Manche Anleger in Deutschland hoffen, dass Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Nachfolger von EZB-Chef Mario Draghi werden könnte, woraufhin die Zinsen allmählich steigen könnten. Diese Hoffnung dürfte allerdings kaum Realität werden. Vielmehr sollten sich Anleger darauf einstellen, dass die Zinsen noch sehr lange sehr niedrig bleiben dürften.

Wann endet endlich die Talfahrt des Goldpreises? Das fragen sich viele Gold-Fans. Zuletzt ist die Notierung des Edelmetalls mit Kursen von knapp unter 1.200 Dollar je Unze auf das niedrigste Niveau seit Januar 2017 gesunken. Für anhaltenden Abwärtsdruck sorgt der Anstieg des Dollar gegenüber dem chinesischen Renminbi, woraufhin der Goldpreis im Rückwärtsgang ist.

Auf Euro-Basis ist der Preis sogar auf den Stand von Februar 2016 zurückgegangen. Dabei müsste Gold wegen der zahlreichen Risiken für die Weltwirtschaft, wie dem Handelskrieg zwischen den USA und China, der Türkei-Krise und der Währungskrise in den Emerging Markets, bei Investoren stärker gefragt sein als je zuvor. Für Anleger aus der Euro-Zone kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Die anhaltend extrem niedrigen Zinsen. So liegen die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen knapp über 0,3 Prozent. Wenn in dem Umfeld Gold nicht gefragt ist, wann dann?

Draghis Nachfolger wird die Politik seines Vorgängers fortsetzen

Umso mehr hoffen viele Anleger hierzulande, dass mit den Null- und Strafzinsen baldmöglichst Schluss ist und die Zinsen allmählich steigen. Einige dieser Anleger hoffen, dass Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Nachfolger von EZB-Chef Mario Draghi werden könnte, wenn dessen Amtszeit am 31. Oktober 2019 endet. Wenn man den jüngsten Presseberichten Glauben schenken mag, dann wird diese Hoffnung allerdings ein Traum bleiben. So habe die Bundesregierung den Plan aufgegeben, Weidmann zum Nachfolger Draghis zu machen. Stattdessen strebe Kanzlerin Angela Merkel an, einen Deutschen an die Spitze der EU-Kommission zu bringen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bundesbanker EZB-Chef wird, ist vernachlässigbar gering. Einige Experten sagen ganz offen, wieso das so ist. „Weil die Ursachen der Staatsschuldenkrise insbesondere in Italien nach wie vor ungelöst sind, werden die Regierungen im Euroraum weiter auf Schützenhilfe durch eine geldpolitisch weich ausgerichtete EZB drängen. Falken wie Weidmann haben deshalb eben so wenig eine Chance, wie der damalige Bundesbank-Präsident Axel Weber, der lange als Nachfolger von Trichet gehandelt worden war“, schrieb Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank. „Stattdessen wird am Ende wohl ein Kandidat zum Zuge kommen, der nicht grundsätzlich abkehrt von Draghis geldpolitischer Linie, die Währungsunion auch mit Mitteln der Geldpolitik zusammenzuhalten“, so Krämer.

Draghis Nachfolger werde noch „sehr lange“ fällig werdende Staatsanleihen reinvestieren. Durch Draghis gigantische Käufer ist die Bilanzsumme der EZB zuletzt auf den Rekord von 4,61 Billionen Euro gestiegen. Dabei beläuft sich der Anleihenbestand auf rund 2,6 Billionen Euro. Die EZB hat angekündigt, dass die Käufe ab Oktober auf 15 Mrd. Euro pro Monat halbiert werden und im Dezember endgültig auslaufen. Anschließend werde die EZB die Anleihen im Bestand noch auf Jahre hinaus reinvestieren. „Damit wird sie (die EZB) auf Jahre knapp ein Drittel der Staatsanleihen halten und die Anleihenrenditen im Interesse der hoch verschuldeten Staaten dauerhaft drücken. Darüber hinaus erwarten wir keinen echten Zinserhöhungszyklus“, schrieb Commerzbank-Experte Krämer.

Italien steckt ganz tief im Schuldensumpf

Ein Blick auf die Zahlen allein für Italien genügt, um zu sehen, weshalb es schon rein rechnerisch keine Zinswende in der Euro-Zone geben kann, weil sie sonst schnell auseinanderfliegen würde. So hat Italien horrende 2,3 Billionen Euro Staatsschulden. Dennoch will die neue Regierung im Haushalt für 2019 einen starken Anstieg der Neuverschuldung durchdrücken. Die Regierung hat ein enormes Druckmittel in der Hand – im Zweifelsfall kann sie jederzeit damit drohen, dass sie es auf einen Zahlungsausfall Italiens ankommen lassen würde, woraufhin die EU-Kommission einmal mehr gegenüber einem Mitgliedsland einknicken würde.

Zur Erinnerung: Ein Zinsanstieg um mickrige 100 Basispunkte (1,0 Prozentpunkte) würde beim Staat zu zusätzlichen Zinsbelastungen von 23 Mrd. Euro pro Jahr führen. Wie soll Italien das bezahlen? Umso nervöser machen die Schuldenpläne die Investoren. So liegen die Zinsen für zweijährige Anleihen bei 1,2 Prozent – das ist doppelt so viel wie vor einem Monat. Dass das Niveau angesichts des Schuldenbergs viel zu niedrig ist, versteht sich von selbst.

Unter der Oberfläche brodelt es

Bedenklich ist zudem, dass die Zinsen für zehnjährige italienische Anleihen auf 3,1 Prozent geklettert sind. Damit liegen sie in der Nähe des höchsten Niveaus seit 2014. Zudem ist der Zinsaufschlag für zehnjährige italienische Anleihen gegenüber spanischen auf rund 175 Basispunkte gestiegen – das ist das höchste Niveau seit 2012, also dem Höhepunkt der Schuldenkrise in der Euro-Zone. Wenn die Lage nicht so ernst wäre, könnte man sagen: Da brennt die Hütte. Dass in dem Umfeld die Aktien der italienischen Banken abgeschmiert sind, sollte niemanden überraschen. So ist der Branchenindex FTSE Italia All-Share Banks auf das tiefste Niveau seit März 2017 abgerutscht. Je stärker die Regierung versuchen wird, die Verschuldung kräftig zu erhöhen, umso größer werden die Turbulenzen am Anleihenmarkt werden.

Wenn man sich die Zahlen von Italien vor Augen hält, da will man sich garantiert nicht mehr die Schulden Frankreichs, Spaniens, oder Portugals anschauen. Die Länder sind ebenfalls sehr hoch verschuldet. Eine Zinswende in der Euro-Zone ist damit unmöglich – so sehr deutsche Anleger sich das auch wünschen mögen.

Und damit zurück zu Gold. Jeder Anleger hat die Wahl: Entweder man kauft sich beispielsweise Bundesanleihen und gibt sich mit Zinsen von mickrigen 0,3 Prozent pro Jahr zufrieden. Oder man nutzt die sehr niedrigen Goldpreise und kauft physisches Gold, auch auf das Risiko hin, dass der Preis möglicherweise noch um ein paar Prozent sinken könnte. Allerdings besitzt man dann einen Vermögenswert, der in der nächsten Krise der Euro-Zone seine Qualität als Kaufkraft- und Werterhalt ausspielen sollte.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.