Noch vor kurzem hatten Sorgen vor einer Rezession in den USA und sogar der Weltwirtschaft für einen Kursrutsch bei S&P500 und DAX gesorgt. Zuletzt haben sich die Indizes aber kräftig erholt. Allerdings bleiben große Zweifel, ob der Kursanstieg nachhaltig ist.

Bei vielen Anlegern hat sich die Stimmung in den vergangenen Tagen erheblich verbessert: Der DAX ist seit dem Zwei-Monats-Tief vom 9. Mai um 6 % nach oben geschossen und notiert in der Nähe der Marke von 14.200 Punkten. Der S&P500 hat gegenüber dem Zwölf-Monats-Tief vom 12. Mai um 5 % zugelegt und liegt bei rund 4.080 Punkten. Im dem Umfeld war Gold kaum gefragt bei Investoren, der Preis des Edelmetalls notiert mit rund 1.815 US-Dollar je Unze in der Nähe des Dreieinhalb-Monats-Tiefs. Zuletzt hatten auch die wieder deutlich steigenden US-Zinsen für Gegenwind gesorgt.

Fundamentale Gründe für den Kursanstieg an den Aktienmärkten diesseits und jenseits des Atlantiks kann ich allerdings nicht finden. Meiner Meinung nach haben vielmehr institutionelle Investoren die Einzelaktien und damit die Indizes vor dem Verfallstag am kommenden Freitag, 20. Mai nach oben gezogen. Dann sind weitere Investoren und Privatanleger auf den fahrenden Zug aufgesprungen, womit sich der Kursanstieg beschleunigt hat. Er könnte durchaus noch bis zum Verfallstag oder gar noch ein paar Tage darüber hinaus weitergehen. Anschließend könnten die Märkte aber umso schneller wieder nach unten drehen.

Viele Risiken sind geblieben

Schließlich gibt es noch etliche Risiken, die Investoren derzeit einfach ignorieren. So will die Fed die Leitzinsen weiterhin deutlich anheben, womit die Notenbank die schwächelnde US-Wirtschaft zusehends belastet. Ich bin weiterhin der Überzeugung, dass die USA zügig auf dem Weg in eine Rezession sein dürfte, was für einen erneuten Kurseinbruch beim S&P500 sorgen sollte.

Hingegen sollte dann Gold als sicherer Hafen erneut gefragt sein. Laut der monatlichen Fondsmanagerumfrage der Bank of America waren im Mai „falkenhafte Notenbanken“, sprich die Verschärfung der Geldpolitik durch die Fed, der größte Risikofaktor für die Finanzmärkte und haben damit eine mögliche weltweite Rezession von Platz eins auf zwei verdrängt.

Zur Erinnerung: Seit Jahresanfang ist beim marktbreiten Wilshire 5000 Index ein Börsenwert von horrenden 8,67 Billionen US-Dollar vernichtet worden. Das sind rund 35 % der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA. Dieser enorme Vermögensrückgang sollte kräftig auf die Stimmung vieler Amerikaner durchschlagen, woraufhin sie sich in den nächsten Monaten deutlich beim Konsum zurückhalten sollten, wodurch die Einzelhandelsumsätze unter Druck kommen würden.

Und dass die US-Benzinpreise praktisch jeden Tag auf ein neues Rekordhoch steigen, kurbelt die Wirtschaft auch nicht gerade an, oder? Schauen wir mal, wie lange in einem derartigen Konjunkturumfeld die Party an den US-Börsen und damit beim DAX noch weitergehen wird.

US-Aktien sind weiterhin hoch bewertet

Noch eine Sache dazu: Viele Experten behaupten, dass nach dem zwischenzeitlichen Kurseinbruch beim S&P500 viele schlechte Nachrichten am US-Aktienmarkt eingepreist seien. Ernsthaft? Meinen die „Experten“ das ernst? Zwar ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P500 auf 16,6 gesunken, damit liegt es allerdings immer noch auf der Höhe des Durchschnitts der vergangenen 10 Jahre (KGV 16,9). Beim KGV des S&P500 wird der Börsenwert sämtlicher Unternehmen aus dem Index durch deren Gewinne dividiert.

In den vergangenen zehn Jahren hatte es allerdings das massivste Gelddrucken aller Zeiten und damit rekordniedrige Zinsen für zehnjährige US-Anleihen gegeben, was die Aktien in die Stratosphäre getrieben hatte, womit die Fed die mit weitem Abstand größte Blase aller Zeiten verursacht hat.

Nun sind wir aber in einem völlig anderen Umfeld. Die Fed treibt mit deutlichen Anhebungen der Leitzinsen die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen kräftig nach oben, was zwischenzeitlich zu einem kräftigen Kurseinbruch vor allem bei sogenannten Growth-Aktien, also Aktien von  Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade beim Umsatz, geführt hatte. In einem Umfeld weiter deutlich steigender US-Zinsen müsste das KGV und damit die Aktienkurse deutlich unter den Schnitt der vergangenen zehn Jahre sinken. Aus der weiterhin riesigen Blase müsste meiner Meinung nach also noch viel mehr heißte Luft entweichen, viel mehr heiße Luft!

Chinesische Wirtschaft schwächelt

Der zweite große Risikofaktor für die Börsen bleibt die Konjunkturflaute in China. Zwar soll der Lockdown in Shanghai ab dem 21. Mai allmählich gelockert werden. Sollten die Infektionszahlen daraufhin aber deutlich steigen, dürften die Beschränkungen wieder verschärft werden, was neuen Gegenwind für die Konjunktur bedeuten würde – zumal ein ähnliches Szenario auch in vielen anderen Städten und Regionen droht. Wenn neben der US-Wirtschaft in den nächsten Monaten auch die chinesische schwächeln sollte, dann dürften bei Investoren Sorgen vor einer möglichen weltweiten Rezession schnell zurückkehren. Das sollte für neuen Abwärtsdruck auf die Börsen sorgen.

In dem Umfeld können sich Goldbesitzer entspannt zurücklehnen. Zwar ist der Goldpreis auf Dollar-Basis um ein Prozent unter das Niveau von Ende 2021 gesunken. Da aber in der gleichen Zeit der Euro gegenüber dem Dollar kollabiert ist – den Strafzinsen der EZB sei „Dank“ – ist der Goldpreis auf Euro-Basis um 7,4 % gestiegen. Damit hat das Edelmetall vor dem Hintergrund einer Inflationsrate von 7,4 % für April für Deutschland Ihre und meine Kaufkraft erhalten. Damit bin ich ziemlich zufrieden!

Niemand weiß, wie es kurzfristig mit Gold auf US-Dollar-Basis weitergehen könnte. Das hängt vom US-Aktienmarkt, den US-Zinsen und dem US-Dollar ab. Allerdings gehe ich davon aus, dass aufgrund meines obigen Konjunkturszenarios die Turbulenzen am US-Aktienmarkt viel schneller zurückkehren dürften als viele Anleger derzeit erwarten. Schauen wir mal, ob Investoren dann Gold als sicheren Hafen wiederentdecken. Ich halte physisches Gold weiterhin für unverzichtbar, um sich gegen die herbe Inflation zu schützen. Daher sollte es sich lohnen, Kursrückgänge auf Euro-Basis zu nutzen, um die eigenen Bestände weiter aufzustocken.

Über den Autor

Egmond Haidt begann nach seiner Bankausbildung und dem BWL-Studium im Jahr 2000 als Redakteur bei BÖRSE ONLINE. Seit dem Verkauf von BÖRSE ONLINE an den Finanzen Verlag im Januar 2013 arbeitet Egmond als freier Finanzjournalist und schreibt über Themen wie Wirtschaft, Aktien, Währungen, Rohstoffe und Edelmetalle. Seit der 2008er-Schuldenkrise beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Gold.