Etliche Faktoren haben dafür gesorgt, dass die US-Zinsen entgegen der Erwartung vieler Spekulanten kollabiert sind. Dennoch hat der Goldpreis deutlich nachgegeben.

Manchmal kommt es anders als man denkt: Zuletzt hatten viele Hedgefonds und andere Spekulanten stärker als je zuvor darauf gewettet, dass der Kursrückgang bei US-Anleihen weitergehen wird, sprich die Zinsen immer weiter steigen. Aber es kam ganz anders als erwartet, die US-Zinsen sind eingebrochen.

Das lag an zwei schwachen Daten vom US-Arbeitsmarkt, einer Ankündigung des US-Finanzministeriums und der Fed-Sitzung. Wegen des Einbruchs der US-Zinsen haben Investoren kräftig Aktien aus S&P 500, Nasdaq und DAX gekauft, woraufhin die Indizes nach oben geschossen sind. Denn bei sinkenden Zinsen lässt der Gegenwind für die Konjunktur und den Aktienmarkt nach.

Hingegen hat der Goldpreis zuletzt deutlich nachgegeben und liegt mit rund 1.970 Dollar in der Nähe des Drei-Wochen-Tiefs. Wegen der kräftigen Erholung am Aktienmarkt waren offensichtliche etliche Spekulanten der Meinung, dass sie kein Gold brauchen würden.

Zudem war der Dollar nach dem zwischenzeitlichen Rückgang etwas gestiegen, was zusätzlichen Gegenwind für die Notierung des Edelmetalls bedeutet hat. Warum der Dollar trotz des Einbruchs der US-Zinsen geklettert ist, werde ich gleich aufzeigen.

Mehrere Faktoren sorgen für US-Zinseinbruchs

Aber zuerst zurück zu den Gründen für den Kollaps der US-Zinsen. Gestartet war der Zinseinbruch am vergangenen Mittwoch, 1. November mit dem schwachen US-Arbeitsmarktbericht von ADP, demnach die Privatwirtschaft im Oktober deutlich weniger Jobs geschaffen hatte als erwartet.

Kurz darauf beschleunigte sich der Zinsrückgang, als das US-Finanzministerium angekündigt hatte, dass es in Kalenderwoche 45 für „nur“ 112 Mrd. Dollar Staatsanleihen platzieren wird, das lag etwas unter den Schätzungen der Volkswirte von 114 Mrd. Dollar. Das ist aber immer noch ein immenses Volumen!

Fed-Sitzung und US-Arbeitsmarktbericht beschleunigen Zinsrückgang

Der nächste Tiefschlag für die US-Zinsen kam mit der Fed-Sitzung am Mittwochabend. Die Fed hat in ihrer Pressemeldung geschrieben, dass sich die Finanzbedingungen verschärft hätten. Gemeint ist, dass der vorherige kräftige Anstieg der Zinsen für zehnjährige US-Anleihen die Zinsen für Kredite an Unternehmen und Verbraucher deutlich nach oben getrieben hat und damit der Fed quasi die Arbeit abgenommen hat.

Damit hat die Fed signalisiert, dass der Höhepunkt bei den Leitzinsen in diesem Zyklus mit aktuell 5,25 bis 5,5 Prozent erreicht sei, woraufhin viele Investoren davon ausgegangen sind, dass die Fed bei der nächsten Sitzung am 13. Dezember den Leitzins nicht mehr erhöhen dürfte. Vielmehr haben Investoren verstärkt spekuliert, wann die Fed im kommenden Jahr den Leitzins erstmals senken dürfte und wie groß die Zinssenkungen im Gesamtjahr ausfallen könnten.

Das Sahnehäubchen für Anleger am Aktienmarkt war dann der überraschend schwache US-Arbeitsmarktbericht vom Freitag, 3. November woraufhin die US-Zinsen noch mehr eingebrochen sind. Dabei waren im Oktober nur 150.000 statt der erwarteten 180.000 Jobs geschaffen worden. Zudem sind die Zahlen für August und September um insgesamt 101.000 nach unten korrigiert worden.

Da der Arbeitsmarkt ein nachlaufender Konjunkturindikator ist und damit anzeigt, wie schwach die US-Konjunktur trotz anders lautender Daten tatsächlich ist, hat das die Hoffnungen auf eine mögliche erste Zinssenkung der Fed für Mitte 2024 befeuert, und damit die Aktienmärkte nach oben getrieben.

Die Folge all dieser Faktoren: zwischen Mittwoch und Freitag sind die Zinsen für 10-jährige US-Anleihen von 4,9 Prozent auf 4,5 Prozent kollabiert, also um 40 Basispunkte innerhalb von nur 3 Tagen. Das ist eine enorme Bewegung. Das war einer der stärksten Rückgänge für einen Drei-Tages-Zeitraum der vergangenen 10 Jahre.

Ein derartiger Einbruch bedeutet einen Rückgang um horrende 267 Basispunkte auf einen Monat hochgerechnet (bei 20 Handelstagen) – das ist eine gewaltige Bewegung!

Wie geht’s weiter mit den US-Zinsen?

Bemerkenswert ist zudem, dass trotz des Einbruchs der US-Zinsen der Dollar zuletzt etwas gestiegen ist. Das liegt meiner Meinung daran, dass Investoren wegen der aufgrund der schwachen Daten zunehmenden Konjunktursorgen in den sicheren Hafen Dollar geflüchtet sind. Das hat im Gegenzug den Goldpreis deutlich belastet.

Umso genauer werde ich die Entwicklung der Zinsen für 10-jährige US-Anleihen weiter beobachten. Wegen der Schuldensause der US-Regierung müssten die Zinsen einerseits eigentlich wieder deutlich nach oben drehen, was schnell Gegenwind für den Aktienmarkt bedeuten würde.

Laut den Schätzungen von Experten dürfte das US-Finanzministerium im Jahr 2024 Anleihen im Volumen von horrenden 4,2 Billionen Dollar platzieren. Abzüglich der auslaufenden Anleihen, die reinvestiert werden müssten, beläuft sich die Nettoemission auf rund 2,4 Billionen Dollar.

Sie lesen richtig: Das US-Finanzministerium muss im nächsten Jahr institutionelle Investoren, Unternehmen und Privatanleger finden, die zusätzliche US-Anleihen im Volumen von 2,4 Billionen Dollar kaufen. Wahnsinn!

Andererseits dürfte eine heraufziehende US-Rezession für kräftigen Abwärtsdruck auf die US-Zinsen sorgen, denn in einem derartigen Umfeld dürften Investoren – wie üblich – in den sicheren Hafen US-Anleihen flüchten, woraufhin sich die Kurse kräftig erholen und im Gegenzug die Zinsen einbrechen würden.

Ob in einem derartigen Szenario der hochbewertete US-Aktienmarkt – und damit der DAX – steigen dürften, ist aber mehr als fraglich. Schließlich bedeutet eine US-Rezession, dass die Gewinne vieler Unternehmen einbrechen würden, womit Aktien noch viel teurer würden als ohnehin schon.

Warten auf Powell-Rede

Umso gespannter warten Investoren auf die Rede von Fed-Chef Jay Powell am 9. November beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Powells Rede bzw. die Diskussionsrunde mit ihm beginnt um 20 Uhr deutscher Zeit.

Sollte Powell erneut die US-Zinsen nach unten reden, könnte das den Goldpreis etwas stützen, zumal wenn die möglicherweise sinkenden US-Zinsen den Dollar etwas mit nach unten ziehen sollten. Ich werde daher Powells Aussagen genau verfolgen.

Unabhängig von der kurzfristigen Entwicklung sind die mittel- und langfristigen Aussichten für Gold weiterhin hervorragend. Entgegen den Beteuerungen vieler Fed-Mitglieder dürfte die Fed im Szenario einer US-Rezession die Zinsen im kommenden Jahr viel stärker senken als derzeit viele Investoren erwarten.

Das sollte den Goldpreis beflügeln, zumal wenn die Fed ihre derzeitigen Anleiheverkäufe von insgesamt netto 95 Mrd. Dollar pro Monat überraschend beenden und wieder zum QE-Gelddrucken zurückkehren sollte. Vor dem Hintergrund macht es meiner Meinung nach weiterhin Sinn, die aktuellen Preise zu nutzen, um die Bestände an physischem Gold weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.