prozent im Juni zurückgehen (so die Schätzungen etlicher Volkswirte), dann würde sowohl der möglicherweise erhöhte Einlagenzins von 3,75 Prozent als auch der Leitzins von 4,25 Prozent immer noch weit unter der Inflationsrate liegen, womit es weiterhin einen negativen Realzins gäbe!

Damit würde die EZB die Inflation also weiterhin nicht bekämpfen, denn um das zu tun müsste der Zins über die Inflationsrate hinaus angehoben werden. Der Realzins wird berechnet, indem man vom Nominalzins die Inflationsrate abzieht.

EZB-Chefin Christine Lagarde und viele ihrer Kollegen tun zwar so, als ob sie die Inflation energisch bekämpfen würden, das sind aber reine Lippenbekenntnisse! Der Grund hierfür ist jedermann klar: Jeder noch so kleine Zinsanstieg belastet die hochverschuldeten Länder wie Spanien, Italien, Frankreich, Griechenland und Portugal immer mehr. Den Preis für das Zögern und Zaudern der EZB werden also weiterhin sämtliche Verbraucher und Sparer in der Eurozone bezahlen.

Umso unverzichtbarer ist es meiner Meinung nach, einen Teil seines Vermögens in physischem Gold zu halten und sich so gegen den anhaltend hohen Kaufkraftverlust zu schützen.

US-Staatsschulden steigen auf Rekordhoch

Apropos Schuldensause: Die US-Staatsschulden, also jene auf Bundesebene, sind zuletzt auf den Rekord von 32,0 Billionen Dollar gestiegen. Das sind herbe 120,8 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Gegenüber Ende Juni 2022, also innerhalb von knapp 12 Monaten, sind damit die Schulden um herbe 1,4 Billionen Dollar gestiegen!

Und das in einem Umfeld, in dem die Wirtschaft laut den offiziellen Zahlen floriert. Wie stark die Schulden im Fall einer Rezession nach oben schießen werden, kann sich jeder selbst ausmalen. Dann wird die Neuverschuldung schnell bei deutlich mehr als 2,0 Billionen Dollar pro Jahr liegen.

Und mit jeder weiteren Zinserhöhung in den USA – die Fed hat nach der Sitzung vom 14. Juni bis zum Jahresende weitere Zinserhöhungen um insgesamt 50 Basispunkte auf dann 5,6 Prozent angekündigt – werden die Zinsbelastungen für den Staat, ebenso wie für die hochverschuldeten Verbraucher und Unternehmen immer größer.

Schauen wir mal, ob die Fed ihrer Ankündigung auch Taten folgen lassen wird, zumal wenn viele Konjunkturdaten in den nächsten Monaten kollabieren und damit Rezessionssorgen schüren sollten.

Warten auf Sitzung der englischen Notenbank

Nun warten viele Investoren auf die Sitzung der englischen Notenbank am Donnerstag, 22. Juni, deren Ergebnisse um 13 Uhr veröffentlicht werden. Denn die Inflation in Großbritannien ist weiterhin deutlich höher als erwartet, was die Notenbank dazu zwingt, den Leitzins immer weiter anzuheben. Das drückt wiederum die Zinsen in den USA und der Eurozone mit nach oben und belastet leider den Goldpreis.

So stagnierte die Inflation im Mai bei herben 8,7 Prozent, und lag damit deutlich über den Schätzungen der Volkswirte, die einen Rückgang auf 8,4 Prozent vorhergesagt hatten. Zudem ist die Kernrate von April auf Mai von 6,7 auf 7,1 Prozent gestiegen.

Das sind schlechte Nachrichten nicht nur für die Verbraucher, sondern auch für die Notenbank. Viele Investoren erwarten, dass die Notenbank bei der Sitzung am Donnerstag, 22. Juni den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,75 Prozent anheben wird.

Viele Investoren gehen zudem davon aus, dass die Anhebungen bei den darauffolgenden Sitzungen zügig weitergehen werden und der Leitzins im Dezember bei herben 6,0 Prozent liegen wird. Welche Folgen das für die hochverschuldeten Verbraucher und die riesige Blase am Immobilienmarkt haben dürfte, kann sich jeder selbst ausmalen.

Der Abwärtsdruck auf den Goldpreis kann kurzfristig noch etwas anhalten, zumal wenn die Sitzung der englischen Notenbank die Zinsen nicht nur in Großbritannien, sondern auch in den USA nach oben treiben sollte. Das betrachte ich allerdings weiterhin als hervorragende Gelegenheit, um die Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken, denn die mittel- und langfristigen Aussichten für Gold sind weiterhin hervorragend.

Denn bei einer anhaltenden Schuldensause in den USA und der Eurozone, und einer schnell heraufziehenden Rezession in den USA – die Eurozone ist bereits in einer leichten Rezession und wird meiner Meinung nach erst einmal darin bleiben -, dürften Fed und EZB trotz gegenteiliger Beteuerungen eher früher als später in Richtung Zinssenkungen und einer neuen QE-Gelddruckrunde umschwenken. Das bleibt meine feste Überzeugung!

Schließlich können so hoch verschuldete Volkswirtschaften wie die USA und viele Länder der Eurozone keine nachhaltig hohen Zinsen verkraften. Umso mehr Auftrieb sollte der Goldpreis in den nächsten Jahren haben.

Und sollten aufgrund überraschend schwacher US-Konjunkturdaten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen entgegen der Erwartung sehr vieler Investoren plötzlich einbrechen, könnte der Goldpreis viel schneller und stärker nach oben drehen, als derzeit viele Investoren erwarten.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.